Japan Brief des Foreign Press Center Japan
Japan Brief, FPC Nr. 0516
15.02.2005
Japans Reaktion auf die
Erklärung des nordkoreanischen Außenministeriums
Am 10. Februar gab Nordkorea offiziell bekannt,
dass es im Besitz von Atomwaffen sei und kündigte zudem an, dass es
seine Teilnahme an den Sechs-Parteien-Gesprächen unbefristet
aussetzen werde. Viele Beobachter in Japan werten die Erklärung als
eine Drohung von Seiten Nordkoreas und mahnen, sich mit überzogenen
Reaktionen zurückzuhalten, auch wenn gleichzeitig Stimmen lauter
werden, die eine Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegenüber
Nordkorea fordern. Angesichts dieser Situation behält
Ministerpräsident Junichiro Koizumi seine Politik von "Dialog und
Druck" gegenüber Pjöngjang bei.
Koizumi: "Einwirken auf Nordkorea gemeinsam mit
anderen Ländern"
Die Erklärung des nordkoreanischen
Außenministeriums vom 10. Februar führte aus, dass, da die Regierung
von US-Präsident George W. Bush ihre feindselige Politik gegenüber
dem Norden nicht geändert habe, Pjöngjang seine Teilnahme an den
Sechs-Parteien-Gesprächen über das Atomproblem unbegrenzt aussetzen
werde. Gleichzeitig gab Pjöngjang erstmals offiziell bekannt, dass
man zur Selbstverteidigung Atomwaffen hergestellt habe.
In Bezug auf Japan führte die Erklärung aus:
"Japan setzt seine feindselige Politik gegenüber der DVRK
[Demokratische Volksrepublik Korea] in Übereinstimmung mit der
US-Linie unbeirrt fort" und "es fabrizierte das Problem der falschen
Überreste in der Angelegenheit der Entführungen als den Versuch, die
Erklärung von Pjöngjang zwischen der DVRK und Japan null und nichtig
zu machen sowie den Prozess zur Normalisierung der diplomatischen
Beziehungen mit der DVRK zu beenden. Wie können wir mit einer
derartigen Partei an einem Verhandlungstisch sitzen?"
Chefkabinettsekretär Hiroyuki Hosoda kommentierte
dies so: "Nordkorea hat solche Ankündigungen bereits früher gemacht,
daher müssen wir jetzt seine wahren Absichten und Ziele
herausfinden." Gegenüber Journalisten deutete Ministerpräsident
Koizumi am Abend des 10. Februar an, Nordkorea dazu drängen zu
wollen, wieder an den Sechs-Parteien-Gesprächen teilzunehmen,
während zugleich die Zusammenarbeit mit den anderen beteiligten
Ländern vertieft werden solle. Er sagte: "Wie wir es bisher schon
getan haben, werden wir gemeinsam mit den anderen Ländern auf
Nordkorea einwirken. Die Sechs-Parteien-Gespräche zu nutzen, liegt
auch im Interesse von Nordkorea selbst."
Nordkoreas Erklärung in Bezug auf Atomwaffen stand
auch im Mittelpunkt der hitzigen Diskussion über die Außen- und
Wirtschaftspolitik im Haushaltsausschuss des Unterhauses am 14.
Februar. Ministerpräsident Koizumi verdeutlichte seinen Standpunkt
noch einmal und erklärte: "Wenn man es von der anderen Seite aus
betrachtet, dann bedeutet die unbefristete Aussetzung der Teilnahme
an den Sechs-Parteien-Gesprächen, dass Pjöngjang jederzeit zu den
Gesprächen zurückkehren kann. Daher ist es notwendig, jetzt
kontinuierlich auf Pjöngjang einzuwirken und es dazu zu überreden,
einer raschen Wiederaufnahme der Gespräche im eigenen Interesse
zuzustimmen."
Als Antwort auf eine Frage in Bezug auf mögliche
Sanktionen gegen Nordkorea meinte Außenminister Nobutaka Machimura:
"Während wir die Bewegungen der anderen Seite beobachten, prüfen wir
eine bestimmte Reaktion in Bezug auf den effektiven Zeitpunkt und
die Methode. Wir denken aber, dass wir noch nicht an den Punkt
gelangt sind, wo wir umgehend Sanktionen verhängen sollten."
