Japan Brief des Foreign Press Center, Japan
Japan Brief, FPC Nr. 0510
31.01.2005
Beginn der Debatte zur Revision
des Gesetzes über den Kaiserlichen Haushalt
Der Expertenrat für das Gesetz über den
Kaiserlichen Haushalt, ein privates Beratergremium von
Ministerpräsident Junichiro Koizumi, traf sich am 25. Januar zu
seinem ersten Treffen und eröffnete damit die Diskussion um die
Revision des Gesetzes über den Kaiserlichen Haushalt, die wiederum
das Für und Wider einer weiblichen Thronfolge thematisiert. Das
Gremium wird im Herbst dieses Jahres einen Bericht vorlegen, auf
dessen Grundlage die Regierung in der im nächsten Jahr beginnenden
Sitzungsperiode des Parlaments einen Gesetzesentwurf zur
Überarbeitung des Gesetzes über den Kaiserlichen Haushalt vorlegen
und noch in der Amtszeit von Ministerpräsident Koizumi verabschieden
will.
Für und Wider einer weiblichen
Thronfolgeregelung
Das Gesetz über den Kaiserlichen Haushalt, das im
Jahre 1947 als grundlegendes Gesetz Japans Kaisersystem bestimmte,
besteht aus fünf Kapiteln und 37 Artikeln. Es regelt verschiedenste
Belange in Bezug auf den Kaiser und die Kaiserliche Familie - nicht
nur die Thronfolge und den Status der Mitglieder der Kaiserlichen
Familie, sondern auch die Einrichtung und Kompetenzen des
Kaiserlichen Hofamts. Verglichen mit dem alten Gesetz über den
Kaiserlichen Haushalt aus der Zeit der Meiji-Verfassung ist es
inhaltlich weitaus einfacher gefasst. Und im Unterschied zu dem
vorherigen Gesetz, bei dem das Parlament keinerlei Mitspracherecht
hatte, kann das aktuelle Gesetz durch das Parlament überarbeitet
werden.
Artikel 1 des Gesetzes über den Kaiserlichen
Haushalt bestimmt: "Der Kaiserthron soll an einen männlichen
Nachkommen der männlichen Linie des Kaiserhauses vererbt werden."
Betrachtet man Japans Geschichte, so gab es bereits acht
Kaiserinnen, die über zehn Herrschaftsperioden die Macht inne
hatten. Sie alle spielten jedoch lediglich eine marginale Rolle.
Keine von ihnen gebar nach der Thronbesteigung ein Kind, das ihnen
auf den Thron folgte. In Japan wird der Herrschaftsanspruch an einen
männlichen Erben aus der männlichen Nachkommenslinie weitergegeben.
Diese "kontinuierliche Abstammungslinie" setzte sich bis zum
heutigen Kaiser Akihito, dem 125. Kaiser, fort.
Das Problem besteht jedoch darin, dass die
Kaiserliche Familie keine männlichen Erben hat. Das jüngste
männliche Mitglied der Kaiserlichen Familie ist Prinz Akishino, der
1965 geboren wurde. Die Notwendigkeit einer Revision des Gesetzes
über den Kaiserlichen Haushalt und die Möglichkeit einer weiblichen
Thronfolge trat erstmals 2001 ins Bewusstsein der Öffentlichkeit,
als Kronprinz Naruhito und Kronprinzession Masako ihr erstes Kind
bekamen: Prinzessin Aiko.
Hinsichtlich der Möglichkeit der Inthronisierung
einer Kaiserin kündigte die oppositionelle Demokratische Partei
Japans während der Wahl zum Oberhaus im letzten Jahr an, dass "wir
das Gesetz über den Kaiserlichen Haushalt revidieren werden, um eine
weibliche Thronfolge zu ermöglichen." In einer Gesetzesvorlage zur
Revision der Verfassung, die im November letzten Jahres durch den
Forschungsausschuss zur Verfassung der regierenden
Liberaldemokratischen Partei (unter Vorsitz von Okiharu Yasuoka)
vorgelegt wurde, heißt es, dass "der Kaiserthron vererbt wird und
von einer Person bestiegen werden soll, welcher der kaiserlichen
Linie entstammt, unabhängig vom Geschlecht." Am 2. Dezember 2004
bemerkte Ministerpräsident Koizumi: "Ich bin mir sicher, dass die
Menschen heutzutage auch eine Kaiserin begrüßen würden."
