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Japan Brief des Foreign Press Center Japan


08.04.2005
     
 

850.000 junge Menschen ohne jeden Bezug zur Arbeit

 Laut Angaben des Weißbuchs zur Beschäftigungslage für das Jahr 2004, das vom Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales herausgegeben wurde, ist die Zahl der jungen Menschen, die als NEETs ("ohne Beschäftigung, Ausbildung oder Fortbildung" [not in employment, education, or training]) bezeichnet werden, und die zu einem wichtigen gesellschaftliches Thema geworden sind, weil sie weder arbeiten noch studieren, auf nunmehr 520.000 gestiegen. Zusätzlich gibt es noch sogenannte Freeters (Teilzeitkräfte in Aushilfsjobs), deren Zahl sich 2003 auf 2,17 Millionen belief, eine Zunahme um 80.000 gegenüber dem Vorjahr. Im März verkündete das Kabinettsamt, dass es nun 850.000 NEETs gebe, eine höhere Zahl als die des Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales, das in seiner Statistik nicht diejenigen NEETs mitzählt, die im Haushalt in irgendeiner Form aushelfen. Dies bedeutet einen Zuwachs von 27% in den letzten zehn Jahren. Von diesen sind ca. 430.000 künftige Arbeitssuchende, während 420.000 keine Beschäftigung anstreben. Damit ist eine von vierzig Personen in der Altersgruppe der 15- bis 34-jährigen ein NEET.

Die Regierung und verschiedene Bildungsinstitutionen betrachten diese Situation mit Sorge. Daher wurde eine Studiengruppe über Beschäftigung für junge Menschen ins Leben gerufen, der Experten aus den Bereichen Bildung, Soziales und Beschäftigung angehören, um konkrete Maßnahmen einzuleiten, die den jungen Menschen dabei helfen sollen, ihre Unabhängigkeit zu erlangen.

Was sind NEETs?

Der Begriff "NEET" entstand in Großbritannien in den späten neunziger Jahren und bezeichnet junge Menschen, die weder arbeiten, noch eine Aus- oder Fortbildung absolvieren. In Japan befassen sich Parlament, Verwaltung und Medien seit etwa einem Jahr mit diesem Phänomen, auch wenn diese NEETs noch nicht in die Arbeitslosenstatistik aufgenommen wurden. Laut Schätzungen des Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales, die auf einer Untersuchung des Ministeriums für Inneres und Kommunikation zum Arbeitskräftepotential beruhen, bezieht sich der Begriff auf Menschen zwischen 15 und 34 Jahren unter der nicht arbeitenden Bevölkerung, die nach dem Schulabschluss keine weiterführende Ausbildung absolvieren und auch nicht heiraten. Da NEETs keinen ausgeprägten Wunsch nach Aufnahme einer Beschäftigung haben, gilt dieses Problem als sehr viel gravierender als das Phänomen der Freeters.

Klassifizierung von NEETs durch eine Expertin

Die stellvertretende Leiterin des Japan Institute for Labor Policy and Training, Reiko Kosugi, hat NEETs in vier Typen unterteilt: den antisozialen und hedonistischen Typ, den zurückgezogenen Typ, der nicht in der Lage ist, Beziehungen zur Gesellschaft zu gestalten und sich selbst abkapselt, den paralysierten Typ, der zuviel nachdenkt, bevor er eine Beschäftigung sucht und in Passivität endet, und den entzauberten Typ, der bereits eine Beschäftigung hatte, diese aber rasch wieder aufgab und nun kein Vertrauen mehr hat. Den Hintergrund für die zunehmende Zahl von NEETs sieht Kosugi in der zunehmenden Schwierigkeit, eine Anstellung zu finden, weil immer mehr Unternehmen Mitarbeiter suchen, die sie sofort einsetzen können und daher immer weniger Schul- und Hochschulabsolventen eingestellt werden. Bei ihrer Analyse der NEET-Generation nach Alter auf der Grundlage der Daten des landesweiten Zensus weist Kosugi darauf hin, dass die meisten NEETs 19 oder 23 Jahre alt sind. Diese NEETs, so Kosugi, seien junge Leute, die trotz des Abschlusses der Oberschule oder Universität nicht in der Lage waren, eine Anstellung zu finden und die Suche danach aufgegeben haben (Yomiuri Shimbun, 5. Oktober 2004).

Zunehmende Zahl von NEETs und Hintergrund des Problems

Das Weißbuch zur Beschäftigungslage warnt, dass, zusammen mit der nach wie vor hohen Arbeitslosenquote unter jungen Leuten, das Problem der NEETs "Anlass zur Sorge bietet, weil dies nicht allein Auswirkungen auf die Unternehmensaktivitäten und die Wirtschaft hat, sondern auch die Bewahrung und Entwicklung der Gesellschaft beeinflusst."