In Bezug auf die Vorlage des Problems der
Atomwaffen beim VN-Sicherheitsrat, sagte Außenminister Machimura:
"Wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um eine
Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche zu erreichen. Ich denke,
wir sind noch nicht soweit, diese Angelegenheit dem Sicherheitsrat
vorzulegen. Sollte Nordkorea jedoch auf unsere diplomatischen
Bemühungen nicht reagieren oder sollte sich die Situation weiter
zuspitzen, dann bestünde durchaus die Option, mit den anderen
beteiligten Staaten die Vorlage dieses Themas beim Sicherheitsrat zu
diskutieren."
Die Yomiuri Shimbun schrieb am 15. Februar
über diese Diskussion: "Spezielle Maßnahmen als Reaktion auf die
Erklärung Nordkoreas, dass es Atomwaffen besitze, wurden überhaupt
nicht angedeutet. Die Debatte machte die Sackgasse deutlich, in der
Japans Nordkoreapolitik zur Zeit steckt." Am gleichen Tag
kommentierte die Sankei Shimbun: "Da Ministerpräsident
Koizumi bei der Verhängung eigener Wirtschaftssanktionen gegenüber
Nordkorea wegen der Entführungsfrage zurückhaltend agiert, nehmen
die Erwartungen bezüglich einer Debatte über Sanktionen im
VN-Sicherheitsrat innerhalb der Regierung und der Regierungsparteien
zu."
Welche Absicht verfolgt Nordkorea wirklich?
Warum veröffentlichte Nordkorea die Erklärung zu
diesem Zeitpunkt und so überraschend? Welche Absicht verfolgt
Pjöngjang? Eine Zusammenfassung der Kommentare der führenden
japanischen Tageszeitungen eröffnet ein breites Spektrum von
Ansichten über Nordkoreas Ziele. Diese beinhalten: (1) Da Nordkorea
davon ausgeht, dass den Vereinigten Staaten eine Militäraktion gegen
das Land schwer fällt, solange sie noch im Irak engagiert sind,
möchte Pjöngjang die Vereinigten Staaten auf diese Weise zu direkten
Gesprächen zwingen und Zugeständnisse erhalten, (2) während die
Möglichkeit der künftigen Teilnahme an den Sechsparteien-Gesprächen
offen gehalten wird, will Pjöngjang Zeit für die Weiterentwicklung
seines Atomprogramms gewinnen, (3) indem es mit dem Feuer spielt und
die "atomare Karte" zieht, will Pjöngjang von den anderen Ländern im
Austausch für die Wiederaufnahme der Gespräche Zugeständnisse
erzwingen, (4) indem es die Vereinigten Staaten und Japan
kritisiert, China, Russland und Südkorea aber nicht erwähnt, möchte
Pjöngjang diese Länder spalten und (5) Pjöngjang möchte Japan von
den Sechs-Parteien-Gesprächen ausschließen und sich auf diese Weise
ein günstigeres Umfeld für Verhandlungen schaffen. Manche Beobachter
werten die Erklärung auch als ein Anzeichen für Stress und Ungeduld
auf nordkoreanischer Seite angesichts dessen, dass in den
Sechs-Parteien-Gesprächen und den Verhandlungen mit den Vereinigten
Staaten keine Fortschritte erzielt wurden.
Auch eine Reihe von Nordkorea-Experten äußerte
sich in den großen Tageszeitungen. So meinte Prof. Hideya Kurata von
der Kyorin-Universität in der Asahi Shimbun (11. Februar):
"Pjöngjang hat in seinem Streit mit den Vereinigten Staaten
schwierige Bedingungen geschaffen. Der Inhalt der Erklärung
erscheint sehr schroff, aber man kann sie auch als Forderung
Nordkoreas nach einer vierten Runde der Sechs-Parteien-Gespräche
interpretieren. Pjöngjang sagt nicht, dass es an den
Sechs-Parteien-Gesprächen nicht teilnimmt. Je nach Reaktion der
amerikanischen Seite besteht sehr wohl die Möglichkeit, dass
Nordkorea zu den Gesprächen zurückkehren wird."
Der Direktor von Radiopress Inc., Noriyuki Suzuki,
meinte in der Mainichi Shimbun (11. Februar): "Nordkorea
scheint nun alles auf eine Karte zu setzen, indem es als letztes
seine "atomare Karte" zieht und so versucht, die Vereinigten Staaten
zu erschüttern. Der Rahmen der Sechs-Parteien-Gespräche bietet für
Nordkorea keine weiteren Vorteile mehr. Womöglich zielt es auf ein
neues Gesprächsforum zwischen den Vereinigten Staaten, Nordkorea und
China ab, zu dem auch Südkorea stoßen könnte."
