
Rede von Außenminister Koichiro Gemba zur japanischen Außenpolitik anlässlich der Eröffnung der 180. Sitzungsperiode des Parlaments am 24.01.2012
Verehrte Abgeordnete,
im Folgenden möchte ich Ihnen die Grundlinien der Außenpolitik unseres Landes erläutern.
Einleitung
Seit meinem Amtsantritt als Außenminister habe ich die größtmögliche Wahrung der Interessen Japans angestrebt und mich mit ganzer Kraft für eine „Außenpolitik der Resultate“ eingesetzt, bei der dem Erzielen von stetigen Ergebnissen eine besondere Bedeutung beigemessen wird. Auch während unser Land mit dem Wiederaufbau nach dem schweren Erdbeben befasst ist, sind innerhalb der internationalen Gemeinschaft viele neue Situationen entstanden wie z.B. das Aufstreben der Schwellenländer, die Diversifizierung der international agierenden Akteure, die bahnbrechenden Fortschritte in der IT-Technologie, die Wirtschaftskrise in Europa oder die Entwicklungen im Bereich der Demokratisierung, wie sie am Beispiel des „Arabischen Frühlings“ zu beobachten ist. Zudem stehen in diesem Jahr Wahlen oder Regierungschefwechsel u.a. in den Vereinigten Staaten, in China, Südkorea, Russland und Frankreich an, so dass eine Reihe von Führungswechseln zu erwarten sind.
Die Interessen eines Landes ruhen auf den drei Pfeilern Sicherheit, Wohlstand und Werte. Damit Japan seine Interessen wahren kann, ist es neben unseren eigenen Anstrengungen auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik auch wichtig, die Risiken innerhalb der Region Asien-Pazifik, in der wir uns selbst befinden, möglichst zu verringern sowie gleichzeitig die Chancen für Wachstum so weit wie möglich auszuweiten. Hierfür muss Japan eine von Wohlstand und Stabilität geprägte Ordnung gestalten, die sich auf demokratische Werte stützt, während wir gleichzeitig den Wiederaufbau nach dem schweren Erdbeben vorantreiben, der seit letztem Jahr zu unseren großen Aufgaben gehört, und darüber hinaus inmitten eines gedeihlichen Zusammenlebens mit den anderen Staaten dieser Region die Erneuerung Japans anstreben.
Für den Wohlstand Japans ist die Gestaltung einer friedlichen und stabilen Welt unerlässlich. Hierfür aber müssen wir uns noch mehr darum bemühen, unsere eher nach innen gerichtete Haltung zu überwinden. So haben wir eine ganze Reihe von Aufgaben frontal in Angriff genommen. Beispielsweise wurde in Bezug auf die Mittel für staatliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA), deren Umfang in den vergangenen 14 Jahren um die Hälfte abgenommen hatte, eine Trendwende erreicht. Gleichzeitig gibt es auch einen personellen Beitrag durch die Entsendung von Angehörigen der Selbstverteidigungsstreitkräfte in den Südsudan, die Erstellung von Richtlinien für den Export z.B. von Rüstungsgütern oder die Aufnahme von Konsultationen mit den betreffenden Staaten für eine Teilnahme an den Verhandlungen über die Transpazifische Partnerschaft (TPP). Aber auch das Eindämmen der schädlichen Auswirkungen unbegründeter Gerüchte wie etwa Importbeschränkungen gehört dazu. So haben beispielsweise die durchschnittlichen Verkaufspreise für Vieh in Teilen der Präfektur Fukushima bereits wieder das Niveau vor dem schweren Erdbeben erreicht. Wir werden uns auch weiterhin mit Nachdruck auf diesem Gebiet einsetzen. Auch in diesem Jahr werden wir die Japan eigene besondere Fähigkeit zur Erstellung von Konzepten nutzen, um ein „Umkehrphänomen“ zu erzeugen, d.h. konkret die derzeitige Krise als Chance aufzufassen. So ist es zum Beispiel unerlässlich, den Wiederaufbau in den vom Erdbeben betroffenen Gebieten mit der Erneuerung ganz Japans zu verknüpfen oder etwa auch den Klimawandel als Chance dafür zu nutzen, Technologien Made in Japan weltweit zu verbreiten. Ich werde als Außenminister eine proaktive Außenpolitik verfolgen, die sich nicht auf die asiatisch-pazifische Region beschränkt, sondern die vielmehr in die ganze Welt hineinreicht.