Zum Hintergrund der Schaffung des
Beratungsgremiums Ende letzten Jahres stellte die Mainichi
Shimbun am 27. Dezember 2004 fest: "Anstoß zur Revision des
Gesetzes über den Kaiserlichen Haushalt war die Tatsache, dass
innerhalb der Politik die Zustimmung für eine Kaiserin wächst. Unter
Berücksichtigung der Besonderheit des Themas, die Situation
innerhalb der Kaiserlichen Familie eingeschlossen, zögerte
Ministerpräsident Koizumi, die Problematik auf die politische
Tagesordnung zu setzen. Nun jedoch, zwei Jahre vor Ablauf seiner
Amtszeit, spürt man sein Bestreben, noch unter seiner Regierung den
Weg für eine Kaiserin zu ebnen."
Über 80% der Bevölkerung unterstützen eine
Kaiserin
Die Haltung der Öffentlichkeit gegenüber einer
Kaiserin hat sich inzwischen grundlegend geändert. Nach einer
Untersuchung von Japan News Network (Tokyo Broadcasting)
unterstützen gegenwärtig 87% der Befragten die Idee einer Kaiserin.
Dieser Meinungsumschwung spiegelte sich auch in den Kommentaren der
führenden Zeitungen und der Expertenmeinungen wider. Die Asahi
Shimbun (29. Dezember 2004) konstatierte in einem Artikel: "In
einer Meinungsumfrage von vor zwölf Jahren sprachen sich 33% der
Befragten für eine Kaiserin aus; vor sechs Jahren waren es bereits
50% und vor drei Jahren, unmittelbar nach der Geburt von Prinzessin
Aiko, erreichte die Zustimmung 83%." Da "sich sowohl die
Öffentlichkeit als auch die politischen Parteien in dieser Sache
weitgehend einig sind", denken wir, dass das Gesetz über den
Kaiserlichen Haushalt geändert werden sollte, um eine weibliche
Thronfolge zu ermöglichen", fuhr sie fort.
Die Yomiuri Shimbun (28. Dezember 2004)
schrieb: "Selbst wenn eine Kaiserin ermöglicht würde, gäbe es noch
zahlreiche weitere Dinge zu berücksichtigen, z.B. die Thronfolge und
den Status des Ehegatten." Sie fuhr fort: "Das Gremium sollte
diesbezüglich mit einer fundierten Meinung aufwarten."
Die Sankei Shimbun hob am 29. Dezember 2004
hervor: "Während es für die Regierung normal ist, die Möglichkeit
einer Kaiserin in Betracht zu ziehen, gibt es zahlreiche Beobachter,
die auf die daraus resultierenden Probleme verweisen. Das Gremium
sollte sich an einer umfassenden Diskussion beteiligen,
eingeschlossen die Frage, ob es eine andere Möglichkeit zur
Sicherung der Thronfolge gibt."
Prof. Hidehiko Kasahara von der Keio-Universität
(Politische Geschichte Japans) äußerte gegenüber der Yomiuri
Shimbun: "Seit der Großteil der Öffentlichkeit eine Kaiserin
befürwortet, wird sich die Diskussion voraussichtlich in diese
Richtung bewegen. Wenn wir eine weibliche Thronfolge zulassen,
stellt sich als erstes die Frage, wer Vorrang hat, das erstgeborene
Kind oder das männliche Kind. Wir sollten vor dem Hintergrund
unserer Traditionen und Sitten sorgfältig abwägen, was das Beste für
Japan ist."
Prof. Isao Tokoro von der Kyoto Sangyo Universität
(Rechtsgeschichte Japans) stellte in der Yomiuri fest: "Der oder die
Betreffende muss auf die Rolle des Kaisers von Kindheit an
vorbereitet werden. Wenn Prinzessin Aiko thronwürdig ist, sollte das
Gesetz schnellstmöglich geändert werden."
