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Japan Brief des Foreign Press Center Japan
07.10.2005
Kommende Reformvorhaben nach Privatisierung der Post bedeuten
erbitterten Kampf gegen verkrustete Strukturen
Einen Monat nach dem historischen Wahlsieg für Ministerpräsident
Koizumi verfolgt Japan mit angehaltenem Atem, wie er nach der
Postreform, für die er ein überwältigendes Mandat durch die
Wählerschaft erhalten hat und die nun ausgemachte Sache ist, seinem
Versprechen treu bleibt, vom Finanz- und Regierungssystem, der
Wirtschaft und den Finanzen, quasi alles zu reformieren. Bedeutsam
werden Herangehen und Prioritäten des Premiers, da er dabei allem
Anschein nach die alt her gekommenen Strukturen auf breiter Front
aufbrechen muss.
Offensichtlich ist, dass die stärksten Reformgegner und damit seine
erbittertsten Feine unter den Beamten und in dem sie unterstützenden
System zu finden sein werden. Dazu kommen gefällige Politiker, die
zum Schutze der Interessen ihnen verbundener Lobbys eng mit der
Bürokratie verlinkt sind. Die Tatsache, dass Koizumi mit seinem
unnachgiebigen Vorgehen zur Privatisierung der Post, die im ganzen
Land die traditionell die Liberal-Demokratische Partei
unterstützenden ländlichen Postbeamten überflüssig machte, die
Wählerschaft zum Zeichen seines resoluten Einsatzes im Kampf gegen
jede Art verkrusteter Strukturen und für den Wandel der Gesellschaft
wachrüttelte, hat ihm einen beachtlichen Erfolg beschert. "Die
Botschaft von Ministerpräsident Koizumi, dass die Politik nicht
durch Kräfte beeinflusst werden darf, die an überholten Denkweisen
festhalten, hat offensichtlich einen Großteil der noch
unentschlossenen ländlichen Wähler erreicht", stellte die Asahi
Shimbun am 14. September fest.
In diesem Sinne dürfte es von Interesse sein, dass der Rat für
Wirtschafts- und Finanzpolitik, dem Koizumi persönlich vorsteht und
der aus zehn Mitgliedern besteht - jeweils zwei Wissenschaftlern und
Unternehmern, fünf Ministern des inneren Kabinetts und dem
Präsidenten der Bank von Japan, eine entscheidende Rolle beim
Aufstellen der Reformagenda spielt - völlig unbeeinflusst von
Kräften, die den Reformen ablehnend gegenüberstehen. Auf den letzten
Treffen des Rates wurden diverse entscheidende Schlüsselstrategien
zur Schaffung einer verschlankten und effizienteren Regierung
entwickelt - eine Reduzierung der Zahl der Beamten, eine Revision
der Regierungsbank für Sonderaufgaben, die Reform des
Gesundheitssystems, die Neustrukturierung des Finanzsystems zwischen
Regierung und Präfekturen, die Revision der Geldmittelbeschaffung
für den Straßenbau, Deregulierung und Reform des Agrarsektors, der
medizinischen Versorgung und anderen Bereichen, in denen
protektionistische Tendenzen vorherrschen. All diese Vorhaben werden
sich dem radikalen Widerstand der Bürokratie gegenüber sehen, da sie
deren Einfluss und Autorität, ihre Weisungskompetenz oder ihre
goldenen Pensionen beschneiden.
De Hintergrund für die dringliche Notwendigkeit einer
Neustrukturierung der Regierung bildet die desaströse Finanzlage mit
einer Staatsverschuldung in Höhe von 795 Billionen Yen (6,9
Billionen $) - die Ende Juni diesen Jahres ihren historischen
Höhepunkt erreichte. Unter diesen Umständen erscheint eine
Verschlankung der Bürokratie durch die Verringerung der Zahl der
Beamten ein logischer Ansatz, so dass die Nihon Keizai Shimbun in
ihrer Ausgabe vom 28. September betonte: "Es ist nun Zeit für die
Beamten, sich zu opfern." Gegenwärtig beträgt die Zahl der
Regierungsbeamten 615.000, eingeschlossen 244.000 Mitglieder der
Selbstverteidigungsstreitkräfte, die im Finanzjahr 2005 5,4
Billionen Yen an Lohnkosten verschlangen. Ein von den
Ratsmitgliedern angedachter Ansatz besteht darin, ihre Anzahl
innerhalb von fünf Jahren um 5% zu reduzieren. Koizumi selbst
forderte eine Verringerung um 20% im Zeitraum von zehn Jahren.