Gestaltung einer von Wohlstand und Stabilität geprägten Ordnung in der Region Asien-Pazifik
Innerhalb Asiens ist das internationale Umfeld, das Japan umspannt, erheblichen Veränderungen unterworfen. Um die Chancen für Wachstum in der asiatisch-pazifischen Region weitestmöglich zu fördern und gleichzeitig die Risiken so gering wie möglich zu halten, ist es meiner Auffassung nach unerlässlich, gemeinsam mit den Staaten in der Region ein „offenes und vielschichtiges Netzwerk“ zu gestalten, das sich auf die Regeln des internationalen Rechts gründet.
Hierfür haben wir die kooperativen Beziehungen zu diesen Ländern gestärkt und zusätzlich dazu bestehende Foren wie den Ostasiengipfel (EAS) oder die Asiatisch-pazifische Wirtschaftszusammenarbeit (APEC) genutzt, um auf diese Weise zur Lösung gemeinsamer Aufgaben beizutragen.
Um auf den Wandel des internationalen Umfelds im 21. Jh. zu reagieren, werden wir zudem stetig prüfen, wie das japanisch-amerikanische Bündnis zur Gestaltung einer von Wohlstand und Stabilität geprägten Ordnung in der Region Asien-Pazifik beitragen kann.
Die Allianz zwischen Japan und den Vereinigten Staaten ist die zentrale Achse der Außen- und Sicherheitspolitik Japans. Sie bildet ein öffentliches Gut für die Stabilität und den Wohlstand in der asiatisch-pazifischen Region sowie weltweit. Beide Länder haben auf den verschiedensten Ebenen von Vertrauen geprägte enge Beziehungen gestaltet. Darauf aufbauend werden wir das japanisch-amerikanische Bündnis vor allem auf den Feldern Sicherheit, Wirtschaft sowie kultureller und personeller Austausch noch mehr vertiefen und weiterentwickeln.
Auf dem Gebiet der Sicherheit werden wir auf der Grundlage der „2+2-Konsultationen“ (Außen- und Verteidigungsminister Japans und der USA) die konkrete Kooperation in einem breiten Spektrum von Themen vorantreiben. Angesichts dessen, dass die in Japan stationierten US-Streitkräfte für die Aufrechterhaltung des für unser Land notwendigen Abschreckungspotenzials eine unabdingbare Rolle spielen, werden wir uns als Regierung bezüglich der Umgliederung der US-Streitkräfte in Japan einschließlich der Verlegung des Flugplatzes Futenma mit ganzer Kraft dafür einsetzen, das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger von Okinawa zu erlangen. Was die Reduzierung der Lasten von Okinawa anbelangt, so haben wir uns bisher schon in hohem Maße engagiert. So wurde etwa innerhalb des Gemeinsamen Japanisch-Amerikanischen Ausschusses ein neuer Rahmen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit gegenüber Angehörigen der US-Streitkräfte vereinbart. Wir sind entschlossen, auch weiterhin Schritt für Schritt sichtbare Resultate hervorzubringen.