Ex-Rektor der Universität Tokyo, Yoshikawa,
steht dem Beratergremium vor
Auf dem ersten Treffen des Beratergremiums wurde
Hiroyuki Yoshikawa, Präsident des Nationalen Instituts für
fortgeschrittene Wissenschaft und Technologie der Industrie und
ehemaliger Rektor der Universität Tokyo zum Vorsitzenden und Itsuo
Sonobe (75), ehemaliger Richter am Obersten Gerichtshofs, zum
stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Sonobe steht im Dienst des
Kaiserlichen Hofamts und ist Autor eines Buches über das Gesetz zum
Kaiserlichen Haushalt. Hinsichtlich der Frage einer möglichen
Kaiserin erstatte er im Mai letzten Jahres der
Untersuchungskommission zur Verfassung des Oberhauses Bericht und
äußerte, dass es, "da nach dem gegenwärtigen System niemand
thronwürdig wäre, notwendig ist, einer Frau die Möglichkeit zum
Antritt der Thronfolge einzuräumen."
Neben Yoshikawa und Sonobe besteht das zehn
Mitglieder zählende Gremium aus Sumiko Iwao (70), Professor am
Musashi-Institut für Technologie und Experte für
Gleichstellungsfragen, Sadako Ogata (77), Präsidentin der Behörde
für Internationale Zusammenarbeit, Haruo Sasayama (72), emeritierter
Professor der Universität Tokyo und Experte für Japanische
Altertumsgeschichte, der Werke wie "Heian no chotei" ("Der Heian-Hof")
publizierte, Masaaki Kubo (74), ebenfalls emeritierter Professor der
Universität Tokyo und Spezialist für Klassische Studien des Westens,
Koji Sato (67), Dekan der Rechtsfakultät der Kinki-Universität und
Verfassungsexperte, Takeshi Sasaki (62), Rektor der Universität
Tokyo, Hiroshi Okuda (72), Vorsitzender des Nippon Keidanren
(Japanischer Unternehmesverband) und Teijiro Furukawa (70),
ehemaliger stellvertretender Chefkabinettsekretär.
Die Sankei stellte am 26. Januar die
Auswahl der Gremiumsmitglieder in Frage und schrieb: ""Lediglich
Sasayama und Sonobe können als Experten für Belange des Kaiserlichen
Hofs bezeichnet werden. Der Vorsitzende, Yoshikawa, ist
Roboteringenieur. Der Grossteil der Mitglieder ist kein Experte."
Sie stellte gleichfalls fest: "Nach seiner Berufung verdichtet sich
der Verdacht, dass das Gremium lediglich die bereits durch die
Regierung getroffene Entscheidung für eine weibliche Thronfolge
absegnen soll."
Als die Einrichtung des Beratergremiums Ende
letzten Jahres angekündigt wurde, äußerte Chefkabinettsekretär
Hiroyuki Hosoda: "Statt eines regierungstreuen Rates wünschen wir
uns Ratsmitglieder, die sich frei an Studien und Diskussionen
beteiligen."
Nach dem ersten Ratstreffen benannte der
Vorsitzende Yoshikawa auf einer Pressekonferenz hinsichtlich des
weiteren Vorgehen des Gremiums folgende vier Punkte: (1) Die Debatte
wird sich auf die Sicherung einer kontinuierlichen Thronfolge
konzentrieren, (2) das Gremium wird der öffentlichen Meinung hohe
Priorität einräumen und eine Entscheidung auf der Grundlage der
allgemeinen Haltung der Menschen im Land treffen, (3) der Rat wird
die zukünftige Gesellschaft berücksichtigen und herausfinden, was
geändert und was beibehalten werden sollte, und (4) in Hinblick auf
das System der Thronfolge wird der Rat ein Regelwerk vorschlagen,
das die Menschen von seiner Richtigkeit überzeugen wird.
Unter Berufung darauf kommentierte die Asahi
(26. Januar): "Dieses Gremium erfüllt uns nicht hundertprozentig
mit Vertrauen." Als Begründung führte sie gleichfalls vier Punkte
auf: (1) Es gib zu wenig Ratsmitglieder, die über detailliertes
Wissen zum System und zur Geschichte des Kaiserhauses verfügen, (2)
dem Gremium gehört kein einziges Mitglied an, das einer weiblichen
Thronfolge ablehnend oder zumindest verhalten gegenübersteht, (3)
ein- bzw. zweimalige Treffen pro Monat für ein bis zwei Stunden
gewähren dem Rat nicht ausreichend Zeit, um sich einer angemessenen
Diskussion zu widmen und die Debatte bis zum Herbst abzuschließen
und (4) die Ratstreffen finden von Beginn an hinter verschlossenen
Türen statt; der Vorsitzende wendet sich lediglich im Anschluss an
die Sitzung an die Öffentlichkeit.
(Copyright 2005 Foreign
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