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Japan Brief des Foreign Press Center Japan
Japan Brief, FPC Nr. 0511
31.01.2005
Oberster Gerichtshof: Ausschluss
von Ausländern von Beamtenstellen,
die Anwendung rechtsstaatlicher Autorität erfordern,
verfassungskonform
Am 26. Januar entschied der Oberste Gerichtshof,
dass der Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger von
Beamtenstellen in Kommunen, welche die Anwendung rechtsstaatlicher
Autorität erfordern, verfassungskonform ist. Die Entscheidung wurde
im Rahmen der Klage einer Angestellten der Tokyoter Stadtverwaltung
getroffen, die als Koreanerin in zweiter Generation in Japan lebt
und Entschädigung dafür forderte, dass ihre Bewerbung zum
Eignungstest für eine Führungsposition aufgrund ihrer ausländischen
Staatsangehörigkeit abgelehnt wurde.
Das Urteil beendete den zehn Jahre dauernden Kampf
von Chong Hyang Gyun, einer 54-jährigen Krankenschwester im
öffentlichen Dienst, der mit der Einreichung der Klage beim
Landgericht Tokyo 1994 begann. Obgleich man davon ausgeht, dass das
Urteil ein Präzedenzfall ist und die künftige Politik der Kommunen
hinsichtlich der Übernahme ausländischer Staatsbürger in den
öffentlichen Dienst beeinflussen wird, differieren die
Interpretationen seiner Auswirkungen und seiner Richtigkeit je nach
politischen Lager und verweisen damit auf die Komplexität des Themas
und die geteilte öffentliche Meinung.
Einige unterstützen die Entscheidung als
Widerspiegelung des "common sense", andere kritisieren sie als
mögliches Hemmnis für die Akzeptanz von Ausländern in Japans
Gesellschaft. Die Gegner der Entscheidung argumentierten, dass
angesichts der von Japan verlangten größeren Offenheit ein neues
Denken erforderlich sei.
Während das Gesetz über die Staatsbeamten den
Zugang zu den Beamtenstellen der Zentralregierung auf japanische
Staatsangehörige beschränkt, besteht eine derartige gesetzliche
Einschränkung in den Kommunen nicht. In den vergangenen zehn Jahren
beschäftigte eine wachsende Anzahl kommunaler Behörden von
Präfekturen, Stadtverwaltungen und Gemeinden mehr und mehr Ausländer
- der Großteil von ihnen Koreaner mit ständigem Wohnsitz in Japan.
Das aktuelle Staatsbürgerschaftsgesetz Japans gewährt insbesondere
ständig in Japan lebenden Personen relativ einfach die japanische
Staatsangehörigkeit. Jedoch gibt es viele Menschen mit ständigem
Wohnsitz in Japan - eingeschlossen solche, die hier geboren wurden -
die sich entschlossen haben, ihre ausländische Staatsangehörigkeit
bewusst beizubehalten.
Ihre Behandlung mit Blick auf die Übernahme von
Positionen, die die Ausübung rechtsstaatlicher Autorität beinhalten,
obliegt grundsätzlich den Kommunen. Das einzige relevante Kriterium
nennt eine Regierungsanweisung von 1953, die Positionen, welche die
Ausübung rechtsstaatlicher Autorität beinhalten, aufgrund
"selbstverständlicher Logik des Gesetzes" auf japanische
Staatsgehörige beschränkt.
Das Problem besteht jedoch darin, dass es keine
Definition der Positionen, die einer solchen Autorität bedürfen und
des Ausmaßes, in dessen Rahmen ausländische Staatsbürger für diese
in Frage kommen, gibt. Die "Ausübung rechtsstaatlicher Gewalt" wird
als Handlung interpretiert, welche die Freiheit des Einzelnen
einschränkt oder ihn Anordnungen in Sinne der öffentlichen Ordnung
unterwirft, z.B. das Zahlen von Steuern, die Ausübung von Polizei-
und Feuerlöscheinsätzen, Inspektionen der Lebensmittelhygiene oder
die Einhaltung von Bauvorschriften.