Für ein offenes und vielschichtiges Netzwerk innerhalb der Region Asien-Pazifik ist auch die uneingeschränkte Teilnahme Chinas unerlässlich. In diesem Jahr begehen wir das 40-jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu China. Wir streben daher die weitere Vertiefung der strategischen Beziehungen zum beiderseitigen Nutzen an. Nicht nur für die Stabilität und das Gedeihen unserer Region allein, sondern für die Welt insgesamt ist es wichtig, dass China eine konstruktive Rolle spielt. Auch hierfür sind unsere beiden Länder übereingekommen, die Zusammenarbeit in einer Vielzahl von Bereichen auszubauen und beide setzen sich nun für konkrete Schritte ein. Der strategische Dialog und das Zusammenwirken der drei Akteure Japan, Vereinigte Staaten und China kommt zu einem Zeitpunkt, der für den Frieden und die Stabilität der Region niemals wichtiger war als gerade jetzt. Wir möchten nun den im vergangenen Jahr vorgeschlagenen Dialog zwischen Japan, den USA und China zusätzlich zu den bereits existierenden Rahmen Japan-China-Südkorea, Japan-USA-Südkorea, Japan-USA-Australien sowie Japan-USA-Indien ins Leben rufen.
Die Republik Korea ist unser wichtigster Nachbar, mit dem wir grundlegende Werte teilen. Zwar bestehen zwischen uns auch schwierige Fragen, jedoch ist es für Japan und Südkorea notwendig, auf der Grundlage eines zukunftsorientierten Denkens eine Kooperation zu gestalten, die von langfristigen Interessen geprägt ist. Die bilateralen Beziehungen müssen noch vielschichtiger und enger gestaltet werden, und wir werden den Personenaustausch zwischen beiden Ländern unter Einschluss der Ebene der Regierungschefs und Minister sowie den kulturellen Austausch noch aktiver gestalten. Das Problem der Insel Takeshima kann nicht über Nacht gelöst werden, jedoch werden wir selbstverständlich der südkoreanischen Seite nachdrücklich deutlich machen, dass Dinge, die unannehmbar sind, auch nicht akzeptiert werden.
Die Beziehungen zu Russland müssen so gestaltet werden, dass ein japanisch-russisches Verhältnis entsteht, wie es Partnern innerhalb der asiatisch-pazifischen Region angemessen ist. Einschließlich der Zusammenarbeit für den Erfolg des APEC-Gipfels in Wladiwostok in diesem Jahr setzen wir uns für Fortschritte bei der Kooperation auf unterschiedlichsten Gebieten ein. In Bezug auf das Problem der Nördlichen Territorien, das die größte Streitfrage zwischen beiden Ländern bildet, habe ich kürzlich Nemuro besucht und dabei erneut bekräftigt, dass wir so rasch wie möglich eine Lösung brauchen. In Kürze wird Außenminister Lawrow Japan besuchen, und ich möchte mit der russischen Regierung eine substanzielle Diskussion führen.
Nach dem Tod des Vorsitzenden des Verteidigungskomitees, Kim Jong-il, werden wir auf die neue Situation auf der koreanischen Halbinsel angemessen reagieren. In engem Zusammenwirken mit den Vereinigten Staaten und der Republik Korea fordern wir von Nordkorea nachdrücklich konkrete Schritte einschließlich des sofortigen Stopps der Aktivitäten im Bereich Urananreicherung, die einen Verstoß gegen die Resolutionen des Sicherheitsrates sowie gegen die Gemeinsame Erklärung der Sechs-Parteiengespräche darstellen. Mit Blick auf die Beziehungen zwischen Japan und Nordkorea setzen wir uns dafür ein, die verschiedenen Probleme, nämlich die Frage der entführten japanischen Staatsangehörigen sowie die Frage des Nuklear- und Raketenprogramms, auf der Grundlage der japanisch-nordkoreanischen Erklärung von Pjöngjang umfassend zu lösen, die unglückliche Vergangenheit zu überwinden sowie diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Das Problem der Entführungen bildet ein gravierendes Problem in Bezug auf die Souveränität unseres Landes sowie in Bezug auf das Leben und die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Es ist daher auch für die Staatengemeinschaft insgesamt von großer Bedeutung. Wir werden alles in unseren Kräften Stehende unternehmen, um die möglichst rasche Rückkehr aller Entführungsopfer nach Japan zu verwirklichen.
