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Japan Brief des Foreign Press Center Japan
28. 04. 2005
Fuji TV und Livedoor beenden
kontroverse Übernahmeschlacht durch Kompromiss - zahlreiche Lehren
für Unternehmen und Mediensektor
Die kontroverse Übernahmeschlacht von Livedoor
Co., Ltd. und Fuji Television Network, Inc. in Bezug auf Nippon
Broadcasting System, die Japan zwei Monate lang in Atem hielt,
endete am 18. April mit einer einvernehmlichen Übereinkunft, nachdem
beide Unternehmen eine grundlegende Vereinbarung getroffen hatten,
eine Kapital- und Geschäftsallianz zu bilden. Gleichzeitig aber
offenbarte dieses Ereignis den Unternehmen, dem Mediensektor und den
Regulierungsbehörden in Japan zahlreiche wichtige Lehren, und es
erschütterte die etablierte Unternehmenslandschaft erheblich. Wer
wirklich gewonnen hat, dürfte sich erst in einiger Zeit
herausstellen; jedoch ist deutlich geworden, dass dieser feindliche
Übernahmeversuch zwischen einer führenden Mediengruppe und einem
aufstrebenden Unternehmen, der in vielerlei Hinsicht neu in Japan
ist, einen tiefgreifenden Lerneffekt auf die japanischen Unternehmen
und auch auf die Öffentlichkeit hatte.
Seit Januar hatte Fuji Television Network ein
Übernahmeangebot unterbreitet, um NBS, einen Radiosender, der 22,5%
der Anteile von Fuji TV hält, zum zentralen Bestandteil der riesigen
Fujisankei Communications Group zu machen, indem Fuji TV mehr als
50% der Anteile erwirbt. An einem Morgen im Februar erwarb dann
Livedoor unter zweifelhaften, wenn nicht gar illegalen Umständen
außerhalb der regulären Handelszeiten über ein Drittel der Anteile
an NBS. Die Übernahmeschlacht, die Anfang Februar begann, erregte
ungewöhnlich hohe Aufmerksamkeit im Land, da ein aufstrebendes
Internet Service-Unternehmen, Livedoor, den Versuch unternahm, in
den etablierten Medienmarkt einzusteigen. Als wahres Ziel des Kaufs
von NBS durch Livedoor galt dabei eigentlich Fuji TV, ein führendes
Rundfunkunternehmen.
In einer erbittert geführten Übernahmeschlacht
gelang es Livedoor, die Mehrheit bei NBS zu erwerben, während Fuji
TV seinen Anteil an NBS auf ein Drittel ausbaute. Livedoor war nun
bereit, das Management von NBS unter direkte Kontrolle zu bringen
und sich danach bei Fuji TV einzukaufen. Von diesem Schachzug
Livedoors alarmiert, bemühten sich NBS und Fuji TV verzweifelt,
Livedoor abzuwehren. Am 23. Februar beschloss NBS, eine große Zahl
von Optionsscheinen an Fuji TV herauszugeben, um Livedoors Anteil an
NBS zu verringern (wäre dieses Vorgehen gelungen, wäre der Anteil
von Livedoor von über 40% auf 16% zurückgegangen). Dieses Vorgehen
wurde jedoch sowohl vom Landgericht Tokyo als auch vom
Oberlandgericht Tokyo mit einem Urteil vom 11. März untersagt und
gelangte damit nicht zur Ausführung.
Allerdings kam auch Livedoor nicht weiter. Das
Unternehmen musste schließlich erkennen, dass es ihm nicht gelingen
würde, Fuji TV unter seine Kontrolle zu bringen. Es entschloss sich
daher, mit Fuji TV zu einer einvernehmlichen Übereinkunft zu
gelangen. In der Vereinbarung, die am 18. April getroffen wurde,
erklärte sich Livedoor bereit, alle Anteile an NBS, die es erworben
hatte, zu veräußern sowie neue Anteile an Fuji TV zu erwerben.
Dadurch konnte Livedoor die Kosten, die ihm durch den Erwerb der
NBS-Anteile entstanden waren (ca. 103 Mrd. Yen), wieder ausgleichen
und sogar einen Gewinn in Höhe von 44 Mrd. Yen bei der Zuteilung
neuer Fuji TV-Anteile verbuchen. Es wird zudem eine
Geschäftsverbindung mit Fuji TV eingehen, um neue Möglichkeiten bei
der Fusion von Rundfunk und Internet zu entwickeln.
Es ist noch nicht klar, was Livedoor bei dieser
ganzen Angelegenheit wirklich erreicht hat, außer dem Bild, ein
aufstrebendes Unternehmen zu sein, das die alte Garde des
Medien-Establishments herausforderte sowie die überkommenen
Unternehmensstrukturen erschütterte. Es könnte auch als sogenannter
"Green-mailer" enden, also als ein Investor, der davon profitiert,
dass er zunächst Anteile erwirbt und diese dann wieder an den
Emittenten veräußert. Trotz seiner provokanten Bemerkungen in Bezug
auf die konventionellen Medien (so im Wochenmagazin AERA vom
22. Februar: "Die Fujisankei Communications Group sollte ihren
Unterhaltungsbereich ausbauen. Die Dinge ändern sich nicht, selbst
wenn die Tageszeitungen sich zu einem Thema äußern oder neue
Schulbücher herausgegeben werden." oder in der Mainichi Shimbun
vom 5. März: "Wir brauchen die Art von Journalismus, die Sie meinen
[d.i. nachforschender Journalismus], nicht länger.") hat Takafumi
Horie, der 32 Jahre alte Präsident von Livedoor und das neue Idol
der jüngeren Generation, welches die alte Unternehmenskultur und
ihre Praktiken herausfordert, nie deutlich gemacht, welches Ziel er
eigentlich mit der von ihm angeführten Mischung von Rundfunk und
Internet verfolgt. Nichtsdestotrotz hat sein Versuch, die Kontrolle
über das Fernsehen und andere konventionelle Medien zu erlangen,
eine Diskussion über die künftige Gestalt der Medien in Japan
ausgelöst. Die Pressefreiheit und verantwortungsvoller Journalismus
sind die Grundlagen der Demokratie. Viele Journalisten kritisieren
Hories Überlegungen, die den öffentlichen Charakter und die Aufgabe
der Medien ignorieren.
