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Neues aus Japan Nr.69 August 2010

Die NVV-Überprüfungskonferenz

- Abschlussdokument rettet NVV-Regime


Im Mai 2010 begann im Sitz der Vereinten Nationen in New York die „Überprüfungskonferenz zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen“ (NVV; engl. Non-Proliferation Treaty: NPT), in der es um die nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung sowie um die friedliche Nutzung der Kernenergie ging. Diese Konferenz endete mit der einstimmigen Verabschiedung eines Abschlussdokuments einschließlich einer auf die Zukunft gerichteten „Agenda“. Dies ist die erste Übereinkunft in Bezug auf den Nichtverbreitungsvertrag seit zehn Jahren, und sie stellt einen großen Erfolg für die Verwirklichung einer Welt ohne Kernwaffen dar. Zusammen mit der Bedeutung dieses Erfolgs hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Situation angesichts der Nuklearproblematik behandelt dieser Beitrag auch die große Bedeutung der NVV-Überprüfungskonferenz.

 

Was ist eigentlich die NVV-Überprüfungskonferenz?
Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen bildet den zentralen Pfeiler des heutigen Regimes zur nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung. Er wurde 1968 zur Unterzeichnung freigegeben und trat 1970 in Kraft. Der NVV berücksichtigt durchaus die Realität, dass auf dieser Erde bereits Kernwaffen existieren. Das Engagement der sogenannten Kernwaffenstaaten, denen laut NVV der Besitz von Kernwaffen zugebilligt wird (Vereinigte Staaten, Russland, Großbritannien, Frankreich und China) zur Verringerung ihrer Kernwaffen (nukleare Abrüstung), das Engagement zur Verhinderung der weiteren Verbreitung von Kernwaffen und deren Materialien und Technologien (nukleare Nichtverbreitung) sowie das Engagement zur friedlichen Nutzung der Kernenergie durch die Vertragsstaaten (friedliche Nutzung der Kernenergie) bilden die drei Säulen dieses Vertrags. Beim Inkrafttreten des Vertrags im Jahr 1970 wurde seine Laufzeit auf 25 Jahre festgesetzt, jedoch wurde bei der NVV-Überprüfungs- und Verlängerungskonferenz 1995 beschlossen, den Vertrag unbefristet zu verlängern. Seit 1975 finden alle fünf Jahre Überprüfungskonferenzen der Vertragsstaaten statt, bei denen der Stand der Umsetzung des Vertrags überprüft sowie die Richtung der künftigen Entwicklung vorgegeben werden. Die Vertragsstaaten diskutieren im Rahmen der Überprüfungskonferenzen verschiedene Probleme im Zusammenhang mit dem NVV und engagieren sich gleichzeitig für die nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung.

 

NVV-Regime - weltweite Entwicklung

 

Das Hin und Her bei der NVV-Überprüfungskonferenz
Angesichts der bestehenden schwierigen Situation mit Blick auf die Nuklearproblematik gab es bei den verschiedenen Überprüfungskonferenzen ein Hin und Her. Bei der Überprüfungskonferenz im Jahr 2000, die nach den Nuklearversuchen Indiens und Pakistans (1998) stattfand, war es dank der zähen Verhandlungen der Vertragsstaaten noch gelungen, ein Abschlussdokument zu verabschieden, das Maßnahmen zur nuklearen Abrüstung enthielt. Bei der nächsten Überprüfungskonferenz im Jahr 2005 wurde viel Zeit auf die Festlegung der Agenda verwendet, so dass die Zeit für die eigentlichen Diskussionen eher knapp bemessen war. Zugleich maß die damalige US-Regierung unter Präsident Bush der nuklearen Nichtverbreitung höhere Priorität bei als der nuklearen Abrüstung. Von Beginn an herrschte daher die Prognose vor, dass über die Einigung von 2000 hinausgehende Inhalte eher nicht zu erwarten seien. Dies alles trug nicht zu einer Atmosphäre bei, die die Suche nach einem Kompromiss erleichterte. Zudem bestand bezüglich der iranischen Nuklearproblematik sowie der Behandlung einer Resolution zum Nahen und Mittleren Osten ein tiefer Gegensatz. Aus diesem Grund konnte man sich nicht auf ein neues Abschlussdokument einigen, was letztendlich einen schweren Schlag für das NVV-Regime bedeutete. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 nahm andererseits die Wahrscheinlichkeit des nuklearen Terrorismus zu; auch die Nuklearproblematik in Bezug auf Nordkorea und Iran verschärfte sich, und der Klimawandel sowie die steigenden Ölpreise führten dazu, dass die Stromerzeugung durch Kernenergie weltweit neu bewertet wurde („nukleare Renaissance“). Die Situation mit Blick auf das NVV-Regime erlaubte aus diesen Gründen keinen weiteren Aufschub.

