Japan Brief des Foreign Press Center, Japan
Japan Brief, FPC Nr. 0505
25.01.2005
Japanische Tageszeitungen über
den Tod von Zhao Ziyang
Die Nachricht vom Tode Zhao Ziyangs, des früheren
Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Chinas, der nach den
Ereignissen auf dem Tiananmen-Platz 1989 gestürzt wurde, erregte in
Japan große Aufmerksamkeit, und die Tageszeitungen berichteten
darüber auf ihren Titelseiten. Das Interesse konzentrierte sich
darauf, welche Auswirkungen der Tod von Zhao auf die Situation in
China und außerhalb des Landes haben wird, einschließlich der Frage,
ob er zu einer Neubewertung der Ereignisse auf dem Platz des
Himmlischen Friedens führen wird.
Förderung von Reformen und der Politik der
Öffnung
Seit er als Generalsekretär der KPCh im Anschluss
an die Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz abgesetzt wurde, da er
Verständnis für die Demokratiebewegung gezeigt hatte, war Zhao in
seinem Haus in Peking praktisch unter Hausarrest gestellt. Die
chronische Herzschwäche, unter der er litt, verschlimmerte sich
gegen Ende letzten Jahres, und am 17. Januar starb er 85-jährig in
einem Krankenhaus in Beijing, ohne dass er zuvor rehabilitiert
worden war.
Japans führende Tageszeitungen kommentierten den
Tod von Zhao durch ihre China-Experten und versuchten, sein
Vermächtnis zu bewerten.
Chihiro Kato, Leitartikler der Asahi Shimbun,
schrieb: "Zhao war einer der Führer, der die von Deng Xiaoping
eingeleitete Politik der Reformen und der Öffnung in den achtziger
Jahren, als China aus dem Schatten der Kulturrevolution heraustrat,
aktiv förderte." Nach seiner Absetzung nach den Ereignissen auf dem
Tiananmen-Platz, so Kato, "war es für das ‚offene China', das sich
nicht von der Schuld, die Demokratisierung niedergeschlagen zu
haben, befreien konnte, eine Tatsache, dass die Behandlung Zhaos als
eine Art Barometer für die Aussichten auf politische Reformen galt."
Der Leiter des China-Büros der Mainichi Shimbun,
Koji Kamimura, kommentierte: "Zhaos Verdienst bei der Überwindung
des konservativen Widerstands, bei der Förderung der Reformen und
der Öffnung sowie bei der Bereitung des Weges für die heutige
Marktwirtschaft und das hohe Wirtschaftswachstum sollte in hohem
Maße gewürdigt werden. Er war zudem gegenüber politischen Reformen
aufgeschlossen und wollte verschiedene neue Experimente
durchführen."
Der Journalist Hiroyuki Sugiyama von der Redaktion
Internationales der Yomiuri Shimbun schrieb: "Zhao führte
wahrscheinlich einen Kampf der Stille. Er übte weiter stillen Druck
auf die Regierungen von Jiang Zemin und Hu Jintao aus und wurde zu
einer solchen Bedrohung, dass er als ‚Symbol der Demokratisierung'
galt. Die Nachwirkungen dieses stillen Kampfes klingen in den Herzen
der Menschen nach, die sich für China die Demokratie wünschen."
Der Leiter des China-Büros der Sankei Shimbun,
Tadashi Ito, meinte: "Zhao Ziyang, der zusammen mit Hu Yaobang Dengs
Reformkurs in den achtziger Jahren anführte, war ein wahrer
Reformer, der das Vermächtnis Mao Zedongs von der
Ein-Parteienherrschaft und die Struktur der Privilegien mutig
herausforderte. Nach den Ereignissen auf dem Tiananmen-Platz
weigerte er sich, Selbstkritik zu üben und setzte sich so der
Verfolgung aus. Im Kontext der chinesischen Geschichte war er ein
ungewöhnlich hartnäckiger Politiker."
Vorsicht gegenüber Kritik an der Regierung
Die chinesischen Behörden beschränkten die
Berichterstattung über den Tod von Zhao auf Zeitungen und Magazine
und verboten jede Berichterstattung im Fernsehen, Radio oder
Internet. Der Beijing-Korrespondent der Asahi, Kentaro
Kurihara, meinte: "Wenn nach Zhaos Tod Stimmen zu hören wären, die
seine Rehabilitierung fordern sowie eine Neubewertung der Ereignisse
auf dem Tiananmen-Platz, könnten sie sich mit der weitverbreiteten
Unzufriedenheit verbinden und zu Kritik an der Führung der KPCh
führen. Daher möchte die chinesische Führung die Auswirkungen von
Zhaos Tod offensichtlich auf ein Minimum beschränken."
Der Chef des China-Büros der Sankei, Ito,
schrieb: "Darüber besorgt, dass nach Zhaos Tod Rufe nach einer
Neubewertung der Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz sowohl im Innern
als auch im Ausland an Nachdruck gewinnen und sich zu Kritik an der
Ein-Parteienherrschaft entwickeln, ist die Regierung von Hu Jintao
darum bemüht, die öffentliche Meinung zu kontrollieren. Das mag mit
Blick auf die soziale Stabilität berechtigt erscheinen, aber eine
Neubewertung der damaligen Ereignisse gilt als unvermeidlich."
