Japan Brief des Foreign Press Center Japan
Japan Brief, FPC Nr. 0513
10.02.2005
2005 markiert 150. Jahrestag der
Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Japan und Russland
Dieses Jahr markiert einen historischen
Meilenstein in den Beziehungen zwischen Japan und Russland: 2005
jährt sich die Unterzeichnung eines Handels-, Schifffahrts- und
Grenzziehungsvertrags zwischen beiden Ländern im Jahr 1855 zum 150.
Mal, das Ende des Russisch-Japanischen Krieges von 1905 zum
hundertsten Mal sowie das Ende des Zweiten Weltkriegs zum
sechzigsten Mal. Die japanische Regierung hat die Gelegenheit
ergriffen, Russland erneut zur Zusammenarbeit bei der Verbesserung
der bilateralen Beziehungen aufzurufen sowie bei den Gesprächen über
die Frage der Nördlichen Territorien (vier russisch besetzte Inseln
bzw. Inselgruppen vor Hokkaido, die von Japan beansprucht werden)
Fortschritte zu erzielen. Allerdings bestehen in der
Territorialfrage auf beiden Seiten unterschiedliche Auffassungen,
und es gibt derzeit keine Fortschritte. Auch das genaue Datum des
Japanbesuchs von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, der für
Anfang des Jahres geplant ist, steht noch nicht fest.
Außenminister Machimura: "Ein besonderes Jahr
zur Schaffung der Grundlagen für Fortschritte in den bilateralen
Beziehungen"
Angesichts der Tatsache, dass der Handels-,
Schifffahrts- und Grenzziehungsvertrag zwischen Japan und Russland,
der die Grenze zwischen beiden Ländern festlegte, am 7. Februar 1855
unterzeichnet wurde, hatte die japanische Regierung den 7. November
zum Tag der Nördlichen Territorien bestimmt und führt eine Kampagne
zur Rückgabe der Inseln Etorofu, Kunashiri, Shikotan sowie der
Habomai-Gruppe durch. Dieser Vertrag bestimmte, dass die Grenze
zwischen den Kurileninseln Urup und Etorofu verläuft, wobei die
Inseln nördlich von Urup einschließlich Uruop selbst russisches
Territorium sind und die Inseln südlich von Etorofu einschließlich
Etorofu japanisches Territorium.
Auch in diesem Jahr gab es in Japan im Februar
Veranstaltungen, in denen zur Rückgabe der Nördlichen Territorien
aufgefordert wurde. Außenminister Nobutaka Machimura sagte während
einer Veranstaltung zur Rückgabe der vier Inseln in Tokyo: "Ich
hoffe, dass in diesem Jahr die Grundlagen für den Abschluss eines
Friedensvertrags und für einen großen Sprung nach vorn in den
japanisch-russischen Beziehungen gelegt werden."
In Bezug auf Friedensverhandlungen haben Japan und
Russland bestätigt, dass die Gespräche auf drei Dokumenten beruhen
sollen. Diese sind die am 19. Oktober 1956 unterzeichnete
Japanisch-Sowjetische Deklaration, die am 13. Oktober 1993
unterzeichnete Deklaration von Tokyo sowie die Erklärung von Irkutsk
vom 25. März 2001.
Die Gemeinsame Japanisch-Sowjetische Deklaration,
die während eines Besuch von Ministerpräsident Ichiro Hatoyama in
der Sowjetunion unterzeichnet wurde, bestimmt, dass die Sowjetunion
die Habomai-Inseln und Shikotan nach Abschluss eines
Friedensvertrags an Japan zurückgibt. In der Deklaration von Tokyo,
die von Ministerpräsident Morihiro Hosokawa und Präsident Boris
Jelzin unterschrieben wurde, definierten Japan und Russland die
Territorialfrage als die Frage der Zugehörigkeit der vier Inseln,
welche die Nördlichen Territorien umfassen, und kamen überein, nach
der Lösung des Territorialproblems so rasch wie möglich einen
Friedensvertrag abzuschließen.
Die Erklärung von Irkutsk, welche die Diskussionen
zwischen Ministerpräsident Yoshiro Mori und Präsident Putin
zusammenfassten, legen die Japanisch-Sowjetische Deklaration von
1956 als Ausgangspunkt für den Verhandlungsprozess fest. Zudem wurde
auf der Grundlage der Auflistung der Inseln Etorofu, Kunashiri,
Shikotan und der Habomai-Gruppe in der Deklaration von Tokyo die
gemeinsame Auffassung Japans und Russlands bestätigt, dass nach der
Lösung des Problems der Zugehörigkeit der Nördlichen Territorien ein
Friedensvertrag geschlossen werden soll.
Seit letztem Jahr betreibt Russland verstärkt eine
Politik, bei der die Angelegenheit durch eine Rückgabe der Insel
Shikotan und der Habomai-Gruppe auf der Grundlage der Gemeinsamen
Japanisch-Sowjetischen Erklärung von 1956 abgeschlossen werden soll.