Die Gemeinschaft Südostasiatischer Staaten (ASEAN) und Japan haben beim Japan-ASEAN-Gipfel im vergangenen Jahr die „Erklärung von Bali“ verabschiedet. Auf dieser Grundlage werden wir die Zusammenarbeit, etwa beim Ausbau der Konnektivität sowie auf dem Gebiet der Katastrophenprävention, weiter vorantreiben. In diesem Jahr nun wird der Japan-Mekong-Gipfel in unserem Land stattfinden, und wir werden die Kooperation mit den Staaten der Mekong-Region weiter ausbauen.
Mit Australien werden wir die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit sowie den Ausbau der auf gegenseitiger Abhängigkeit beruhenden Wirtschaftsbeziehungen weiter vorantreiben. Und mit Indien werden wir auf der Grundlage der Ergebnisse des Indienbesuchs von Premierminister Noda im letzten Jahr die „strategische globale Partnerschaft“ weiterentwickeln.
Bei meinem Besuch in Myanmar Ende vergangenen Jahres habe ich gegenüber den führenden Vertretern der Regierung die jüngsten Entwicklungen in Richtung Demokratisierung und nationale Aussöhnung gelobt und sie nachdrücklich dazu aufgefordert, diesbezüglich weitere Anstrengungen einschließlich der Freilassung politischer Gefangener zu unternehmen. Mit Aung San Suu Kyi habe ich auf der Grundlage der Erfahrungen Japans die Themen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Freihandel, Menschenwürde sowie das Konzept von Human Security erörtert. Beiden Seiten habe ich unsere Absicht übermittelt, weitere Reformen auf der historisch gewachsenen Freundschaft fußend zu unterstützen. Ich begrüße sehr, dass nach meinem Besuch zahlreiche weitere politische Gefangene freigekommen sind.
Die Beziehungen zu den Inselstaaten des Pazifiks werden wir im Rahmen des im Mai auf Okinawa stattfindenden Gipfeltreffens des Forums Pazifischer Inseln weiter vertiefen.
Seit alters her hat Japan kulturelle Elemente aus Ost und West aufgenommen und miteinander verschmolzen. Auf der Grundlage des hohen Stellenwerts der Harmonie in Japan ist so eine besondere Wertschätzung für die gegenseitige Achtung entstanden. Japan hat, während es in asiatischen Werten wurzelt, auch Werte des Westens aufgenommen. Es war unser Land, das in Asien die Demokratie als erstes eingeführt hat. Gerade deswegen kommt Japan meinem Empfinden nach eine ganz besondere Rolle zu, die es auszufüllen hat, und diese Rolle werden wir getreulich ausfüllen.
Ein Japan, das seine nach innen gerichtete Haltung überwindet und sich den Herausforderungen bei der Lösung weltweiter Aufgaben stellt
Japans Beiträge werden sich aber nicht auf die Gestaltung von Netzwerken in der Region Asien-Pazifik beschränken, die ich hier umrissen habe. Wir werden uns auch aktiv mit den Aufgaben befassen, denen sich die internationale Gemeinschaft gegenübersieht.
Der erste wichtige Beitrag ist auf den Bereich Politik und Sicherheit gerichtet. Japan wird eine aktivere Rolle bei der Friedenswahrung und Friedenskonsolidierung spielen, indem es sich an Blauhelmmissionen der Vereinten Nationen beteiligt. Zusätzlich zu unserem Engagement in Haiti und an anderen Orten hat die Regierung von Japan kürzlich mit der Entsendung von Pionieren der Selbstverteidigungsstreitkräfte zur Teilnahme an der Mission der VN im Südsudan (UNMISS) begonnen. Wir werden auch weiterhin einen Beitrag für den Frieden und die Stabilität der Staatengemeinschaft leisten, indem wir uns auf den Gebieten engagieren, auf denen Japans Stärken liegen. Und wir werden uns dafür einsetzen, die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.
