Botschaft von Japan











Der Botschafter



Konsularisches



Der Botschafter
Pressemitteilungen
Publikationen
Pressespiegel
Aus den japanischen Medien



Austauschmöglichkeiten



Kulturtipps



Deutsch-Japanische Beziehungen



Informationen über Japan



Links



Japanisches Aussenministerium


Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


23
. 01. 2006
 

Notwendigkeit für bessere Kontrolle und Disziplin angesichts der Erschütterung des japanischen Aktienmarktes durch "Livedoor-Schock"

Es war wie ein schweres Erdbeben, das Japans Aktienmarkt und Anleger in Panik versetzte. Ausgelöst durch den plötzlichen Kurssturz der hoch bewerteten Livedoor-Aktie am 17. Januar aufgrund der Meldung, dass Ermittler der Staatsanwaltschaft Tokyo angebliche illegale Finanzpraktiken des Unternehmens untersuchen, stellte sich die Panik letztendlich nur als kurzlebig heraus. Allerdings machte sie die Schwächen, die dem japanischen Aktienmarkt und dem aktuellen Investitionsboom innewohnen, deutlich. Die Angst der zwei Tage, in denen die Aktienpreise in Tokyo fielen und der Nikkei 225-Aktienindex mehr als 900 Punkte oder 5,8 % verlor, werden wahrscheinlich als "Livedoor-Schock" in Erinnerung bleiben. Diese Krise machte zugleich die Mängel bei der rechtlichen Infrastruktur und beim Kontrollsystem des japanischen Aktienmarktes als auch bei den Kapazitäten der Börse von Tokyo deutlich, so dass nun Rufe nach Verbesserungen zu vernehmen sind.

Der Schock war umso stärker zu spüren, weil er auf dem Höhepunkt eines seit Monaten anhaltenden Kursanstiegs an der Börse von Tokyo auftrat, in dessen Verlauf der Index im neuen Jahr täglich höher kletterte und schließlich ein Fünfjahreshoch erreichte. Ein weiterer Grund war, dass er durch etwas ausgelöst wurde, was sich wahrscheinlich als ruinöser Skandal um Livedoor herausstellen dürfte. Livedoor ist ein aufstrebendes Firmenkonglomerat mit Aktivitäten in den Bereichen Internet und Finanzen, das bislang den Geschäftsstil einer neuen Generation in Japan symbolisierte und als Motor des Aktienbooms unter Führung neuer Unternehmen der IT-Branche fungierte. Die Werte der drei Börsenbereiche, an denen diese Unternehmen einschließlich Livedoor notiert werden, wurden am stärksten getroffen.

Livedoor und ein weiteres der insgesamt 44 Unternehmen der Gruppe werden verdächtigt, gegen das Aktiengesetz verstoßen zu haben, indem sie Investoren im Zusammenhang mit dem Erwerb von sechs Unternehmen täuschten und ihre eigenen Unterlagen fälschten, um einen Verlust in einen Gewinn umzuwandeln - alles mit der Absicht, den Aktienwert von Livedoor zu steigern, den das Unternehmen für seine geplanten Fusionen und Übernahmen zur weiteren Ausweitung des Firmenimperiums verwendete. Abhängig vom Ausgang der Untersuchung könnte das Unternehmen von dem Bereich der Börse von Tokyo, wo die Start-up-Unternehmen notiert werden, ausgeschlossen werden.

Symbol von Livedoor ist sein 33 Jahre junger Gründer und Chef Takafumi Horie, der mit seinem extravaganten und mutigen Unternehmergebaren und Lebensstil ein soziales Phänomen darstellte und der nicht nur von den Menschen seiner Generation, sondern auch von Älteren gelobt und bewundert wurde. Er machte Schlagzeilen, als er ein Profi-Basketballteam erwerben wollte und sich bei einer versuchten feindlichen Übernahme mit dem Medienriesen Fuji Television anlegte. Er wurde eine derart berühmte Persönlichkeit, dass Ministerpräsident Junichiro Koizumi und die Liberaldemokratische Partei (LDP) ihm eine Kandidatur bei der Unterhauswahl im letzten Jahr antrugen. (Er trat als unabhängiger Kandidat mit Unterstützung der LDP an.) Falls Horie verhaftet und zu einem gefallenen Idol werden sollte, dürfte dies Auswirkungen sowohl gesellschaftlicher als auch wirtschaftlicher Natur haben, vielleicht sogar mehr.