Während einer Pressekonferenz für russische und ausländische
Journalisten am 23. Dezember letzten Jahres deutete Präsident Putin
erneut an, dass er eine abschließende Regelung auf der Grundlage der
Rückgabe dieser beiden Inseln anstrebe. Mit Bezug auf die Gemeinsame
Japanisch-Sowjetische Erklärung meinte er: "Artikel 9 bestimmt, dass
der Abschluss eines Friedensvertrags die Voraussetzung für die
Übergabe der beiden Inseln ist. Dies bedeutet ganz klar, dass die
Rückgabe der beiden Inseln eine Lösung des Territorialproblems
insgesamt darstellt. Das japanische Parlament hat diese gemeinsame
Deklaration ratifiziert, weshalb also verlangt Japan die Rückgabe
von vier Inseln?"
Ministerpräsident Junichiro Koizumi erwiderte
darauf umgehend: "Es ist rätselhaft, warum Russland die vier Inseln
nicht zurückgeben will." Auch die führenden japanischen
Tageszeitungen kritisierten die russische Haltung in ihren
Kommentaren. Die Nihon Keizai Shimbun meinte in ihrem
Leitartikel vom 26. Dezember 2004: "In der Gemeinsamen Deklaration
steht nicht, dass die Territorialfrage mit der Rückgabe von zwei
Inseln abgeschlossen ist. Das mag eine spitzwindige Interpretation
sein, die der russischen Seite passt, aber für die japanische Seite
ist sie nicht überzeugend." Die Asahi Shimbun schrieb in
einem Leitartikel vom 9. Januar 2005: "Die Auffassung von Präsident
Putin ist ziemlich unlogisch. Er hat die Erklärung von Irkutsk
selbst unterzeichnet, in der das Problem als Frage der Zugehörigkeit
aller vier Inseln einschließlich Etorofu und Kunashiri bezeichnet
wird. Ein derart eigenmächtiges Unterfangen wird nur die
internationale Kritik auf die Regierung Putin ziehen."
Zum Hintergrund der Erklärung von Präsident Putin
meinte die Nihon Keizai Shimbun (13. Januar 2005): "Viele
Beobachter werten dies als Retourkutsche für die Inspektion der vier
Inseln durch Ministerpräsident Koizumi im September vergangenen
Jahres, die erstmals per Schiff unternommen wurde. Allerdings ist es
immer Russlands Art gewesen, plötzlich zu Grundsätzen
zurückzufinden, wenn die Zeit reif für die Aufnahme richtiger
Verhandlungen erschien."
Unterschiedliche Ansichten über die
Territorialfrage
Vor diesem Hintergrund trafen die Außenminister
beider Länder am 14. Januar in Moskau zu Gesprächen zusammen. Bei
einer gemeinsamen Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen meinte
Außenminister Machimura bezüglich der Territorialfrage: "Es gibt
deutliche Unterschiede in den Auffassungen. Wir sagen, dass Japan
das Recht auf die Souveränität der vier Inseln hat, aber Russland
ist anderer Ansicht." Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow
ging auf die unterschiedlichen Auffassungen beider Länder ein und
bemerkte: "Es ist klar, dass unsere Positionen sich diametral
gegenüberstehen." Auch wenn während der Zusammenkunft vereinbart
wurde, dass Außenminister Lawrow Japan in der ersten Märzhälfte
besuchen wird, wurde ein Termin für den Besuch von Präsident Putin
nicht festgelegt.
Laut einem Sonderbericht der Sankei Shimbun
einige Wochen nach der Zusammenkunft (2. Februar 2005) hatte
Außenminister Machimura während der Zusammenkunft gesagt: "Wir
können die Rückgabe von nur zwei Inseln nicht akzeptieren. Wenn die
Zugehörigkeit aller vier Inseln geklärt ist, werden wir beim
Zeitpunkt und der Art und Weise der Rückgabe flexibel sein." Laut
Sankei antwortete Außenminister Lawrow darauf: "Wir wollen das
Problem durch die Rückgabe von zwei Inseln abschließend regeln.
Russlands Haltung ist klar. Wenn Japan auf eine Regelung mittels
Rückgabe der zwei Inseln nicht eingehen will, dann ist unsere
Antwort Null."
Bezüglich dieses Berichts betonte
Chefkabinettsekretär Hiroyuki Hosoda bei einer Pressekonferenz am 2.
Februar die Politik der japanischen Regierung, weiterhin die
Rückgabe zu verlangen und die Zugehörigkeit der vier Inseln zu
bestätigen. Er sagte: "Wenn man den Hintergrund dieses Problems
betrachtet, dann ist das Argument der russischen Seite für die
Rückgabe von zwei Inseln seltsam. Tatsache ist, dass gegen Ende des
Krieges mehr als 17.000 Japaner auf den Inseln lebten, die dann
militärisch besetzt wurden. Die Inselbewohner wurden danach
gezwungen auf das Festland zu ziehen. Die Geschichte zeigt deutlich,
dass dies japanisches Territorium ist."