Die Friedenskonsolidierung in Afghanistan stellt eine wichtige Aufgabe dar, bei der die internationale Gemeinschaft Erfolg haben muss. Bei der Zusammenkunft mit Präsident Hamid Karzai während meines kürzlichen Besuchs in Afghanistan habe ich deutlich gemacht, dass Japan die Anstrengungen für Stabilität und nachhaltiges Wachstum weiter unterstützen wird. Wir diskutierten zudem über die Inhalte einer Ministerkonferenz, die im Juli in Tokyo stattfinden wird. Dabei erzielten wir im Großen und Ganzen eine Übereinkunft in Bezug auf den konkreten Kurs. Wir werden uns nun mit anderen beteiligten Staaten abstimmen, um konkrete Ergebnisse zu erzielen. Mit Blick auf das Ziel, in Afghanistan Stabilität herzustellen, werden wir auch der Stabilität von Pakistan und anderen Staaten in dieser Region ausreichend Aufmerksamkeit schenken.
Hinsichtlich des Nahost-Friedensprozesses wird Japan seinen Beitrag fortführen, indem es sich für die Wiederaufnahme direkter Verhandlungen einsetzt und neben anderen Schritten auch den Menschen in den Palästinensergebieten Unterstützung zuteilwerden lässt.
Für Japan ist es von großer Bedeutung, die Sicherheit der Schifffahrt zu gewährleisten. Zusätzlich zu unseren Anti-Piratenoperationen im Golf von Aden werden wir unsere Hilfe für die Stabilisierung Somalias sowie für den Aufbau von Kapazitäten zur Durchsetzung des Seerechts in den Nachbarstaaten fortsetzen. In Bezug auf die Kooperation auf den Ozeanen, die ein öffentliches Gut der Staatengemeinschaft bilden, wurde beim Ostasiengipfel Ende letzten Jahres eine Reihe von Fortschritten erzielt. Wir werden weiterhin aktiv mit anderen asiatisch-pazifischen Staaten dafür wirken, gemeinsame Visionen und Regeln in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht zu stärken.
Auf dem Gebiet der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung werden wir uns zusammen mit der raschen Umsetzung des Aktionsplans der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrags (NPT) 2010 für die weitere Förderung der Nichtverbreitungs- und Abrüstungsinitiative (NPDI) einsetzen, die von Japan und Australien initiiert wurde. Dabei werden wir eine führende Rolle bei den Diskussionen innerhalb der internationalen Gemeinschaft spielen, die auf eine „Welt ohne Kernwaffen“ durch die Verringerung der nuklearen Risiken abzielen. In Bezug auf die Nichtverbreitung hegt Japan große Sorgen insbesondere mit Blick auf die derzeitige Situation der Nuklearproblematik Nordkoreas und Irans. Um die Sorgen der Staatengemeinschaft zu zerstreuen, rufen wir Iran dazu auf, sich für eine friedliche und diplomatische Lösung der Situation zu entscheiden und ohne Verzögerung substanzielle Schritte hierfür zu unternehmen. Wir erkennen die Notwendigkeit für effektive Sanktionen und stabile Ölpreise an. Daher wird Japan eine aktive Rolle spielen, um die Situation in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft zu lösen.
In Bezug auf das Thema nukleare Sicherheit nach dem Unfall im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi des Betreibers Toyko Electric Power Company bin ich der Auffassung, dass Japan die Verantwortung hat, sein Wissen und seine Erkenntnisse aus der umfassenden Untersuchung des Unfalls mit der internationalen Gemeinschaft zu teilen. Auf diese Weise kann unser Land zur Stärkung der nuklearen Sicherheit weltweit beitragen. Als Teil dieser Anstrengungen wird Japan in der zweiten Hälfte dieses Jahres gemeinsam mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) eine hochrangig besetzte Konferenz über nukleare Sicherheit organisieren.
Bei der Gestaltung einer neuen internationalen Ordnung kommt der Stärkung der Vereinten Nationen eine wesentliche Bedeutung zu. Japan setzt sich für die Reform der Organisation und für die Stärkung der Funktionen der VN ein. Insbesondere werden wir uns aktiv für eine Reform des Sicherheitsrates und für einen ständigen Sitz Japans in diesem Gremium einsetzen. Wir werden zudem danach streben, die Zahl der japanischen Mitarbeiter in den VN und in anderen internationalen Organisationen – insbesondere auf der Führungsebene – weiter auszuweiten.