Während Horie für sein kühnes Vorgehen gelobt wurde, löste dieses zugleich jedoch auch eine Kontroverse sowie einige Zweifel über ihre Berechtigung, wenn nicht sogar Rechtmäßigkeit aus. Stock Splits von 1 bis 10.000 im Zeitraum eines Jahres sowie Transaktionen außerhalb der Handelszeiten für den Erwerb von Anteilen an Nippon Broadcasting System (NBS), einem Radiosender von Fuji Television, sind die bekanntesten Beispiele. Die Yomiuri Shimbun zeigte sich diesbezüglich unnachgiebig gegenüber Horie und meinte in ihrem Leitartikel vom 17. Januar: "Horie ist mit seinen extravaganten Äußerungen und seinem Verhalten beim Versuch, ein professionelles Basketballteam zu kaufen sowie Anteile von NBS zu erwerben, der Star unserer Zeit geworden. Allerdings kritisieren ihn manche für sein ‚antisoziales' Verhalten, das darauf beruht, dass ‚alles möglich ist, solange es legal ist.' Wir hoffen, dass die Fahnder die ganze Wahrheit hinter den jüngsten Vorgängen ans Licht bringen." Die Nihon Keizai Shimbun forderte am 19. Januar "drastische Maßnahmen der Behörden und der Wertpapierbranche, um die Disziplin des Marktes gegen Verdächtigungen über Verfehlungen eines öffentlich gehandelten Unternehmens zu schützen, das den Markt zu einem kritischen Zeitpunkt, als die Haushalte gerade begannen, von Spareinlagen zu Investitionen zu wechseln, schädigte." 

Zum selben Thema brachte die Nihon Keizai Shimbun am 22. Januar einen langen Leitartikel unter der Überschrift "Zeit für die Gestaltung einer original japanischen Version der SEC", dessen Zusammenfassung wie folgt lautet:

Der angebliche Verstoß der Livedoor-Gruppe gegen das Wertpapier- und Börsengesetz entwickelt sich zu einem Wertpapierskandal bislang unbekannten Ausmaßes. Es ist erschreckend, dass sowohl die Gesetze und Vorschriften als auch die Kontroll- und Aufsichtsfunktionen des Aktienmarktes nicht in der Lage waren, das Verhalten der notierten Unternehmen zu disziplinieren. Den problematischen Praktiken, die Livedoor unterstellt werden, ist gemeinsam, dass sie das System und den Markt missbrauchen und von Aktienpreisen profitieren, die durch den Betrug von Anlegern manipuliert wurden und auf den ersten Blick nicht illegal erscheinen. Wir hoffen, dass die Ermittler die ganze Wahrheit dieser so genannten "Alchemie" ans Licht bringen, die den Aktienmarkt für sich selber nutzt, und der Gerechtigkeit zu ihrem Recht verhilft, wenn illegale Praktiken entdeckt werden. Auch wenn auf die problematische Natur dieses dubiosen Vorgehens, das der internationalen Glaubwürdigkeit des japanischen Aktienmarktes schweren Schaden zufügen kann, bereits vor einiger Zeit hingewiesen wurde, ist es offensichtlich, dass das Amt für Finanzdienstleistungen und die Kontrollkommission für Wertpapiere und Börsen nicht ernsthaft genug versucht haben, das möglicherweise illegale Vorgehen von Lifedoor aufzudecken und zu unterbinden. Japans Wirtschaftskreisen mangelt es insgesamt an einem ausgewogenen Gleichgewicht zwischen Freiheit und Verantwortung. Ein typisches Beispiel dafür ist die fehlende Disziplin des Aktienmarktes, die durch den Lifedoor-Fall ans Licht gekommen ist. Die Kontrollkommission für Wertpapiere und Börsen, die hinsichtlich ihrer Autorität und Machtbefugnisse bei weitem nicht an die US-amerikanische Securities and Exchange Commission (SEC) heranreicht, sollte rasch in eine stärkere Behörde mit unabhängigen Machtbefugnissen in der Art der SEC reformiert werden.

