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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


22
. 11. 2005   

Japanisch-russisches Gipfeltreffen: Einigung über wirtschaftliche Zusammenarbeit, kein Fortschritt im Territorialstreit

Das japanisch-russische Gipfeltreffen zwischen Ministerpräsident Junichiro Koizumi und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, der Japan einen Besuch abstattete, fand am Nachmittag des 21. November im Amtssitz des Ministerpräsidenten statt. Die Gespräche, die sich über zweieinhalb Stunden erstreckten, brachten hinsichtlich der wichtigsten offenen Frage zwischen beiden Ländern, dem Streit über die Nördlichen Territorien, keine Fortschritte. Beide Politiker konnten sich lediglich darauf verständigen, die Verhandlungen zum Erreichen einer einvernehmlichen Lösung fortzusetzen. Trotzdem betonten beide die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Japan und Russland und kamen überein, diese weiter zu vertiefen, 

Keine gemeinsame Erklärung

Während des Treffens äußerte Ministerpräsident Koizumi: "In der Vergangenheit wurden zahlreiche Abkommen zwischen unseren beiden Ländern geschlossen - sie alle sind wichtig und gültig. Es gibt durchaus Unterschiede in unseren Positionen. Wir teilen jedoch die gemeinsame Auffassung, dass wir das Problem der Zugehörigkeit der vier Inseln lösen und einen Friedensvertrag abschließen sollten." Präsident Putin erwiderte darauf: "Ich setze hinsichtlich des Problems der Grenzziehung auf eine für beide Seiten akzeptable Lösung." Allerdings fügte er hinzu: "Den Hintergrund des Problems bildet der Ausgang des Zweiten Weltkriegs. Beginnt man hier zu revidieren, könnte dies sich auch auf andere Dinge auswirken und eine Kettenreaktion auslösen."

In einer gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Treffen räumte Ministerpräsident Koizumi ein, dass "es Differenzen in den Positionen Japans und Russland gibt." Er unterstrich aber gleichzeitig: "Wir sind uns darin einig, alles zu tun, um eine für Japan und Russland annehmbare Lösung zu finden." Er fuhr fort: "Wir werden unsere Beratungen auf den verschiedensten Ebenen fortführen und versuchen, Einigkeit zu erzielen. Wir werden unsere gute wirtschaftliche Zusammenarbeit verstärken, die Bereiche der Kooperation erweitern und ein für den künftigen Abschluss eines Friedensvertrags günstiges Klima schaffen."

Im Gegenzug erwiderte Präsident Putin: "Wenn beide Seiten guten Willens sind, bin ich davon überzeugt, dass wir eine einvernehmliche Lösung finden; eine Lösung, die sowohl den Interessen der Bewohner der vier Inseln als auch den nationalen Interessen Russland und Japans entspricht." Er betonte weiter: "Das Fehlen eines Friedensvertrages erschwert ohne Zweifel die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und Japan. Trotzdem werden wir alle Anstrengungen unternehmen, um die wirtschaftliche Kooperation weiter voranzutreiben, so dass das Problem gelöst wird."

Hinsichtlich des Territorialproblems beruft sich Japan auf die Tokyoter Erklärung von 1993, die unterstreicht, dass erst nach Klärung der Zugehörigkeit der vier Inseln Etorofu, Kunashiri, Shikotan und Habomai ein Friedensvertrag geschlossen wird. Russland hingegen hält sich an die Gemeinsame Erklärung Japans und der Sowjetunion von 1956, die festschreibt, dass Shikotan und Habomai nach dem Abschluss eines Friedensvertrags an Japan zurückgegeben werden. Erstmals seit 2003, als Ministerpräsident Koizumi Russland besuchte und dort die Japanisch-Russische Agenda für die Aufnahme von Verhandlungen unterzeichnete, diskutierten nun die obersten Repräsentanten Japans und Russland wieder die Territorialfrage. Das Augenmerk liegt nun darauf, inwiefern es beiden gelingen wird, den Weg für weitere Verhandlungen zu ebnen.

Letztendlich war die Diskrepanz in der Haltung beider Seiten erheblich und man sah sich nicht in der Lage, eine gemeinsame Erklärung vorzulegen. Die Außenminister Japans und Russland waren bereits in ihren Gesprächen während des APEC-Gipfeltreffens im koreanischen Busan am 16. November übereingekommen, dass es keine gemeinsame Erklärung geben wird. Die Yomiuri Shimbun hob in ihrer Ausgabe vom 22. November hervor, dass Präsident Putin eine neue Verhandlungsstrategie ankündigte, um Japan von der Tokyoter Erklärung abzubringen und es dazu zu überreden, einer Lösung der Territorialfrage auf der Grundlage der Gemeinsamen Erklärung Japans und der Sowjetunion zuzustimmen. Sie erläuterte dazu: "Durch das Ansteigen der Ölpreise hat sich die russische Wirtschaft erholt und Russland ist nicht mehr in dem Maße auf die wirtschaftliche Unterstützung Japans angewiesen, die es sich ursprünglich durch den Abschluss eines Friedenvertrags erhoffte."