Hinsichtlich des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung strebt die Regierung auf der Grundlage einer Übereinkunft des Kabinetts vom Mai letzten Jahres an, dieses Übereinkommen und die relevanten inländischen Gesetze dem Parlament noch in dieser Sitzungsperiode zur Verabschiedung vorzulegen.
Der zweite Beitrag hat den Bereich Wirtschaft und Soziales im Blick. Staatliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) ist ein äußerst effektives Instrument für die Verwirklichung von Stabilität und Entwicklung in den sogenannten Entwicklungsländern, für die Lösung globaler Aufgaben sowie für die Sicherung von Frieden und Entwicklung unseres eigenen Landes. Zusammen mit dem Ausbau unserer Zusammenarbeit mit den Schwellenländern, deren Einfluss in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat, werden wir unsere ODA strategisch und effektiv einsetzen und dabei mit den Nichtregierungsorganisationen und anderen Vertretern des privaten Sektors Hand in Hand zusammenwirken. Insbesondere wird Japan eine führende Rolle beim Engagement für die Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) und bei der Formulierung neuer internationaler Entwicklungsziele für die Zeit nach 2015 spielen. Dabei werden wir auf Gebieten wie Reduzierung der Risiken von Naturkatastrophen und Friedenskonsolidierung eine Vorreiterrolle einnehmen. Unser Land wird darüber hinaus auch weiterhin ein nachhaltiges Wachstum in den Entwicklungsländern fördern, indem wir uns für den Ausbau der Infrastruktur in diesen Ländern sowie für weitere Maßnahmen einsetzen werden. All diesen Anstrengungen liegt die Philosophie des Konzeptes von Human Security zugrunde. Bei der Diskussion dieses Konzepts innerhalb der Staatengemeinschaft kommt Japan eine führende Rolle zu, bei der unsere außerordentliche Fähigkeit zur Erstellung von Konzepten zur vollen Entfaltung kommt.
In Afrika stellt die Realisierung von Human Security eine der wichtigsten Aufgaben dar. Wir erarbeiten derzeit ein außenpolitisches Programm, das sich auf drei Pfeilern gründet. Dies sind die Ausweitung von Entwicklungszusammenarbeit, Handel und Investitionen, die Beiträge für Frieden und Stabilität sowie die Lösung globaler Aufgaben. Zusätzlich dazu wird Japan als Gastgeber der 5. Tokyo International Conference on African Development (TICAD V) in Yokohama im kommenden Jahr fungieren.
Als Teil unser derzeitigen Anstrengungen zur Verwirklichung einer weltweiten nachhaltigen Entwicklung werden wir wichtige Beiträge zu den Diskussionen bei der Konferenz der Vereinten Nationen über Nachhaltige Entwicklung (Rio+20) im Juni dieses Jahres sowie bei der VN-Klimakonferenz zum Klimawandel (COP18) Ende dieses Jahres leisten. Damit werden wir eine führende Rolle beim globalen Engagement zur Schaffung der Grundlagen für die Förderung einer ökologisch geprägten Wirtschaft und für die Verwirklichung eines Niedrig-Karbon-Wachstums spielen. In diesem Frühjahr wird Japan in Tokyo Gastgeber des Dialogs der Partnerschaft für ein Niedrig-Karbon-Wachstum in Ostasien sein. Es ist unser Ziel, Japans Spitzentechnologien dafür zu nutzen, der Welt die neuesten Modelle in den Bereichen Einsparung, Produktion und Speicherung von Energie vorzustellen und anzubieten.
