Japan Brief des Foreign Press Center Japan
Japan Brief, FPC Nr. 0520
17.03.2005
Livedoor strebt
Kontrolle über Nippon Broadcasting System an – erbitterter
Übernahmekampf hält Japan in Atem und wirft Fragen zu Japans
Unternehmensstruktur auf
Das Übernahmeangebot des
aufstrebenden Internetunternehmens Livedoor für einen dem mächtigen
Medienkonzern Fujisankei Communications Group zugehörigen
Radiosender scheint zu einem bitteren Kampf zu führen, der die
Nation in Atem hält und die Grenzen der japanischen
Unternehmensstruktur aufzeigt. Neben dem emotionalen Kampf des neuen
gegen das alte Japan, förderte die Auseinandersetzung zahlreiche
offene Fragen hinsichtlich der Unternehmensgesetzgebung zu Tage, auf
die Regierung und Parlament auf eine Weise zu reagieren versuchen,
die die Medien als unsinnig und überzogen bezeichnen und zudem
internationalen Auswirkungen befürchten.
Dies alles nahm am einem
Februarmorgen seinen Anfang, als Livedoor Co., ein
Internetdienstleister, außerhalb der Handelszeiten 37,85% der
Aktienanteile von Nippon Broadcasting System Inc. aufkaufte.
Obgleich NBS lediglich einen Teil des mächtigen Medienimperiums
Fujisankei Communication Group unter Führung von Fuji Television
Network – Japans profitabelstem Senderverbund – bildet, hält der
Radiosender 22,5% der Anteile von Fuji Television und ist mit diesem
eng verknüpft. Fuji TV hielt zum Zeitpunkt des Kaufs durch Livedoor
13,34% von NBS. Das Ziel von Livedoor scheint damit die Übernahme
der gesamten Mediengruppe.
Die Ursache für die gesteigerte
Aufmerksamkeit, die das Ereignis zu nationalem Interesses erhebt,
besteht darin, dass es in Japan nur selten feindliche Übernahmen
gibt und diese nun in der Medienwelt und ausgerechnet durch einen
jungen selbstsicheren Gründer einer Internetfirma stattfindet. Der
jungenhafte Präsident der florierenden Livedoor, der 32jährige
Takafumi Horie, erscheint der Nation – insbesondere der jüngeren
Generation - als ein Held, der die alte Unternehmerriege und das
Medienestablishment herausfordert. Auch viele ältere Japaner sehen
ihn in diesem schmeichelhaften Licht.
Nach der kontroversen Übernahme en
block fuhr Livedoor fort, NBS-Anteile an der Börse zu erwerben und
scheint nun bereits die Mehrheit der Stimmrechte innezuhaben, die es
ihm ermöglichen, Direktoren zu ernennen und die Kontrolle über das
NBS-Management zu übernehmen. Fuji TV hat sich inzwischen über eine
Ausschreibung 36,5% der NBS-Anteile gesichert, was es Livedoor
erschwert, seinen Einfluss auf relevante Entscheidungen über NBS auf
ganz Fuji Television auszuweiten.
Ein erheblicher Rückschlag für NBS
und Fuji Television war der Erlass einer einstweiligen Verfügung des
Landgerichts Tokyo gegen die Entscheidung von NBS zur Emission einer
großen Anzahl von Fuji-Television-Optionsscheinen, um auf diese
Weise den Anteil von Livedoor an NBS zu senken. Das Landgericht
wertete die Neuauflage von Optionsscheinen als rechtswidrig für alle
Aktienhalter – Livedoor eingeschlossen – da sie weniger auf den
Schutz des Unternehmenswerts als den des alten NBS-Managements
abzielte. Obgleich Wirtschaftskreise grundsätzlich das
unberechenbare Verhalten (gemessen an den japanischen
Unternehmensstandards) von Livedoor missbilligen, unterstützte die
überwiegende Mehrheit der Unternehmensvorstände die richterliche
Entscheidung. Wie ein Kommentar der Mainichi Shimbun vom 24.
Februar zeigte, die als erste die Rechtmäßigkeit der Emission
anzweifelte, unterstützten die Medien gleichfalls den Urteilsspruch.
An dieser Stelle scheint das
fehlerhafte japanische Unternehmensrecht oder aber dessen Anwendung
in Frage gestellt zu werden. Ein Punkt betrifft den Blockkauf von
NBC-Aktien durch Livedoor außerhalb der Börsenzeiten. Der
Aktienhandel außerhalb der Geschäftszeiten der Tokyoter Börse wurde
ursprünglich eingeführt, um den reibungslosen An- und Verkauf großer
Aktienpakete unter Großinvestoren zu gewährleisten. Niemand wagte es
bislang, diesen für eine Übernahme zu nutzen, wie es nun Livedoor
tat. Sei es wie es sei – die Rechtslage verbietet Transaktionen
außerhalb der Börsenzeiten zu Geschäftsübernahmen nicht
ausdrücklich. Es stellt sich nun die Frage, ob man eine solche
Grauzone beibehalten sollte. Die Regierung bemüht sich
schnellstmöglich um eine notwendige Änderung des Börsengesetzes – im
Falle von Livedoor-NBS kommt dies jedoch zu spät.
