
Keynote-Rede von Außenminister Koichiro Gemba
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anlässlich des Partnerschaftsdialogs für ein Niedrig-Karbon-Wachstum
in Ostasien am 15.04.2012

Einleitung
Es ist mir eine große Ehre, diesen Partnerschaftsdialog für ein Niedrig-Karbon-Wachstum in Ostasien zu veranstalten, zu dem führende Experten aus den Bereichen Klimawandel und Niedrig-Karbon-Wachstum eingeladen wurden.
Zunächst möchte ich diese Gelegenheit dafür nutzen, noch einmal meinen Dank für die herzliche Unterstützung aus aller Welt zum Ausdruck zu bringen, die Japan nach dem schweren Erdbeben im Osten Japans zuteilwurde. Während wir uns mit ganzer Kraft für den Wiederaufbau nach dieser Katastrophe einsetzen, treiben wir zugleich mit Blick auf den Atomunfall unser Engagement für die Neugestaltung unseres künftigen Energiemixes voran, der mit dem Thema dieser Veranstaltung in enger Verbindung steht. Insbesondere streben wir mit Nachdruck die Förderung des Einsparens von Energie sowie die Entwicklung erneuerbarer Energien an. Wir sind zudem dabei, Projekte für kleinere Gemeinschaften als eine neue Form der urbanen Entwicklung in der Katastrophenregion Tohoku auszuarbeiten. Gerade erst fand in der Präfektur Fukushima eine internationale Konferenz statt, an der ich ebenfalls teilnahm.
Im letzten Jahr wurden im Rahmen der COP17 große Fortschritte erzielt, die uns den Weg für ein neues Rahmenwerk aufzeigen. Um effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel voranzutreiben, ist es meiner Ansicht nach unerlässlich, ergänzend zum globalen Engagement unter der Führung der Vereinten Nationen unterschiedliche Ansätze zu fördern, die die ganze internationale Vielfalt widerspiegeln.
Große Bedeutung des Ansatzes „Niedrig-Karbon-Wachstum“
Einen wichtigen Schlüssel stellt dabei der Ansatz eines „Niedrig-Karbon-Wachstums“ dar. Bisher herrschte das allgemeine Verständnis vor, dass wirtschaftliches Wachstum die Nutzung großer Mengen an Energie erfordert und dass dieser Energiekonsum unweigerlich hohe CO2-Emissionen freisetzt. Tatsächlich haben sich die weltweiten CO2-Emissionen in den vergangenen vierzig Jahren etwa verdoppelt. Sollten diese Emissionen weiterhin im selben Tempo ansteigen, schätzt der Ausschuss für Klimaänderung (IPCC), dass die Temperaturen bis Ende des 21. Jahrhunderts um 2,4 bis 6,4 Grad Celsius steigen werden, was zu schweren Schäden bis hin zur Zerstörung ganzer Ökosysteme sowie zu regelmäßigen Naturkatastrophen führen würde. Um ein Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten, das den Menschen unter diesen Bedingungen ein Leben in Wohlstand ermöglicht, müssen wir Wachstum mit weniger Energie und weniger CO2-Emissionen verwirklichen. Dies ist der Ansatz des „Niedrig-Karbon-Wachstums“. Ohne diesen Ansatz werden wir schwerwiegende Auswirkungen auf Nahrungsmittel, Wasser sowie auf die Katastrophenprävention erfahren, und letztendlich könnte sich dadurch auch das Wachstum der Wirtschaft selbst immer schwieriger gestalten. Der Ansatz des „Niedrig-Karbon-Wachstums“ bietet zudem die Möglichkeit zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und hat das Potenzial, sich zu einer Quelle für neues Wachstum zu entwickeln. Dabei müssen jedoch Technologien, Märkte und finanzielle Ressourcen wichtige Funktionen erfüllen, damit dies tatsächlich gelingen kann. Das Konzept „Japans Vision und seine Maßnahmen für ein Niedrig-Karbon-Wachstum und eine Welt, die dem Klimawandel widerstehen kann“, das unser Land bei der COP17 Ende letzten Jahres bekanntgegeben hat, gründet sich exakt auf diese Überlegungen.
Der heutige Partnerschaftsdialog für ein Niedrig-Karbon-Wachstum in Ostasien ist Bestandteil konkreter Anstrengungen zur Umsetzung dieses Konzepts. Ostasien ist eine Region, deren Länder sich durch eine außerordentlich große Vielfalt auszeichnen – hinsichtlich wirtschaftlicher Entwicklung, Industrie, Kultur sowie weiterer Faktoren. Zugleich weist diese Region hohe Wachstumszahlen auf. Auf der anderen Seite ist sie der größte Verursacher von Treibhausgasemissionen. So sind die Mitglieder des Ostasiengipfels (EAS) für 63% der globalen Emissionen verantwortlich. Zugleich sieht sich diese Region auch verschiedenen Problemen gegenüber, einschließlich der steigenden Nachfrage nach Energie und der Urbanisierung, die von einem raschen Bevölkerungswachstum begleitet wird. Von dieser Perspektive aus betrachtet möchte ich auf der heutigen Veranstaltung gemeinsam mit Ihnen darüber diskutieren, welche Form der konkreten Zusammenarbeit wir in dieser Region gestalten können, um auch weiterhin wirtschaftliches Wachstum mit weniger Energieverbrauch sowie CO2-Emissionen sicherzustellen, und wie wir unsere Beziehungen auf der Grundlage gegenseitigen Nutzens weiter vertiefen können.
Ziele der einzelnen Sitzungen
Wir werden uns bei der heutigen Diskussion auf drei Aspekte konzentrieren.