In einem Interview mit der Sankei meinte
Prof. Kenichi Ito von der Aoyama Gakuin Universität: "Es ist in der
Tat klar, dass Japan das Problem nicht in einer unausgegorenen
Haltung angehen kann. Wenn man Präsident Putin nach Japan bittet,
ohne dass Aussichten für irgendeinen Fortschritt in der
Territorialfrage bestehen, ist das so, als würde man den Karren vor
das Pferd spannen. Wenn er nicht kommen will, dann kommt er eben
nicht. Unsere grundlegende Haltung sollte sein, auch hundert Jahre
zu warten, wenn wir die Rückgabe der vier Inseln nicht erreichen
können."
In einem Artikel für die Sankei schrieb
Prof. Shigeki Hakamada von der Aoyama Gakuin Universität: "Das
Zwei-Inseln-Zuerst-Argument, bei dem Japan zunächst die Rückgabe von
zwei Inseln akzeptieren soll, um dann die Verhandlungen
fortzusetzen, ist nicht annehmbar. Sowohl aus historischen als auch
rechtlichen Gründen ist es nur natürlich, dass Japan die Rückgabe
der vier Inseln fordert. Bei den japanisch-russischen Gipfeltreffen
und auch bei Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ist es
wichtig, auch das Problem der Zugehörigkeit von Etorofu und
Kunashiri aufrichtig zu diskutieren."
Sankei: "Entwickeln einer
Langzeitstrategie zur Rückgabe der vier Inseln"
Anlässlich des 150. Jahrestags des
Russisch-Japanischen Freundschaftsvertrags behandelten die führenden
japanischen Tageszeitungen in ihren Leitartikeln dieses "Gedenkjahr
in den japanisch-russischen Beziehungen."
Die Asahi (7. Februar) wies darauf hin,
dass die japanisch-russischen Beziehungen selbst nach 150 Jahren
nicht in Ordnung seien und dass insbesondere "die Beziehungen
zwischen Japan und Russland in den sechzig Jahren seit dem Ende des
Zweiten Weltkriegs gespannt waren." "Und fünfzehn Jahre nach dem
Ende des Kalten Krieges", fuhr sie kritisch fort, "zeigt der Streit
um die Nördlichen Territorien keinerlei Anzeichen für eine Lösung.
Auch sind keine Schritte unternommen worden, die
japanisch-russischen Beziehungen auf eine bessere Grundlage zu
stellen. Die Schuld dafür liegt zu gleichen Teilen bei den Führern
beider Länder." Die Asahi fügte hinzu: "Aussichten für eine
Lösung des Streits um die Nördlichen Territorien werden sich auf
natürliche Weise ergeben, wenn die Grundlagen für eine Vertiefung
der Beziehungen zwischen beiden Ländern durch einen verstärkten
Austausch in der Wirtschaft und durch Aktivitäten auf Bürgerebene in
diesem Gedenkjahr gelegt werden."
Die Sankei (7. Februar) schrieb: "In diesem
denkwürdigen Jahr hat die Regierung Putin dem lange gehegten Wunsch
der Menschen in Japan nach Rückgabe der vier Inseln eine kalte
Dusche verpasst, indem sie nun ganz offen darüber redet, eine
abschließende Regelung durch die Rückgabe von Shikotan und der
Habomai-Gruppe zu erreichen." Sie fuhr fort: "Der einzige Weg für
die japanische Außenpolitik ist nun, sich zusammenzutun und eine
Langzeitstrategie für die Rückgabe der vier Inseln zu entwickeln
sowie hartnäckig und nachdrücklich weiterhin sowohl im Innern als
auch auf internationaler Ebene auf Japans historische Legitimation
zu verweisen. Die Schlüsselbegriffe für Japans Russlandpolitik
lauten: ‚Ruhe bewahren', ‚keine Eile' und ‚nicht aufgeben'."
Die Nihon Keizai Shimbun (6. Februar)
kommentierte: "Die grundlegende Haltung Japans bei seinen
Verhandlungen mit Russland hat sich von der ‚Untrennbarkeit von
Politik und Wirtschaft' zur Zeit des Kalten Krieges über ein
‚erweitertes Gleichgewicht' bis zu den jetzigen ‚vielschichtigen
Beziehungen' gewandelt. Diese vielschichtigen Beziehungen bedeuten
die Gestaltung von Beziehungen in verschiedenen Bereichen
einschließlich Wirtschaft, Politik und Kultur, während gleichzeitig
dem Territorialproblem weiterhin große Bedeutung zukommt." In Bezug
auf den Japanisch-Russischen Aktionsplan, der im Januar 2003 auf der
Grundlage dieser Haltung aufgestellt wurde, forderte sie: "Es ist
jetzt für beide Seiten an der Zeit, zum Geist dieses Aktionsplans
zurückzukehren, sich für seine stetige Umsetzung einzusetzen und
ehrliche Anstrengungen für die Vertiefung des gegenseitigen
Verständnisses und Vertrauens zu unternehmen."
(Copyright 2005 Foreign
Press Center Japan)
zum Überblick über JAPAN BRIEF

|