Prof. Masao Okonogi von der Keio-Universität sagte
in der Nihon Keizai Shimbun (11. Februar): "Nordkorea hat den
Dialogkurs nicht verlassen. Sein Ziel scheint zu sein, den ersten
Schritt zu machen, indem es den Vereinigten Staaten und Japan einen
psychologischen Schlag versetzt, wo sich Optimismus hinsichtlich der
Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche breit gemacht hatte, um
auf diese Weise Zugeständnisse zu erlangen. Das ist einer der
üblichen Tricks Nordkoreas."
Sämtliche führende Tageszeitungen kritisieren
Nordkorea
In ihren Leitartikeln zur Erklärung äußerten sich
sämtliche führenden Tageszeitungen Japans kritisch gegenüber
Nordkorea.
Die Asahi (11. Februar) meinte: "Ein
Nordkorea im Besitz von Atomwaffen ist unter keinen Umständen
akzeptabel. Die Sechs-Parteien-Gespräche wurden geschaffen, um die
atomare Pattsituation zu beseitigen. Nordkorea egoistische Haltung
ist äußerst bedauerlich." Sie fuhr fort: "Die nordkoreanische
Erklärung ging auch auf die Entführungsfrage ein. Pjöngjang sagte,
es könne nicht teilnehmen, da Japan ‚seine feindselige Politik
gegenüber der DVRK unbeirrt fortsetzt' ... Dieser Vorwurf ist
lächerlich ... Nordkoreas Drohungen werden nicht wirken. Alle zu
behandelnden Fragen - die Entführungen, Atomwaffen und Raketen -
sollten mit Hilfe beharrlicher Diplomatie vermittels Dialog und
Druck gelöst werden."
Die Mainichi (11. Februar) führte aus:
"Niemand darf erlauben, dass die internationale Gemeinschaft in
dieser Weise bedroht wird." Sie kritisierte weiter, dass die
Anschuldigungen gegenüber Japan einen "unverzeihlichen Missbrauch"
darstellten. Sie fuhr fort: "Nordkoreas Ziel ist es womöglich, die
Vereinigten Staaten zu weiteren Zugeständnissen zu zwingen, z.B. die
Initiative für die Wiederaufnahme der Gespräche zu ergreifen sowie
zudem von China Unterstützung dafür zu erhalten, dass es sich an den
Gesprächen wieder beteiligt." Die Mainichi sagte weiter: "Für
Japan, die Vereinigten Staaten und Südkorea ist es nun wichtig, auf
diese Erklärung nicht unvorsichtig zu reagieren, sondern gelassen
Nordkoreas Ziele zu analysieren und eine einheitliche Haltung in
Bezug auf die Wiederaufnahme der Gespräche zu erreichen."
Die Yomiuri (11. Februar) kommentierte: "Es
handelt sich wahrscheinlich um eine weitere Verzögerungstaktik.
Indem es damit droht, die Gespräche auszusetzen, möchte Nordkorea
für seine Teilnahme eine Entschädigung erhalten." Sie fuhr fort:
"Japan sollte auf diese Drohung nicht überreagieren, sondern
Nordkorea zu einer möglichst raschen Wiederaufnahme der
Sechs-Parteien-Gespräche drängen." Am 15. Februar meinte die
Yomiuri zudem: "Japan hat jetzt keine andere Wahl als Sanktionen
gegenüber Nordkorea zu verhängen - eine Situation, die Nordkorea
durch sein eigenes Reden und Handeln heraufbeschworen hat."
Die Sankei (12. Februar) meinte: "Dies ist
eine unverzeihliche Herausforderung für den Frieden und die
Sicherheit der angrenzenden Länder einschließlich Japan. Nachdem es
sich sorgfältig mit den Vereinigten Staaten und anderen Ländern
beraten hat, sollte Japan Wirtschaftssanktionen verhängen ... Wir
müssen den Zusammenhalt zwischen Japan und den Vereinigten Staaten
weiter ausbauen und einen beharrliche Diplomatie verfolgen, die zur
Zusammenarbeit mit den angrenzenden Ländern China, Südkorea und
Russland aufruft."
Die Nihon Keizai (11. Februar) meinte
kritisch: "Dies ist ein empörender Akt, und er kann von der
internationalen Gemeinschaft nicht hingenommen werden." Sie fuhr
fort: "Es ist notwendig, Nordkorea nachdrücklich dazu zu bewegen,
seine Haltung zu ändern, und zwar durch die entschlossene Haltung
der fünf Staaten Japan, die Vereinigten Staaten, Südkorea, China und
Russland, dass man dazu bereit ist, über den Weg des
VN-Sicherheitsrates Sanktionen zu verhängen."
(Copyright 2005 Foreign
Press Center Japan)
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