Laut Kosugi beläuft sich die Zahl der NEETs auf der Grundlage des landesweiten Zensus aus dem Jahr 2000 in Japan in der Altersgruppe der 15- bis 34-jährigen auf 760.000. Im Gegensatz dazu liegt die Zahl der offiziell gemeldeten Arbeitslosen in dieser Altersgruppe bei 1,46 Millionen.

Darüber hinaus schätzt die Dai-Ichi Life Research Institute Inc., dass die NEET-Population "2005 auf 873.000 Personen ansteigen wird und im Jahr 2010 bei 984.000, also fast einer Million, liegen wird." Der Chefökonom des Instituts, Takashi Kadokura, meinte (Asahi Shimbun, 22. Oktober 2004): "Rasche Gegenmaßnahmen sind notwendig, weil zu befürchten ist, dass eine Zunahme dieser Personengruppe infolge des Rückgangs beim Verbrauch und der arbeitenden Bevölkerung das potentielle Wachstum verringern wird."

Hisashi Yamada, Leitender Forscher des Japan Research Institute, Ltd. meinte (Yomiuri, 5. Oktober 2004): "Wenn das Arbeitskräftepotential, das die wichtigste Ressource unseres Landes ist, abnimmt, wird dies [die Zunahme der NEETs] ein Faktor für die Verringerung des Wirtschaftswachstums sein. Es besteht zudem die Sorge, dass sich die Situation der öffentlichen Finanzen verschlimmern wird, weil junge Menschen, die eigentlich Sozialversicherungsbeiträge entrichten sollten, umgekehrt Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen. Ein weiteres Problem ist die große Wahrscheinlichkeit, dass diese jungen Menschen in soziale Probleme wie Drogenmissbrauch und Kriminalität verwickelt werden."

Gegenmaßnahmen und Lösungen

Im letzten Jahr richtete die Regierung einen Ausschuss ein, um Strategien zu entwickeln, die den jungen Menschen helfen sollen, unabhängig zu werden und ihre Probleme zu lösen. In diesem Jahr nun haben alle Ministerien zusammengenommen einen Betrag von 81 Mrd. Yen im Haushalt 2005 für Maßnahmen beantragt, die überwiegend darauf zielen, den Wunsch nach einer Beschäftigungsaufnahme unter den NEETs und freien Teilzeitkräften zu fördern. Des weiteren stellt das Weißbuch zur Beschäftigungslage die Ergebnisse einer Untersuchung über die Fähigkeiten junger Menschen in Bezug auf eine Arbeit vor. Danach erhöhen sich die Chancen für eine Anstellung junger Menschen bei Unternehmen, wenn folgende Fähigkeiten erworben werden: (1) Kommunikationsfähigkeiten, (2) grundlegende akademische Fähigkeiten, (3) Qualifikationen und (4) Verantwortungsgefühl. In Bezug auf die Zunahme von jungen Menschen ohne Arbeit und von Freeters heißt es im Weißbuch: "Es ist sehr wichtig, in allen Bereichen der Gesellschaft [nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Bildungsbereich und anderen Sektoren] das Bewusstsein für dieses Problem zu verstärken, um auf diese Weise den Willen und die Fähigkeiten der jungen Menschen zu fördern."

Der Minister für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie, Nariaki Nakayama, sprach über die NEETs auf einer Veranstaltung über Bildungsreform in der Stadt Matsue am 5. März: "Wir haben stets gesagt, Wettbewerb sei nicht gut. Tatsache ist aber, dass wir, sobald wir in die Gesellschaft eintreten, einem scharfen Wettbewerb ausgesetzt sind. Unsere Kinder sind durch diese Diskrepanz verwirrt. Tragen unsere heutigen Bildungsmethoden nicht dazu bei, eine Reservearmee von NEETs und Freeter zu schaffen?" Der Minister betonte die große Bedeutung des Wunsches zu lernen und hart im Rahmen eines freundschaftlichen Wettbewerbs zu arbeiten (Sankei Shimbun, 13. März 2005).

