
Notizen aus der Redaktion
In Japan wehte vor einigen Tagen zum ersten Mal in diesem Jahr ein kalter Herbstwind. Der japanische Name für diesen Wind, Kogarashi ( 木枯らし wörtlich bedeuten die Schriftzeichen „Baumverdorrer“), ist ein Jahreszeitenwort für den nahenden Winter und damit ein untrügliches Zeichen dafür, dass nun auch in Japan, wo die Sommerhitze in diesem Jahr ungewöhnlich lange dauerte, mit einem Mal eine herbstliche Stimmung Einzug gehalten hat. Hier in Berlin mit seinem prächtigen bunten Herbstlaub begegnete ich Anfang Oktober Jan Kollwitz, der mir japanischer erschien als manche Japaner.
Jan Kollwitz ist der Urenkel von Käthe Kollwitz, die auch in Japan durch ihre Skulptur der trauernden Mutter in der Neuen Wache Unter den Linden bekannt ist. Er lernte, nachdem er in Deutschland das Töpferhandwerk gelernt hatte, im Selbststudium Japanisch und ging 1986/87 für zwei Jahre nach Japan, um ein Schüler des Meisters Yutaka Nakamura in Echizen (heutige Präfektur Fukui) zu werden. Der frühere japanische Premierminister Morihiro Hosokowa, der mit sechzig Jahren der Politik den Rücken kehrte und heute auch als Keramiker tätig ist, erklärte einmal, die große Mühsal eines solches Lebens als Schüler eines Meisters, den man so sehr bewundert, übersteige alles, was man sich zuvor vorgestellt habe. (In Japan spricht man von der Kunst als „etwas Gestohlenem“, die man nicht mit dem Verstand, sondern nur mit dem Körper erlernen könne in der Art einer Gedankenübertragung ( 以心伝心 Ishin denshin) sowie durch Lernen mittels Abschauen.) Nach Beendigung seiner Lehrzeit in Japan kehrte Kollwitz nach Deutschland zurück und errichtete in Cismar in Ostholstein einen traditionellen Anagama-Ofen (einen tunnelförmigen Töpferofen, der in den Hang eines Hügels hinein gebaut ist), wo er einmal im Jahr vier Tage lang in großer geistiger Konzentration seine eigenen Werke im 1300 Grad heißen Ofen brennt. Obwohl sie nicht glasiert sind, zeichnen sich seine Werke durch einen erlesenen Geschmack aus.
Der Alltag der Menschen in Japan ist durch eine ganz besondere Liebe zu Produkten der Töpferkunst gekennzeichnet. Selbstverständlich hat sich das Töpferhandwerk in Japan zunächst unter dem großen Einfluss der koreanischen Halbinsel und Chinas entwickelt, aber im Laufe der Zeit haben die Japaner eine eigeneständige Töpferkunst geschaffen, in der sich ihre ästhetischen Vorstellungen und ihre Lebensweise widerspiegeln. Insbesondere so grundlegende Dinge des Lebens wie Reis, Tee und Sake sind untrennbar mit der Töpferkunst verbunden und jeder besitzt eigene Schalen und Becher, die er besonders liebt. Von den Museen mit ihren Nationalschätzen bis zu den Töpfermärkten im ganzen Land – überall in Japan bietet sich die Gelegenheit, faszinierenden Beispielen der Porzellan- und Keramikkunst zu begegnen.
Mari Miyoshi
Gesandte
Leiterin der Abteilung
für Kultur und Öffentlichkeitsarbeit