Um eine stabile Versorgung mit solchen Energien und mineralischen Ressourcen wie fossilen Brennstoffen und seltenen Metallen, aber auch mit Nahrungsmitteln sicherzustellen, müssen wir unsere vielfältigen kooperativen Beziehungen zu ressourcenreichen Staaten ausbauen; hierzu zählen auch die Schwellenländer. Da Japan in hohem Maße auf Importe angewiesen ist, um seinen Bedarf an fossilen Brennstoffen zu decken, werden wir unsere Anstrengungen zur Realisierung unserer Energiesicherheit fortführen, indem wir uns für die Gestaltung noch engerer Beziehungen zu den Lieferländern sowie zu den Ländern, die an den entsprechenden Transportrouten liegen, einsetzen werden. Eingedenk der Tatsache, dass eine kontinuierliche Versorgung mit Erdöl und stabile Ölpreise die wichtigsten Faktoren zur Verwirklichung von Energiesicherheit sind, habe ich Anfang Januar eine Reihe von Staaten im Mittleren Osten besucht. Gleichzeitig müssen wir unsere Stärken im Bereich Energie- und Umwelttechnologien weiter ausbauen, die bereits eine weltweite Spitzenstellung einnehmen. Während meiner jüngsten Gespräche mit führenden Vertretern der Länder des Mittleren Ostens habe ich diese Staaten zu einer Zusammenarbeit in diesem Bereich aufgerufen und dafür großen Zuspruch erhalten.
Um sicherzustellen, dass das Wachstum im Ausland zu Wachstum in Japan selbst führt, müssen wir als Handelsnation die globale Nachfrage als heimische Nachfrage Japans auffassen. Auf der Basis der Grundlegenden Politik für umfassende Wirtschaftspartnerschaften wird Japan eine führende Rolle bei der Verwirklichung einer Freihandelszone in der Region Asien-Pazifik (FTAAP) einnehmen und Wirtschaftspartnerschaften auf hohem Niveau mit noch mehr Staaten im Rahmen eines aktiven und vielschichtigen Ansatzes fördern. Konkret werden wir uns in Bezug auf die TPP dafür einsetzen, mittels Konsultationen mit den betreffenden Staaten für eine Teilnahme an den TPP-Verhandlungen weitere Informationen dahingehend zu sammeln, was jedes Land von Japan erwartet, um dann nach einer gründlichen Debatte in Japan selbst zu einer Schlussfolgerung in Bezug auf die TPP zu kommen, die unsere nationalen Interessen getreulich berücksichtigt. Wir streben die rasche Aufnahme von Verhandlungen für ein trilaterales Freihandelsabkommen zwischen Japan, China und der Republik Korea an. Darüber hinaus werden wir die Verhandlungen für Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit der Republik Korea und Australien vorantreiben. Auch die Aufnahme von Verhandlungen für ein EPA zwischen Japan und der EU streben wir so rasch wie möglich an. Gleichzeitig werden wir einen aktiven Beitrag zur Gestaltung eines Rahmenwerks für Wirtschaftspartnerschaften im Rahmen der ASEAN+3 sowie der ASEAN+6 leisten. Auch der Entwicklung der Märkte im Ausland kommt eine große Bedeutung zu. Es besteht weltweit eine große Nachfrage nach Infrastruktur, insbesondere in Asien. Indem wir Japans Spitzentechnologien auf solchen Feldern wie Hochgeschwindigkeitszüge, Wasserinfrastruktur und Umwelttechnologie anbieten, möchten wir die Entwicklung unterstützen und “Win-win“-Beziehungen mit anderen Staaten in der Region gestalten, während wir auf diese Weise gleichzeitig enger zusammenrücken. Wir überlegen, hierfür die ODA zu nutzen, wobei auch Investitionen des Privatsektors von Seiten der Japan International Cooperation Agency (JICA) einbezogen werden.