Was nun im Zusammenhang mit dem
Wirbel um die feindliche Übernahme von NBS auf die
Unternehmensvorstände zurückfällt, ist die Tatsache, dass man weder
von Seiten der Gesetzgebung noch von Seiten der Unternehmen selbst
auf einen solchen Bieterstreit vorbereitet war. Das liegt vermutlich
daran, dass es in Japan in der Vergangenheit nur wenige feindliche
Übernahmen gab. Es herrscht die Überzeugung vor, dass sich
feindliche Übernahmen nicht mit der japanischen Unternehmenskultur
vereinbaren ließen.
Livedoors kühner Handstreich führte
solche Vorurteile ad absurdum und löste innerhalb der
Unternehmensspitzen hektisches Bemühen zum Schutz vor potentiellen
Übernahmen aus. Die unterschwellige japanische
Ausländerfeindlichkeit wurde dabei um so mehr geschürt, da Livedoor
das nötige Kapital zum Kauf der NBC-Anteile über die Lehman
Brothers, einer US-Investment-Bank, mobilisierte.
All dies vollzog sich während der
Bemühungen zur Lockerung der Regelungen, um Fusionen und Übernahmen
(M & A) in dem Glauben zu erleichtern, diese stellten legitime
Mittel zur Wiederbelebung der japanischen Industrie und Wirtschaft
dar. Livedoors Vorgehen hat diesem Trend vorerst ein abruptes Ende
gesetzt; verstimmte die Politiker der konservativen
Liberaldemokratischen Partei erheblich und zeigte die Grenzen
japanischen Unternehmensrechts auf. Die japanische Regierung
entschied somit die Liberalisierung der sogenannten
„Dreiangel-Fusion“ zumindest bis 2007 zurückzustellen. In deren
Rahmen kann ein ausländisches Unternehmen im Ausland gehandelte
Aktien zur Kapitalbeschaffung für Übernahmen in Japan durch seine
japanische Tochterunternehmen verwenden.
Die Verschiebung – die
offensichtlich darauf hinzielt, japanischen Unternehmen Zeit für
Maßnahmen gegen potentielle feindliche Übernahmen einzuräumen – wird
allgemein als unsinnig gewertet, da „Dreiangel-Fusionen“ an erster
Stelle einvernehmlichen Übernahmen dienen und es keinen Anlass gibt,
insbesondere ausländische Firmen zu fürchten. Die Nihon Keizai
Shimbun kritisierte in ihrer Ausgabe vom 16. März die
Verschiebung und bezeichnete das Vorhaben als „Überreaktion“ und
„von Ausländerfeindlichkeit geprägt“. In der vorgeschlagenen
Überarbeitung des Börsengesetzes „soll die Änderung des M &
A-Systems als wichtigste Maßnahme zur Deregulierung vor allem die
Hoffnungen der Wirtschaft auf eine Erleichterung von Investitionen
ausländischer Unternehmen in Japan und der industriellen
Reorganisation erfüllen“.
Bei allen durch das Übernahmedrama
verursachten Kontroversen ist interessanterweise kaum bekannt
geschweige denn diskutiert worden, wie Livedoor sein
Internetgeschäft mit den konventionellen Medien wie Radio und
Fernsehen – und in diesem konkreten Falle mit der Sankei Shimbun,
einer landesweiten Tageszeitung mit einer Auflage von mehr als 2
Millionen, die Fuji Television gehört – zu verbinden gedenkt. Taro
Yamada, Kritiker und ehemaliger leitender Angestellter einer
Nachrichtenagentur, schrieb am 16. März in der Sankei Shimbun,
indem er Livedoors Horie mit den Worten zitierte, er wolle
„Zeitungen und Fernsehen durch das Internet ersetzen“: „Es scheint,
dass dieser Mann die Rolle des Journalismus und den Wert der Sprache
nicht schätzt.“
Diese Meinung teilte ein
Korrespondent der Mainichi Shimbun, der am 17. März unter
Bezugnahme auf eine Äußerung Hories in einem seiner früheren
Interviews schrieb: „Herr Horie sagte, das Internet hätte die
Notwendigkeit des Journalismus in seiner bisherigen Form überflüssig
gemacht – was ich stark bezweifle.“
(Copyright
2005, Foreign Press Center, Japan)
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