Das wichtigste Problem, das die Übernahmeschlacht
deutlich gemacht hat, sind die mangelhaften Regeln für Übernahmen
sowie Mergers & Acquisitions in Japan. Livedoors Erwerb von 35% der
NBS-Anteile außerhalb der Handelszeiten war zwar nicht illegal, aber
er verstieß gegen den Grundsatz, dass der Erwerb eines großen
Anteilpakets zu Übernahmezwecken nur durch den offiziellen
Börsenhandel erfolgen sollte. Es wird nun eine Änderung der Regeln
vorbereitet, um einen solchen Handel außerhalb der regulären
Handelszeiten zu untersagen. Das Vorhaben von NBS, Optionsscheine an
Fuji TV auszugeben, wurde von den Gerichten untersagt, da dieses
Vorhaben nur dem Zweck diente, das alte Management zu schützen und
nicht im Interesse der Anteilseigner war. Er war die erste
richterliche Klarstellung in einem solchen Fall.
Ein weiteres Problem ist das Fehlen von
Bestimmungen im japanischen Unternehmensrecht, die effektiv vor
einer feindlichen Übernahme schützen. Das Fehlen eindeutiger
Bestimmungen z.B. über die Kriterien für die Einführung der
sogenannten "Giftpillen", neuer Anteile, die den Anteil des
Kontrahenten verringern sollen, lässt viele Unternehmen zögern,
solche Gegenmaßnahmen zu ergreifen, da sie fürchten, dass dies zu
rechtlichen Schritten von Seiten der Anteilseigner führen könnte.
Gleichzeitig wird auch mit Sorge gesehen, dass Schutzmaßnahmen zum
Vorteil des Managements missbraucht werden kann, solange kein System
besteht, dass den Anteilseignern eine genaue Kontrolle erlaubt.
Livedoors feindlicher Übernahmeversuch, der sich
von den bislang in Japan gepflegten Unternehmenspraktiken erheblich
unterschied, bei denen u.a. auch stillschweigende Übereinkünfte eine
wichtige Rolle spielen, hat die Unternehmen nun dazu veranlasst,
über ihren eigenen Schutz nachzudenken wie z.B. eine Anhebung der
Dividende. Gleichzeitig denkt die Regierung nun über erforderliche
rechtliche Bestimmungen nach. Angesichts der riesigen Marktwerte
amerikanischer und europäischer Unternehmensgiganten, neben denen
sich die japanischen Partner wie Zwerge ausmachen, besteht in Japans
Unternehmen zunehmend die Furcht, man könne das Opfer einer
Übernahme durch ein ausländisches Untermnehmen werden, wenn man
nicht selbst Vorkehrungen trifft oder das Unternehmensrecht geändert
wird.
Wem gehört ein Unternehmen?
Die Frage, wem letztendlich ein Unternehmen
gehört, wird nun allgemein diskutiert, da der Kampf zwischen
Livedoor und Fuji TV in einer Weise geführt wurde, die in hohem Maße
die Interessen der normalen Anteilseigner sowie der Teilhaber der
beteiligten Unternehmen, darunter auch die Angestellten, verletzte.
Die Diskussion dürfte noch länger andauern, da die überkommene
japanische Unternehmenskultur und ihre Praktiken, denen man bisher
wenig Aufmerksamkeit schenkte, nun zunehmend in Frage gestellt
werden, während gleichzeitig die amerikanische Form der Dominanz der
Anteilseigner kritisch betrachtet wird.
Auch wenn der jetzt unternommene Versuch von
Livedoor mehr Schauspiel als Substanz war, wird man sich an ihn doch
erinnern als eine große Erschütterung der Unternehmenskultur in
Japan sowie der Selbstgefälligkeit der etablierten Medien. Die
Tageszeitungen äußerten sich im Allgemeinen positiv über den daraus
resultierenden Lerneffekt. "Es ist ein epochales Ereignis, dass
Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ausführlich darüber
diskutieren, was ein Unternehmen ist.", meinte die Asahi Shimbun
in ihrem Leitartikel vom 19. April. Die Zeitung fuhr fort: "Der
Vorgang hat ohne Zweifel dazu beigetragen, dass nun ein frischer
Wind in der Unternehmenswelt weht." Auch die Mainichi Shimbun
lobte in ihrem Leitartikel vom 19. April "den großen Lerneffekt in
Bezug auf Aktientransaktionen, so dass sich nun auch
Fernsehprogramme für Hausfrauen mit Mergers & Acquisitions
befassen."
(Siehe auch "Livedoor
strebt Kontrolle über Nippon Broadcasting System an - erbitterter
Übernahmekampf hält Japan in Atem und wirft Fragen zu Japans
Unternehmensstruktur auf" vom 17. 03. 2005)
(Copyright 2005 Foreign
Press Center Japan)
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