 

Positive Dynamik für die nukleare Abrüstung
Angesichts dieser Situation stellte die Rede von US-Präsident Obama in Prag im April 2009 einen Wendepunkt dar, der das weltweite Interesse an der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung wieder weckte.
Präsident Obama erklärte in seiner Rede, die Existenz mehrerer Tausend nuklearer Gefechtsköpfe stelle ein Erbe des Kalten Krieges dar, von dem die größte Gefahr ausgehe, und er machte mit großem Nachdruck die Entschlossenheit der Vereinigten Staaten deutlich, eine friedliche und sichere Welt ohne Nuklearwaffen anzustreben. Diese Rede bildete den Beginn einer positiven Dynamik in Bezug auf die nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung und führte dazu, dass die große Bedeutung des NVV-Regimes erneut erkannt wurde. Im März 2010 verabschiedeten die Außenminister der G8 eine Erklärung mit einer „eindeutigen Unterstützung des NVV-Regimes“ und im April fand der Gipfel über nukleare Sicherheit statt, auf dem über Maßnahmen gegen nuklearen Terrorismus beraten wurde. Zudem unterzeichneten die Vereinigten Staaten und Russland einen neuen Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen (neues START-Abkommen) und zeigten Schritte für eine konkrete nukleare Abrüstung auf. Diese Entwicklungen verliehen der anschließend im Mai stattfindenden NVV-Überprüfungskonferenz großen Schwung.

 

Erfolg der NVV-Überprüfungskonferenz 2010
Die im Mai 2010 beginnende Überprüfungskonferenz, die die Erwartungen und die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf sich zog, tagte unter dem Vorsitz des philippinischen Botschafters bei den Vereinten Nationen, Libran N. Cabactulan, etwa vier Wochen lang. In der ersten Woche hielten Staats- und Regierungschefs sowie Außenminister zahlreicher Länder Reden. So kündigte US-Außenministerin Clinton als konkreten Schritt für die nukleare Abrüstung die Veröffentlichung der Zahl der Nuklearsprengköpfe an. Auch danach wurden die Gespräche zunächst ohne Probleme fortgeführt. Als aber in der zweiten Hälfte der Tagungsperiode die Verhandlungen über die konkrete Formulierung des Abschlussdokuments begannen, schälten sich aufgrund der unterschiedlichen Positionen der insgesamt 190 Vertragsstaaten allmählich die Gegensätze heraus. Streitpunkte der diesmaligen Überprüfungskonferenz waren u.a. die Fragen, wie die Kernwaffenstaaten Maßnahmen zur nuklearen Abrüstung voranbringen können, wie mit der regionalen Nuklearproblematik in Bezug auf Iran und Nordkorea sowie mit einer Massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten umgegangen werden soll, wie auf das Problem des Austritts eines Staates aus dem NVV reagiert wird sowie schließlich, wie das Zusatzprotokoll in Bezug auf die unangemeldeten Inspektionen von Nuklearanlagen durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) weiter verbreitet und zur weltweiten Norm gemacht werden kann. Mit Blick auf diese Fragen waren die Auffassungen der Kernwaffen- sowie der Nichtkernwaffenstaaten, aber auch der Industriestaaten und der Entwicklungsländer weit voneinander entfernt, so dass eine schwierige Situation entstand, in der man sich fragen musste, ob letztendlich ein Konsens gefunden werden kann.

 

Wichtigste Streitpunkte bei der NVV-Überprüfungskonferenz

 

Erstmals seit zehn Jahren wieder Verabschiedung eines Abschlussdokuments
Allerdings hatte man diesmal Lehren aus dem Scheitern von 2005 gezogen, so dass es nach zähen Verhandlungen zwischen den Vertragsstaaten gelang, ein Abschlussdokument zu verabschieden, das eine konkrete „Agenda“ für die Zukunft enthält. Damit konnte die Konferenz nach zehn Jahren endlich wieder einen großen Erfolg verzeichnen. Im nun verabschiedeten Abschlussdokument wurden die 2000 vereinbarten Inhalte erneut bestätigt; zudem verpflichteten sich alle Staaten eindeutig dazu, gemeinsam abgestimmte Maßnahmen zur Verwirklichung des Ziels „einer Welt ohne Kernwaffen“ anzustreben. Darüber hinaus wurde die Durchführung einer Konferenz zur Gestaltung einer kernwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten (2012) unterstützt, und auch die Kernwaffenstaaten wurden aufgefordert, konkrete Schritte für die nukleare Abrüstung zu ergreifen. Über die entsprechenden Fortschritte soll 2014 dem Vorbereitungsausschuss für die nächste NVV-Überprüfungskonferenz berichtet werden. (Nähere Einzelheiten zum Abschlussdokument und zur Agenda finden Sie hier. Link zum jap. Außenministerium – engl.) Auch eine „Bewertung“ der Situation der Umsetzung des NVV wurde verabschiedet, allerdings beschränkte man auf Entschluss des Vorsitzenden darauf, dieses Dokument „zur Kenntnis zu nehmen“.