Darüber hinaus forderte Ministerpräsident Koizumi auch im Zusammenhang mit dem Kernwaffenprogramm Nordkoreas und dem Problem der Entführungen die Unterstützung Russlands. Präsident Putin unterstrich seine Absicht, im Rahmen der Sechsparteien-Gespräche auf Nordkorea einzuwirken, sein Nuklearprogramm aufzugeben. Hinsichtlich der Entführungen betonte er: "Ich habe gegenüber Generalsekretär Kim Jong-il meine Besorgnis deutlich zum Ausdruck gebracht." Demgegenüber äußerte Ministerpräsident Koizumi seine Besorgnis in Bezug auf das im August veranstaltete erste gemeinsame Manöver Russlands und Chinas und sagte: "Ich bitte Sie um mehr Transparenz." Putin antwortete darauf: "Wir sollten bei militärischen Übungen ein Höchstmaß an Transparenz an den Tag legen."

Beide Seiten kamen zudem überein, die Gesprächsgremien z.B. durch die Schaffung eines strategischen Dialogforums zwischen dem japanischen Außenminister Taro Aso und dem Sekretär des Russischen Sicherheitsrats Igor Iwanow (ehemaliger Außenminister) zu erweitern, um Fragen wie die Situation in Ostasien beraten zu können. Präsident Putin lud zudem Ministerpräsident Koizumi für das nächste Jahr zu einem offiziellen Gegenbesuch nach Russland ein, was der Ministerpräsident dankend annahm. Ministerpräsident Koizumi seinerseits lud den russischen Ministerpräsidenten Michail Fradkow nach Japan ein.

Beziehungen zwischen Japan und Russland: politisch frostig, wirtschaftlich warm

Der Besuch von Präsident Putin in Japan war der erste seit fünf Jahren und zwei Monaten, als der Präsident kurz nach seiner Ernennung im September 2000 nach Tokyo reiste. Die japanische Regierung hatte ihn dieses Mal anlässlich des 150. Jahrestages des im Jahre 1855 abgeschlossenen Vertrages über Handel, Schifffahrt und Grenzziehung eingeladen, der den Beginn der diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und Russland markiert. Ministerpräsident Koizumi hatte ursprünglich die Einladung zu einer Japan-Visite bereits im Januar 2003 ausgesprochen, musste letztendlich aber fast drei Jahre bis zu Putins jetzigem Besuch warten.

Nach dem Gipfeltreffen unterzeichneten die Regierungen Japans und Russlands zwölf gemeinsame Dokumente, darunter Vereinbarungen in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Energie, Information und Telekommunikation, und bekräftigten die japanisch-russische Zusammenarbeit auf zahlreichen Gebieten. Hinsichtlich des geplanten Baus einer Pipeline zwischen Ostsibirien und dem Pazifik unterzeichneten beide Regierungen ein gemeinsames Dokument über ein Rahmenwerk zur Unterstützung der Baumaßnahmen, das eine schnellstmögliche Übereinkunft für nächstes Jahr vorsieht. Obgleich es - wie von Japan gefordert - nicht gelang, Einigkeit in der Frage des Baubeginns auf der Pazifikroute zu erzielen, hob Präsident Putin hervor: "Wir haben uns für die nördliche Route am Baikal-See entschieden, die aufwändiger sein wird, da wir sie mit der Pazifikroute verbinden werden. Wir wollen diesbezüglich auf jeden Fall mit Japan kooperieren."

Vor dem Gipfeltreffen, am Morgen des 21. November, hatte Präsident Putin eine Rede vor dem Japanisch-Russischen Wirtschaftsforum gehalten, das in einem Tokyoter Hotel stattfand und durch den Nippon Keidanren (Japanischer Unternehmensverband) unterstützt wurde. In Bezug auf die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen äußerte er: "Die Zusammenarbeit hat sich in den vergangenen Jahren intensiviert und wir befinden uns gegenwärtig im besten Zeitabschnitt unserer bilateralen Beziehungen." Präsident Putin rief zu einer weiteren Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, einschließlich weiterer japanischer Investitionen, auf und sagte: "Wenn es uns gelingt, starke, angemessene und langfristige Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern aufzubauen, unterstützen wir gleichzeitig die Entwicklung einer kreativen politischen Partnerschaft."

Für Präsident Putin, der von über hundert Vertretern der russischen Wirtschaft begleitet wurde, bildete das Forum eine gute Gelegenheit, seiner Haltung Ausdruck zu verleihen, dass Wirtschaftsfragen vor Territorialfragen rangieren. Das Forum wurde von über vierhundert japanischen und russischen Unternehmern besucht, darunter dem Vorsitzenden des Nippon Keidanren, Hiroshi Okuda. Die Nihon Keizai Shimbun kommentierte diesbezüglich am 22. November: "In den Beziehungen zwischen Japan und Russland hat sich offensichtlich ein politisch frostiges, aber wirtschaftlich warmes Klima herausgebildet."