Die stellvertretende Leiterin des Büros für Karriereentwicklung im Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales, Yoko Tsuruya, merkte an (Yomiuri, 5. Oktober 2004): "Um die Unabhängigkeit der jungen Menschen zu fördern, die keine Beziehung zur Arbeit haben und von ihren Eltern abhängig sind, ohne eine Arbeit zu finden, planen wir die Einrichtung von ‚Schulen für die Unabhängigkeit junger Menschen', in denen diese im Rahmen eines Trainingslagers die grundlegenden Fähigkeiten erwerben können, die für ein Erwachsenenleben erforderlich sind. Das Ziel dieser Schulen ist es, jungen Menschen durch Training im Alltag, freiwillige Tätigkeiten und Arbeitserfahrungen Selbstvertrauen und den Wunsch nach einer Beschäftigung zu vermitteln, so dass sie die Gruppe der NEETs verlassen und den nächsten Schritt machen können. Wir suchen derzeit Personen aus allen Bereichen des Privatsektors, die diese Schulen unterhalten, und wir hoffen, insgesamt vierzig dieser Schulen im ganzen Land einzurichten."

In Bezug auf das NEET-Problem und Gegenmaßnahmen meinte der Assistenzprofessor Yuji Genda von der Universität Tokyo (Asahi, 8. Oktober 2004): "In einer Situation der Blockade denken die NEETs tatsächlich zu viel über die Bedeutung von Arbeit nach. Das typische Bild von einem NEET ist ein junger Mensch, der angesichts der großen Bedeutung von Individualität und Expertise in unserer Zeit alle Hoffnung auf eine Arbeit verliert und in einen Zustand der Starre fällt. Im Grunde ihres Herzens wollen fast alle NEETs arbeiten. Was sie daher am meisten brauchen, ist nicht Wissen und Informationen über Arbeit, sondern reale Erfahrungen in Bezug auf die Freude und die Spannungen im Umgang mit anderen Menschen."

Notwendigkeit für gemeinsame Anstrengungen von Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft

Der Rektor der Hosei Universität, Tadao Kiyonari, sagte (Nihon Keizai Shimbun, 5. Oktober 2004): "Die Realität, die dem [Problem der NEETs] zugrunde liegt, ist, dass junge Menschen nicht in Schwierigkeiten geraten, selbst wenn sie nicht arbeiten. Die Eltern gestatten ihnen eine Art Moratorium. Diese Eltern tragen eine große Verantwortung, weil sie nicht in der Lage sind, ihren Kindern die Bedeutung von Arbeit zu vermitteln." Für eine Lösung dieses Problems, so fuhr er fort, "ist es wichtig, das NEET-Phänomen an der Wurzel zu packen. Die Lösung liegt in der Schulbildung. Die Schüler der Oberschulen sollten dazu motiviert werden, Unabhängigkeit zu erlangen und Arbeitserfahrungen zu sammeln."

Die Sankei zitierte am 13. März die Auffassung der Nihon Shugaku Ryoko Kyokai (Japanischer Verband für Schulausflüge und -reisen): "In einer Zeit, in der die Zahl junger Menschen ohne Beschäftigung zunimmt, besteht eine auffällige Tendenz, Schulausflüge und -reisen dafür zu nutzen, den Schülern von Mittel- und Oberschulen verstärkt Gelegenheit zu bieten, den Wert von Arbeit selbst zu erfahren. Insbesondere bei Oberschulreisen geht der Trend weg von den reinen Besichtigungsfahrten hin zu Studienfahrten, die einmal nützlich für den späteren Beruf sein können."

Prof. em. Akira Takanashi von der Shinshu Universität, ehemals Vorsitzender des Ausschusses für Beschäftigung der Regierung, meinte (Asahi, 8. Oktober 2004): "Das NEET-Phänomen ist eine stille Rebellion der jungen Menschen gegen die Gesellschaft. Wenn die Auseinandersetzungen an den Hochschulen in den sechziger und siebziger Jahren eine bewusste Form des Protestes waren, wird das NEET-Phänomen durch seine unbewusste Qualität charakterisiert." Er fuhr fort: "Die Gesellschaft einschließlich Wirtschaft und Bildungsbereich ist mitverantwortlich für das Auftreten des NEET-Phänomen. Schulen vermitteln keinerlei Informationen über Arbeit oder Berufsausbildung."  Prof. em. Takanashi wies zudem darauf hin, dass die Bestrebungen der Unternehmen, angesichts der deflationären Tendenzen der Wirtschaft mit dem Überschuss an Arbeitskräften fertig zu werden, diese dazu verleiten, weniger reguläre Mitarbeiter anzustellen und stattdessen lieber Teilzeit- und Leihkräfte zu beschäftigen. "Solche Tätigkeiten vermitteln jungen Menschen wenig Hoffnung für die Zukunft... Es reicht nicht, diesen NEETs zu sagen, sie sollen aufhören, sich wie kleine Kinder zu verhalten. Die wichtigste Aufgabe für die Gesellschaft ist es, sich zu wandeln und näher an die jungen Menschen heranzurücken."

(Copyright 2005 Foreign Press Center Japan)

 

 

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