(Inzwischen beträgt die absolute Zahl der Beamten 2.460.000 mit
jährlichen Kosten von 22 Billionen Yen.)
Die gründliche Überprüfung von acht Finanzinstitutionen der
Regierung - der Bank für Internationale Zusammenarbeit, der
Japanischen Entwicklungsbank, des Nationalen
Lebensversicherungsgesellschaft, der Shoko Chukin Bank, der
Finanzgesellschaft für Landwirtschaft, Forst- und Fischereiwesen,
die Japanische Finanzgesellschaft für kommunale Unternehmen, die
Finanzentwicklungsgesellschaft für Okinawa und die Japanische
Finanzgesellschaft für kleine und mittlere Unternehmen - wird als
ausschlaggebend für eine Verschlankung der Regierung angesehen, da
sie von Regierungseinnahmen aus dem Postsparen gespeist werden und
für die missbräuchliche Verschwendung der Gelder für
unwirtschaftliche, rechtlich schwer vertretbare Zwecke kritisiert
werden. Wenn das Postsparen privatisiert und marktwirtschaftlichen
Bedingungen unterworfen wird, ist völlig klar, dass auch die Art und
Weise der Verwendung dieser Mittel auf dem Prüfstand steht. Neben
den genannten Finanzinstitutionen sagt man insbesondere den
Sondergesellschaften der Regierung und den sogenannten öffentlichen
Dienstleistungsgesellschaften mit ihrer engen Bindung an die
Ministerien nach, öffentliche Mittel zu verschwenden, zu
missbrauchen und mit lukrativen Posten für pensionierte hohe
Regierungsvertreter zu dienen.
Einnahmen für den Straßenbau freigeben
Ein weiteres Thema, das große Beachtung findet, ist die Forderung
nach einer Überprüfung der Verwendung von Mitteln, die nach dem
Gesetz explizit für den Bau und die Erhaltung des Straßennetzes
Verwendung finden - gerade hier wird allgemein unsinnige,
kostenintensive Geldverschwendung vermutet. Die sogenannten
"straßenspezifischen Einnahmen" bilden sich sowohl aus der Benzin-,
Öl- und Gassteuer als auch aus der KFZ-Steuer, die sich national auf
jährlich 3,5 Billionen Yen belaufen und sogar auf 5,7 Billionen Yen,
nimmt man die ähnlich gearteten regionalen Steuern hinzu. Da die
Verwendung eines Großteils dieser Einnahmen per Gesetz auf Ausgaben
im Zusammenbau mit dem Bau und Erhalt des Straßennetzes
festgeschrieben ist, werden die Mittel in vielen Fällen mehr oder
weniger verschwendet, anstatt für nützlichere Projekte als den
Straßenbau verwendet zu werden - gerade jetzt, wo die japanischen
Straßen in allgemein gutem Zustand sind.
Mit der Aussicht auf einen beachtlichen Überschuss bei dem
Sonderfonds für den Straßenbau, regte Ministerpräsident Koizumi eine
Studie an, um zu prüfen, ob die für diese spezielle Verwendung
vorgesehenen Einnahmen freigegeben werden können. Allerdings wird
das Ministerium für Land, Infrastruktur und Transport dies
hartnäckig ablehnen. Die Mainichi Shimbun beobachtete in ihrer
Ausgabe vom 30. September: "Da die Mittel für den Straßenbau als ein
Herzstück etablierter Rechte und Interessen gelten, wird jedwede
Finanzstrukturreform kaum darumkommen, hier das Skalpell
anzusetzen."
Die anvisierte Neuanpassung des Finanzausgleichs zwischen
Zentralregierung und Präfekturen ist ein weiteres zentrales Thema
der Finanzreform. Zur Diskussion steht der Vorschlag, dass die
Regierung ihre Zuschüsse für die Regionalregierungen um 4 Billionen
Yen (35 Milliarden $) verringert und diesen in einem Gegenwert von 3
Billionen Yen (26 Milliarden $) die Steuerhoheit überträgt. Das
Anliegen besteht dabei in einer Reduzierung der Ausgaben der
Regierung und dem gleichzeitigen Versuch, die Landesregierungen
finanziell unabhängiger zu machen, indem diese ihre Mittel
freizügiger verwalten können. Die Reformvorschläge sind Bestandteil
des Tauziehens zwischen den Beamten von Regierung und
Regionalverwaltungen, wobei erstere sich sträuben, ihre Macht
abzugeben.
(Copyright 2005 Foreign Press Center, Japan)
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