Die Verfassungsmäßigkeit dieser Interpretation der
Regierung wurde nie gerichtlich angefochten - bis zu dem Zeitpunkt,
als Chong Hyang Gyun 1994 ihre Klage beim Landgericht Tokyo
einreichte. Das Gericht entschied, dass die Ablehnung der Bewerbung
Chongs im Bewerbungsverfahren für eine Beamtenstelle durch die
Tokyoter Stadtverwaltung aufgrund der Tatsache, dass sie keine
Japanerin sei, weder gegen die japanische Verfassung verstößt, die
die Gleichheit aller vor dem Gesetz festschreibt, noch gegen das
Arbeitsgesetz, das jede Art Diskriminierung aufgrund der
Nationalität verbietet. Die Klägerin legte beim Oberlandesgericht
Tokyo Berufung ein, welches das Urteil aufhob, indem es die Praxis
der Toykoter Stadtverwaltung als verfassungswidrig bezeichnete. Die
Stadtverwaltung focht nun ihrerseits das Urteil an, so dass der Fall
vor den Obersten Gerichtshof kam.
Die 15-köpfige Große Kammer des Obersten Gerichts
hob nun ihrerseits mit dreizehn zu zwei Stimmen die Entscheidung des
Oberlandesgerichts Tokyo mit der Begründung auf, dass das japanische
Recht nicht davon ausgeht, dass Beamtenpositionen, welche die
Ausübung rechtsstaatlicher Gewalt beinhalten, von Bürgern
ausländischer Nationalität bekleidet werden. Die Tokyoter
Stadtverwaltung lehnt grundsätzlich alle Bewerber mit ausländischer
Staatsangehörigkeit in Bewerbungsverfahren für Beamtenstellen ab.
Hintergrund dieser kategorischen Ablehnung ist die übliche
Personalpolitik, nach der jemand, der einmal eingestellt wurde, in
Zukunft auf eine Position befördert werden kann, welche die Ausübung
rechtsstaatlicher Gewalt beinhaltet.
Anderslautende Meinungen argumentieren, dass die
Beschneidung des Rechts für Nichtjapaner, sich für die
Beamtenlaufbahn zu bewerben, verfassungswidrig und diskriminierend
sei. Andere Gegenargumente berufen sich darauf, dass das Verbot für
Bürger anderer Nationen mit einer ständigen Aufenthaltserlaubnis in
Japan auf Positionen beschränkt werden sollte, welche die
öffentliche Ordnung betreffen und bezeichnen die Vorgehensweise der
Tokyoter Stadtverwaltung als "übertrieben".
Gegenwärtig verfahren zehn Präfekturen und ca. 270
Gemeinden nach der so genannten Kawasaki-Methode, die im Rahmen
ihrer Beschäftigungspolitik fast völlig auf die Voraussetzung der
japanischen Staatsangehörigkeit verzichtet und es Ausländern
ermöglicht, bis zum Abteilungsleiter aufzusteigen. In der Stadt
Kawasaki, nahe Tokyo, lebt eine relativ große Anzahl
koreanischstämmiger Einwohner, und sie war wegbereitend bei der
Lockerung von Restriktionen für Beamte ausländischer
Staatsangehörigkeit. Auf der anderen Seite haben 36 Präfekturen,
darunter auch Tokyo, zumindest zum Teil die Regelung aufgehoben,
wonach Berufe wie Ärzte und Krankenschwestern an die japanische
Staatsangehörigkeit gebunden sind; diese Voraussetzung wurde jedoch
für Aufgaben wie Bürotätigkeiten beibehalten und sie gestatten es
keinem Ausländer zum Verwaltungsbeamten aufzusteigen. Allein die
Präfektur Kochi und die gleichnamige Stadt sind die einzigen
kommunalen Verwaltungen, die gegenüber Ausländern keinerlei
Restriktionen aufgestellt haben.