Drittens ist es von großer Bedeutung, dass wir eine Außenpolitik verfolgen, die auf den Werten unseres Landes gründet. Seit dem Altertum hat Japan eine große Vielfalt an kulturellen Dingen und Technologien aus anderen Ländern aufgenommen, diese in sehr flexibler Weise „japanisiert“ und auf diese Weise etwas geschaffen, das man als Markenzeichen Japans bezeichnen kann. Kürzlich wurde in Saudi-Arabien ein Fernsehprogramm ausgestrahlt, das die Kultur der Höflichkeit in Japan vorstellte. Dies hat zu einem großen Interesse für Japan geführt. Infolge dieses Programms hat sich in diesem Land die Zahl der Visaanträge für einen Besuch in Japan verdreifacht. Wir werden auch den Export der japanischen Kultur zum Bestandteil unserer nationalen Strategie machen. Dies sollte über die „Cool Japan“ Initiative hinausgehen, um den Menschen im Ausland die ganze Vielfalt der Reize Japans einschließlich seiner Tugenden zu vermitteln und um ein besseres Verständnis für die japanischen Werte zu fördern. Darüber hinaus werden wir auch unsere internationalen Beiträge ausbauen, die Japan im Rahmen vielfältiger Kooperationen auf kulturellem Gebiet leistet. Insbesondere werden wir den Fokus auf unser Engagement im Bereich des Austausches von Mensch zu Mensch legen als ein Mittel, um die kizuna, die Bande der Freundschaft, zwischen Japan und dem Rest der Welt weiter zu stärken, die nach dem schweren Erdbeben im letzten Jahr so offensichtlich zutage getreten sind.
Gestaltung eines Umfelds zur Stärkung der umfassenden außenpolitischen Fähigkeiten Japans
Um die Maßnahmen, die ich hier umrissen habe, in effektiver Weise umzusetzen, ist es von essenzieller Bedeutung, eine „Japan als Ganzes“-Außenpolitik zu fördern, an denen sich alle Akteure unseres Landes beteiligen und ihre jeweilige spezielle Rolle übernehmen. Unter diesem Aspekt werden wir die Zusammenarbeit mit Kommunen, Privatunternehmen, NGOs und der Öffentlichkeit weiter ausbauen. Um Unterstützung insbesondere für die internationalen Aktivitäten japanischer Unternehmen zu leisten, werden wir uns dafür einsetzen, das Leben, die Sicherheit und das Eigentum der japanischen Bürgerinnen und Bürger im Ausland zu schützen und ihre Interessen zu wahren. Wir werden uns zudem dafür engagieren, unsere Fähigkeiten für das Sammeln und Auswerten von Informationen zu verbessern, die von essenzieller Wichtigkeit für unsere Außenpolitik sind. Darüber hinaus werden wir auch bei der Veröffentlichung der außenpolitischen Akten weiterhin Initiative zeigen.
Schlussbemerkungen
Im vergangenen Jahr wurde Japan von einer schweren Naturkatastrophe getroffen, wie wir sie zuvor noch nie erlebt haben. Damals wurde die Ausdauer der Menschen in den betroffenen Regionen und in Japan insgesamt, als es zunächst um die Bewältigung der unmittelbaren Folgen der Katastrophe und sodann um den Wiederaufbau ging, von den Menschen überall auf der Welt außerordentlich bewundert. In dem Werk Genshi Shiroku, das seit mehr als zwanzig Jahren zu meiner Lieblingslektüre zählt, schreibt der konfuzianische Gelehrte der Edo-Zeit, Issai Sato: „Wenn einem ein Unglück widerfährt, sollte man dies als einen glücklichen Umstand auffassen. Und jemand, dem Glück widerfährt, sollte dabei auch das Unglück nicht vergessen.“ Dieses Jahr ist das Jahr des Drachen. Diese Zeit der Widrigkeiten bildet nun eine ideale Gelegenheit dafür, dass Japan seine Neigung, den Blick nach innen zu richten, überwindet und sich wie ein Drache kraftvoll erhebt, um so aktiver denn je zuvor die Rolle in der Welt einzunehmen, zu der wir berufen sind.
Außenpolitik gründet sich auf der vereinten Stärke des ganzen Landes. Ich bitte alle Abgeordneten dieses Parlaments, unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit, um ihre Zusammenarbeit und bitte zugleich um das Verständnis und das Mitwirken der Bürgerinnen und Bürger Japans.