Im Gegensatz dazu schrieb Yuri Momoi,
Beijing-Korrespondent der Nihon Keizai Shimbun: "Eine
Neubewertung der Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz wird für die
Kommunistische Partei Chinas nicht einfach werden. Die Bewertung der
Ereignisse als Aufstand und weitere Entscheidungen gehen auf Deng
Xiaoping zurück; daher würde jede Neubewertung auch zu Kritik an
Deng selbst führen."
In Bezug auf die Reaktion der japanischen
Regierung auf Zhaos Tod kommentierte die Asahi am 18. Januar:
"Die meisten Beobachter innerhalb der Regierung glauben, dass sein
Tod nur geringe Auswirkungen auf die Innenpolitik in China haben
wird, auch wenn die Möglichkeit besteht, dass - ausgelöst durch
Zhaos Tod - die Demokratiebewegung an Schwung gewinnt. Daher
beobachtet die Regierung genau, wie die chinesische Regierung die
Bestattung von Zhao und seine Rehabilitierung regelt."
Ministerpräsident Junichiro Koizumi meinte: "Zhao
setzte sich mit Nachdruck für die Freundschaft zwischen Japan und
China ein. Die Demokratisierung Chinas ist nach wie vor
problematisch. China ist kein Staat mit mehreren Parteien und freien
Wahlen. Ich hoffe, dass die chinesische Regierung Anstrengungen in
Richtung Demokratisierung unternimmt."
Auf einer Pressekonferenz meinte der
stellvertretende Außenminister Shotaro Yauchi: "Zhao spielte eine
wichtige Rolle bei der Förderung freundschaftlicher Beziehungen
zwischen Japan und China. Seine späten Jahren waren unglücklich,
aber ich möchte mein aufrichtiges Beileid zum Ausdruck bringen."
Asahi: "Neue Sicht auf die Ereignisse
auf dem Tiananmen-Platz"
Drei der führenden japanischen Tageszeitungen
behandelten Zhaos Tod in ihren Leitartikeln.
Die Asahi (18. Januar) schrieb: "Chinas
Medienberichterstattung war sehr zurückhaltend; Zhaos Tod wurde wie
der Tod eines einfachen Parteimitglieds behandelt. Dies ist ein
Beweis für die unnachgiebige Haltung der jetzigen Führung gegenüber
Zhao." In Bezug auf die Tatsache, dass Zhao wegen seines gezeigten
Verständnisses für die Demokratiebewegung abgesetzt wurde, meinte
die Zeitung: "Wenn China die Demokratiebewegung weiterhin
vollständig ablehnt und Reformen stoppt, werden die inneren
Spannungen immer größer werden." Sie fuhr fort: "Es ist in Chinas
eigenem Interesse, seine Außen- und Verteidigungspolitik
transparenter zu gestalten und ein Land zu werden, dem aufgrund der
mit der internationalen Gemeinschaft geteilten demokratischen Werte
Vertrauen entgegen gebracht wird. Der Ausgangspunkt dafür ist,
erneut darüber nachzudenken, was die Ereignisse auf dem Platz des
Himmlischen Friedens bedeuteten."
Die Mainichi (18. Januar) kommentierte:
"Damit China nicht nur eine Wirtschaftsmacht, sondern auch eine
stabile politische Macht wird, ist es unerlässlich, sich von der
Ein-Parteienherrschaft zu verabschieden. Dann wird es sicherlich zu
einer Neubewertung von Zhao kommen, der Verständnis für die
Demokratisierung zeigte und sich gegen ihre gewaltsame Unterdrückung
stellte." Die Zeitung fuhr fort: "Präsident Hu Jintao hat in
jüngster Zeit eine ‚Politik der Harmonie' (hexie) besonders
hervorgehoben, um den Gegensatz zwischen Arm und Reich zu mildern.
Um dies zu verwirklichen, ist ein Einsatz für politische Reformen
erforderlich, wie er zu Zhaos Zeiten existierte."
Die Yomiuri (19. Januar) meinte: "Zhaos Tod
wird wahrscheinlich keine unmittelbaren Auswirkungen auf die
politische Situation in China haben. Allerdings wird es China,
anders als nach den Ereignissen auf dem Tiananmen-Platz, von jetzt
an wohl nicht mehr gelingen, sich von Zhaos Schatten zu befreien."
Die Zeitung erwähnte auch Zhaos Versuch politischer Reformen, die
aufgrund der Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz nicht abgeschlossen
wurden und schrieb: "Die wichtigste Aufgabe, der sich die Regierung
von Hu Jintao jetzt gegenübersieht, ist der Umgang mit politischen
Reformen. Wird es ihr gelingen, das Siegel von Zhaos unvollständigem
Vermächtnis zu öffnen? Wenn sie es nicht tut, wird es die
chinesische Führung nicht schaffen, sich von den Erschütterungen der
Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz zu befreien."
(Copyright 2005 Foreign
Press Center Japan)
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