Erstens die Zusammenarbeit bei der Formulierung und Umsetzung von Strategien für ein Niedrig-Karbon-Wachstum. Ich möchte, dass wir uns zu Beginn der großen Bedeutung dieses Schrittes bewusst werden, wobei wir die Bedingungen, Fragen und den Bedarf jedes einzelnen Landes stets ausreichend berücksichtigen müssen. Danach sollten wir darüber diskutieren, welche Form der internationalen Zusammenarbeit wir beschreiten sollten, um diese Strategien zu unterstützen. Ostasien ist eine Region mit großem Potenzial für die Verwirklichung von Niedrig-Karbon-Wachstum. Zugleich besteht hier eine außerordentlich große Nachfrage in den Bereichen Entwicklung humaner Ressourcen sowie Verbesserung der Infrastruktur. Auf dem Gebiet des Klimawandels wird Japan bis Ende dieses Jahres rund sieben Milliarden US-Dollar an kurzfristigen Hilfen für diese Region bereitgestellt haben. Um die stetige Förderung von Niedrig-Karbon-Wachstum in Ostasien künftig fortzuführen, sollten wir zu einer gemeinsamen Einschätzung dahingehend gelangen, was dafür notwendig ist und in welchen Bereichen wir handeln müssen. Als Beispiel kämen u.a. Hilfen für die Entwicklungsländer bei der Formulierung von Strategien für Niedrig-Karbon-Wachstum, bei der Entwicklung der humanen Ressourcen sowie der Verbesserung der Infrastruktur hinsichtlich des Erhalts der Wälder, Energie, Transport und Müllverarbeitung in Frage. Auch Konzepte für sogenannte „Smart Cities“ sollten vorangetrieben werden. Ich hoffe, dass wir eine intensive Diskussion darüber erleben werden, wie die internationale Hilfe für die genannten Zwecke mobilisiert werden kann, einschließlich der Ansichten der einzelnen Länder und internationaler Organisationen.
Zweitens die Nutzung von Technologien und Märkten. In der Vergangenheit habe ich stets betont, dass führende Niedrig-Karbon-Technologien mittel- und langfristig eine außerordentlich wichtige Rolle beim Kampf gegen den Klimawandel spielen. Während es einerseits notwendig ist, technologische Innovationen in den Industrieländern weiter zu fördern, kann die Einführung dieser Niedrig-Karbon-Technologien in den Entwicklungsländern sowohl zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen als auch zu wirtschaftlichem Wachstum führen. Dabei spielt auch der private Sektor eine extrem wichtige Rolle. Wir müssen uns weiterhin für ein geeignetes Umfeld einsetzen, damit Unternehmen ihre Geschäftsaktivitäten in den Entwicklungsländern ausweiten können. Beispielsweise ist Japans Energieeffizienz in Bezug auf den primären Energieverbrauch pro BIP-Einheit fünf Mal so hoch wie der weltweite Durchschnitt und nimmt weltweit eine Spitzenstellung ein. Japan hat bereits bisher die Verbreitung von Niedrig-Karbon-Technologien im Ausland unterstützt, die von unseren Unternehmen in verschiedenen Bereichen einschließlich geothermischer und hocheffizienter thermischer Stromerzeugung durch Kohle verfolgt wird.
Die Schaffung eines Marktmechanismus, der Anreize für Investitionen schafft, ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt, um führende Niedrig-Karbon-Technologien und entsprechende Produkte zu verbreiten. Ich denke, dass gerade Ostasien mit seinem riesigen Bedarf an Investitionen für Niedrig-Karbon-Wachstum geeignet ist, um dort einen neuen offenen und vielschichtigen Marktmechanismus zu schaffen, der dezentral organisiert ist.
Japan schlägt daher einen Kreditmechanismus auf bilateraler Ebene als Ergänzung zum Mechanismus für saubere Entwicklung (CDM) der Vereinten Nationen vor. Ich weiß, dass innerhalb der VN heftig darüber diskutiert wurde, wie die Marktmechanismen verbessert werden können, und ich hoffe, dass wir darüber auch im Rahmen des heutigen Dialogs unter dem Aspekt der Realisierung einer vor allem praxisorientierten Zusammenarbeit diskutieren werden.
Drittens schließlich die Gestaltung eines Netzwerks, das die ganze Region Ostasien umfasst. Um Niedrig-Karbon-Wachstum in der Region als Ganzes zu erreichen, müssen Regierungen, internationale Organisationen, Kommunen, Forschungseinrichtungen, private Unternehmen und NGOs konkret zusammenwirken. Wir sollten eine Art offenes vielschichtiges und flexibles Netzwerk schaffen, in dem diese Akteure konkret an der Erstellung der Maßnahmen durch die Regierungen der einzelnen Länder mitwirken können, während sie zugleich ihr Wissen und ihre Erfahrungen untereinander austauschen. Zum Beispiel würde ich gerne über das Potenzial in Bezug auf die Einrichtung einer Art Plattform für das gegenseitige Teilen von Wissen und Erfahrungen in einem breiten Spektrum von Bereichen einschließlich Klimawandel, Umwelt und Energie diskutieren.
Schluss
Ich wünsche mir, dass diese Zusammenkunft den Startschuss für die Verwirklichung von Niedrig-Karbon-Wachstum in Ostasien bildet und dass sie zu weitergehendem Engagement in der Zukunft führen wird. Es ist zudem mein Bestreben, über die Ergebnisse des heutigen Dialogs auch dem nächsten Ostasiengipfel im November zu berichten. Ich werde mich mit meiner ganzen Kraft dafür einsetzen, zusammen mit meinem Ko-Vorsitzenden Rachmat Witoelar diese Veranstaltung zu einem Erfolg zu führen. Den folgenden Diskussionen sehe ich mit großer Erwartung entgegen.
Vielen Dank.
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