Leitartikel der führenden Zeitungen

Japans führende Zeitungen kommentierten am 22. November in ihren Leitartikeln ausführlich die japanisch-russischen Gipfelgespräche. Unter der Überschrift "Japanisch-russische Beziehungen: Tokyo braucht eine Entwicklungsperspektive", schrieb die Asahi Shimbun: "Betrachtet man die Territorialfrage, so scheint das Verhältnis zwischen Russland und Japan einen Rückschlag erlitten zu haben." Sie schrieb weiter: "Die grundlegende Struktur der russisch-japanischen Beziehungen hat sich verändert. Die japanische Regierung muss ihre Strategie anhand der veränderten Konditionen überdenken." Die Asahi  bemerkte darüber hinaus: "Wenn Japan Zugeständnisse von Russland fordert, braucht es gute Beziehungen zu China und Südkorea. Wenn Japan ein Vertrauensverhältnis zu Russland aufbaut, muss Russland im Gegenzug Japans Position bei seinen Verhandlungen mit anderen Ländern unterstützen." Sie schloss: "Der Schlüssel zur Lösung der Territorialfrage kann nur gefunden werden, wenn Japans Beziehungen zu Russland eine Entwicklungsperspektive aufweisen."

Unter der Überschrift "Geduldiges Bemühen ist gefragt" bemerkte die Mainichi Shimbun: "Einer der Gründe, weshalb beide Länder seit so vielen Jahren nicht in der Lage sind, in der Territorialfrage einen Durchbruch zu erzielen, liegt darin, dass Japan über lange Zeit keine konsequente Politik verfolgte." Sie schrieb weiter: "Während man die partnerschaftlichen Beziehungen (zwischen Japan und Russland) vertieft, ist es gleichzeitig wichtig, eine neue Strategie hinsichtlich der Position der Erklärung von 1956 zu erarbeiten und Übereinstimmung mit der Tokyoter Erklärung herzustellen." Die Mainichi griff Präsident Putins Aussage, er setze hinsichtlich des Grenzproblems auf eine beiderseits akzeptable Lösung, auf und schrieb: "Wenn dem so ist, kann er die Tokyoter Erklärung nicht ignorieren. Präsident Putin darf nicht vergessen, dass er selbst 2001 die Erklärung von Irkutsk unterzeichnete, die sich ausdrücklich sowohl auf die Erklärung von 1956 als auch auf die Tokyoter Erklärung beruft."

Unter der Überschrift: "Territorialgespräche mit Russland nicht überstürzen" konstatierte die Yomiuri: "Es ist für Russland, das freundschaftliche Beziehungen zu China entwickelt hat, nachvollziehbar, dass es der Verbesserung des Verhältnisses zu Japan - einem Verbündeten der Vereinigten Staaten - geringere Priorität einräumt. Unter diesen Umständen sind unüberlegte Vorstöße Japans hinsichtlich der Territorialfrage nicht in unserem Interesse. Da die Zeit noch nicht gekommen ist, sollte Japan keine Änderungen im Verhältnis zu Russland zu erzwingen versuchen." Sie führte weiter aus: "Russland hat in der Territorialfrage gegenüber Japan eine härtere Gangart eingelegt, da sowohl Putins politische Stellung als auch Russlands Wirtschaft gestärkt sind. Russland ist der zweitgrößte Erdölproduzent der Welt und die gestiegenen Ölpreise haben der russischen Wirtschaft ein jährliches Wachstum von 7 % beschert. Russland ist weniger denn je durch Kompromisse bei der Territorialfrage auf Japans wirtschaftliche Unterstützung angewiesen."

Die Nihon Keizai Shimbun schrieb unter der Überschrift "Japans und Russlands Führer müssen ihren Dialog vertiefen, um Fortschritte in der Territorialfrage zu erzielen": "Die Verhandlungen über die Nördlichen Territorien haben eine lange Geschichte, doch ist es für die beiden führenden Politiker Japans und Russlands extrem wichtig ihren persönlichen Dialog zu vertiefen und das Problem nicht der Arbeitsebene zu überlassen." Sie fuhr fort: "Die Territorialfrage ist nicht alles in den japanisch-russischen Beziehungen. Die japanische Seite hat sich bereits von dem Prinzip der Untrennbarkeit von Politik und Wirtschaft verabschiedet und verfolgt nun einen mehrstufigen Ansatz zur Förderung von Austausch und Zusammenarbeit in verschieden Bereichen. Japan sollte an dieser Grundsatzpolitik festhalten.... Wichtig ist es jedoch klarzustellen, dass eine Vertiefung der wirtschaftlichen Kooperation nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Territorialfrage aufgeschoben werden muss."

(Copyright 2005 Foreign Press Center, Japan)
 

 

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