 

Die große Bedeutung der Rettung des NVV-Regimes
Andererseits fand die Nuklearproblematik Irans, der entgegen einer Resolution des VN-Sicherheitsrates seine Aktivitäten zur Urananreicherung fortsetzt, keine Erwähnung. Auch die Formulierungen zur genauen Einhaltung sowie zum Austritt aus dem NVV wurden eher abgeschwächt. Dies gilt auch in Bezug auf die Stärkung der Funktionen der IAEA (und hier insbesondere mit Blick auf die allgemeine Verbreitung des IAEA-Zusatzprotokolls), die als Aufgabe für die nächste Konferenz bestehen bleibt. Insgesamt aber kann es als sehr bedeutsam bezeichnet werden, dass sich die 190 Vertragsstaaten trotz ihres unterschiedlichen Entwicklungsstandes und ihrer gegensätzlichen Positionen in Bezug auf die Nuklearproblematik auf die Verabschiedung eines Abschlussdokuments einigten und so das NVV-Regime vor einer schweren Krise bewahrten.

 

Der Vorsitzende der Konferenz, Libran N. Cabactulan

 

Japans Vorschlag findet sich im Abschlussdokument wieder
Anlässlich der diesjährigen NVV-Überprüfungskonferenz hatte Japan den Vereinten Nationen insgesamt vier Arbeitspapiere vorgelegt. Konkret waren dies das „Neue Paket von Maßnahmen für eine praktikable nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung“, das zusammen mit der australischen Regierung vorgelegt wurde und eine Verringerung der Zahl der nuklearen Sprengköpfe im Besitz der Kernwaffenwaffenstaaten sowie eine Verminderung der Rolle dieser Waffensysteme fordert, Dokumente mit Blick auf den „Ausbau der Sicherheitsmaßnahmen der IAEA“ sowie hinsichtlich der „Technischen Zusammenarbeit mit der IAEA“ und schließlich ein Arbeitspapier zur „Bildung zum Thema Abrüstung und Nichtverbreitung“, das die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Förderung von Bildung zu diesem Thema sowie die Notwendigkeit des Zusammenwirkens mit den Regierungen unterstreicht. Diese Dokumente spiegeln sich im nun verabschiedeten Abschlussdokument wider und können daher als sichtbarer Beitrag Japans bezeichnet werden. In der letzten Phase der Konferenz gab Japan zudem zusammen mit Australien, Österreich, Deutschland, der Republik Korea und Neuseeland eine gemeinsame Erklärung der Außenminister heraus, in der alle Staaten zur Geschlossenheit beim Erzielen einer Übereinkunft aufgerufen wurden. Zudem wirkte Japan in enger Weise mit den Vereinigten Staaten und Russland sowie auch mit der Republik Korea und China zusammen, was sich in der Aufnahme einer nachdrücklichen Botschaft in Bezug auf die Nuklearproblematik Nordkoreas im Abschlussdokument manifestierte.

 

Japans Rolle als einziges Land, das Opfer von Atombomben wurde
Die diesjährige NVV-Überprüfungskonferenz fand inmitten einer weltweit zu beobachtenden positiven Dynamik mit Blick auf die nukleare Abrüstung statt. Damit stand sie stärker als früher im Fokus der Erwartungen und der Aufmerksamkeit. Während der Tagungsdauer der Konferenz kamen viele japanische Opfer der Atombombenabwürfe nach New York, um eine Erklärung zur Abschaffung aller Kernwaffen zu veröffentlichen, die sich an die Überprüfungskonferenz richtete. Darüber hinaus fand eine Reihe von Nebenveranstaltungen statt. So berichteten Überlebende aus Hiroshima und Nagasaki in New Yorker Oberschulen über ihre Erlebnisse bei den Bombenabwürfen. Auch gab es die Präsentation einer computeranimierten Rekonstruktion der Stadt Hiroshima vor der Bombardierung. Auf diese Weise wurden die Menschen weltweit zur Achtung des Friedens aufgerufen. Als einziges Land, das Opfer von Atombomben wurde, fühlt Japan sich dazu verpflichtet, Gelegenheiten wie diese in höchstem Maße dazu zu nutzen, über die Grenzen von Ländern und Generationen hinweg die Geschichte zu vermitteln, damit sich die Tragödien von Hiroshima und Nagasaki nicht wiederholen. Für die nächste NVV-Überprüfungskonferenz 2015 muss die internationale Gemeinschaft die „Agenda“ im Rahmen des nun vereinbarten Abschlussdokuments Schritt für Schritt umsetzen und ihr Engagement für eine „Welt ohne Kernwaffen“ verstärken. Japan ist gefordert, sich hierfür aktiv einzusetzen.

 

Die NVV-Überprüfungskonferenz 2010.

 

Anmerkung:
Der vorliegende Beitrag erschien am 02. 07. 2010 als 60. Folge der Informationsserie „Die internationale Situation verstehen!“ auf der Webseite des Außenministeriums von Japan. Er wurde für Neues aus Japan ins Deutsche übersetzt.

 

 


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