Welche Auswirkungen die Entscheidung des Obersten
Gerichtshofs auf die Praxis der regionalen Behörden in Bezug auf den
Status von Beamten ausländischer Nationalität haben wird, ist noch
ungewiss. Auf der einen Seite scheint der Urteilsspruch die 1953
getroffene Regierungsentscheidung als verfassungskonform zu
bestätigen, und die Regionalregierungen werden bestrebt sein, dieser
mehr oder weniger zu entsprechen. Eine andere Meinung vertritt den
Standpunkt, dass es abgesehen von der Entscheidung des Obersten
Gerichtshofs noch keinerlei juristische Grundlage gebe, die es
Ausländern verbietet, Verwaltungspositionen in kommunalen Behörden
einzunehmen und dass dies weitgehend den Behörden überlassen bleibe.
Die Nihon Keizai Shimbun schrieb z.B. in
ihrer Ausgabe vom 27. Januar: "Das jüngste Urteil sollte von den
kommunalen Behörden so interpretiert werden, dass es ihnen
hinsichtlich der Einstellung von Nichtjapanern großen
Handlungsspielraum einräumt." Sie schrieb weiter: "Da jede Kommune
sich in ihrer Bevölkerung und Geschichte unterscheidet, sollte der
Umfang der Beschäftigung von Nichtjapanern variieren und im Ermessen
der Meinung der jeweiligen Einwohner liegen." Diese Sicht teilte am
darauf folgenden Tag auch die Mainichi Shimbun, die darauf
verwies, dass das Urteil nicht als Abschreckung für die Einstellung
von Ausländern als Verwaltungsbeamte verstanden werden sollte, da es
die Entscheidungsgewalt den lokalen Behörden überlässt.
Trotzdem gab es Zweifel, inwiefern sich diese
freie Interpretation durchsetzen wird, da der Urteilsspruch als
Aufforderung an die kommunalen Behörden verstanden werden könnte,
bei der Einstellung und Beförderung von Ausländern zurückhaltend zu
sein. Die Asahi Shimbun diskutierte am 27. Januar den
Gerichtsentscheid und warf dem Obersten Gerichtshof vor, nicht
zeitgemäß zu sein: "Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in
Zeiten, da Unternehmen und Kommunen versuchen, die Diskriminierung
in der Beschäftigungs- und Beförderungspolitik aufgrund
ausländischer Staatsangehörigkeit abzubauen, ist nicht zeitgemäß."
Jedoch begrüßten erwartungsgemäß Sankei Shimbun und
Yomiuri Shimbun die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs und
forderten die Kommunen auf, gemäß dem Urteil die Beförderung von
Ausländern in Verwaltungspositionen einzuschränken.
Ein wichtiger Punkt, der im Urteil des Obersten
Gerichtshofs keine Erwähnung fand, besteht in der Frage eines
Konsenses hinsichtlich des Umgangs mit den koreanischstämmigen
Bürgern mit "unbegrenzter Aufenthaltsberechtigung". Diese Menschen
und ihre Kinder haben beschlossen, sich nicht als Japaner einbürgern
zu lassen und trotzdem ständig in Japan zu leben, obgleich oder weil
sie unter der historischen Last, einschließlich ihrer Erfahrungen
während der japanischen Kolonialisierung Koreas und des Zweiten
Weltkriegs leiden. Die Klägerin in dem genannten Fall ist in zweiter
Generation koreanischer Abstammung; sie hat einen koreanischen Vater
und eine japanische Mutter. In ihrer Jugend wurde sie wegen ihrer
Abstammung persönlich benachteiligt, aber es gelang ihr schließlich,
eine Stelle als Krankenschwester in der Tokyoter Stadtverwaltung zu
erhalten. Verständlicherweise reagierte sie verbittert und
enttäuscht auf das Urteil. "Ist es wirklich angemessen, diese
Menschen mit ständiger Aufenthaltsberechtigung wie normale Ausländer
zu behandeln?" fragte daher auch die Mainichi Shimbun in
ihrer Ausgabe vom 28. Januar.
(Copyright 2005 Foreign
Press Center Japan)
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