Das Phänomen Livedoor ist eng mit dem Auftreten von Massen von Anlegern im Internet verbunden. Es gibt eine sehr hohe Zahl von privaten Anlegern, viele von ihnen so genannte Day Traders, die ständig kleinere Mengen an Aktien handeln. Der Anstieg der Aktienwerte seit letztem Sommer wurde grundsätzlich durch das zunehmend stärker werdende Vertrauen in die Zukunft der japanischen Wirtschaft gestützt, jedoch bekam er zusätzlichen Schwung durch diese privaten Anleger sowie Anleger aus dem Ausland, was manche bereits zu der Sorge verleitete, dass es zu einer Überhitzung kommen könnte. Nach Ansicht einiger Leute könnte der boomende Markt verwundbar sein, und der Livedoor-Schock stützt diese Ansicht noch weiter. Die Sankei Shimbun meinte in ihrem Leitartikel vom 19. Januar: "Wir hoffen, dass dieses Ereignis als Schocktherapie für den Aktienmarkt wirken wird, der sich in gefährlicher Weise als zerbrechlich herausstellen könnte." Die Mainichi Shimbun meinte unterdessen in ihrem Leitartikel vom selben Tag: "Es gilt als positiv für den Markt, dass die Liquidität bei den Transaktionen zunimmt; allerdings sollte der Internethandel einschließlich seines Einflusses auf Preisinformationen neu überdacht werden."

Börse von Tokyo wegen unzureichender Kapazitäten heftig kritisiert

Der Livedoor-Schock hat die Unzulänglichkeiten und Defizite der Tokyoter Börse (Tokyo Stock Exchange, TSE), der zweitgrößten Börse der Welt, deutlich gemacht, als Internethändler am 17. Januar panikartig Verkaufsorders für insgesamt 4,5 Mio. Verkäufe ausgaben und damit die Kapazitätsgrenzen der Börsencomputer erreichten. Dies zwang die TSE dazu, alle Transaktionen zwanzig Minuten vor dem regulären Handelsschluss um 15.00 Uhr aufzuheben. Ein solches Vorgehen hat es bei einer führenden Börse weltweit noch nie gegeben, so dass dieser Schritt scharfe Kritik von Seiten der Anleger, Händler und der Regierung nach sich zog.

Die Kritik war um so heftiger, weil die TSE gerade erst wegen eines Ausfalls ihres Computersystems sowie wegen ihres Unvermögens, eine Fehlorder aufzuheben, angegriffen worden war. Kaoru Yosano, Staatsminister für Finanzdienstleistungen schloss sich der Kritik an und meinte: "Ein Markt, der nicht in der Lage ist, Transaktionen am Laufen zu halten, ist kein Markt." Der Präsident der TSE, Taizo Nishimuro entschuldigte sich in aller Öffentlichkeit und versprach die Kapazitäten der Börse bis Ende des Jahres auf acht Millionen Transaktionen aufzustocken.

Die Medienkommentare konzentrierten sich sowohl auf die Mängel der TSE als auch auf das Debakel um Lifedoor. "Die Unterbrechung des Börsenhandels aufgrund eines beispiellosen Ansturms von Seiten privater und ausländischer Anleger hat die fragile Struktur des Marktes deutlich gemacht." meinte die Nihon Keizai Shimbun in ihrem Leitartikel vom 19. Januar, und sie machte die TSE für die verspätete Ausweitung ihrer Kapazitäten verantwortlich, da sie es versäumt habe, "mit dem umfassenden Wandel innerhalb der Marktstruktur" Schritt zu halten. Die Asahi Shimbun nannte es in ihrem Leitartikel vom selben Tag eine Schande, dass die TSE die Transaktionen einstellen musste, weil sie nicht länger in der Lage war, Orders anzunehmen: "Diese Krise hat ihr Ansehen als ein führender internationaler Markt erheblich beschädigt." Die Zeitung meinte weiter: "Nichts verschreckt Anleger mehr als mangelnde Transparenz und Stabilität... Indem das Management der TSE dabei versagt, diese Wirren zu meistern, hat es der ganzen Welt seine Beschränktheit vor Augen geführt."

Zur großen Erleichterung der Börsianer und Anleger erholte sich der Aktienmarkt am 19. Januar, zwei Tage nach dem Schock, wieder und der Nikkei machte 355 der zwei Tage zuvor verlorenen 926 Punkte wieder gut. Diese Erholung gilt als Beweis für das große Vertrauen in die Zukunft der japanischen Wirtschaft und die fundamentale Stärke des Aktienmarktes. Auch die Regierung zeigte sich erleichtert, da sie befürchten musste, dass eine länger andauernde Schwäche des Aktienmarktes die Wirtschaft beeinträchtigen könnte, die - gestützt auf höhere Aktienpreise - derzeit von einem stärkeren Konsum profitiert.

(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)

 

 

zum Überblick über JAPAN BRIEF