
Notizen aus der Redaktion
Ende September stattete eine rund 30-köpfige Delegation aus Japan unter der Leitung von Ayanobu Ando Berlin einen Besuch ab. Herr Ando ist in 16. Generation Nachfahre der Lehensfürsten von Iwakidaira, der heutigen Präfektur Fukushima. Zugleich ist er Großmeister der Teezeremonie (Chadô) sowie des Weges des Duftes (Kôdô). Sein Urgroßvater Nobumasa Ando bekleidete vor 150 Jahren in der damaligen Regierung des Tokugawa-Schogunats das Amt des Ersten Staatsrates. In dieser Funktion war er auch mit den Verhandlungen zum Abschluss des japanisch-preußischen Freundschafts- und Handelsvertrages mit dem preußischen Gesandten Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg im Jahre 1861 betraut. Beim Festakt zur feierlichen Eröffnung des Jubiläumsjahres „150 Jahre Japan-Deutschland“ im Januar dieses Jahres in Tokyo traf Ayanobu Ando auch mit einem Nachfahren des Grafen zu Eulenburg zusammen. Nun kam Herr Ando zum ersten Mal nach Europa und besuchte im Rahmen seines Aufenthaltes in Deutschland auch das Grab von Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg.
In der Botschaft hielt Herr Ando einen Vortrag über die Samurai-Kultur der Edo-Zeit (1603 -1867) und veranstaltete zudem für die deutschen Gäste eine Präsentation der Tee- und Duftzeremonie. Das „Lauschen des Duftes“, wie die Duftzeremonie auch genannt wird, erfreute sich während der Edo-Zeit bei den Gemahlinnen und Töchtern der Lehensfürsten sowie bei Frauen von hohem Stand einer außerordentlich großen Beliebtheit. Heutzutage bietet sich hingegen auch in Japan nur äußerst selten die Gelegenheit, einer Veranstaltung von solch raffinierter Eleganz beizuwohnen. So war diese Veranstaltung auch für mich die allererste Erfahrung dieser Art, die mich tief beeindruckte. Am nächsten Tag war ich zu einem Abendessen mit Herrn Ando und dem Nachfahren des Grafen zu Eulenburg eingeladen, von dem mir vor allem die Szene des Austausches der Geschenke in Erinnerung geblieben ist. Herr Ando hatte aus Japan ein Lackkästchen mitgebracht und gleich ein Paar weiße Handschuhe beigefügt, damit beim Berühren des Kästchens die empfindliche Lackschicht geschont wird. Als ich das vor Freude strahlende Gesicht des Grafen zu Eulenburg sah, wie er mit diesen weißen Handschuhen das Präsent öffnete, musste ich daran denken, wie sehr in unserer heutigen Zeit Rationalisierung und Vereinfachung bereits Einzug in die Kultur des „Schenkens“ gehalten haben. Hier aber war zum Greifen spürbar, wie sehr man sich auf den jeweils anderen wirklich eingelassen hatte, um ihm aus ganzem Herzen eine Freude zu bereiten. Übrigens wurde auch mir die Ehre eines Geschenks zuteil (siehe Foto). Es handelte sich um eine von einem namhaften japanischen Konditor zubereitete japanische Süßspeise, die während der Teezeremonie gereicht wird. Als ausgefallenes Motiv war das Gebäck in den deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold gehalten. Beim genaueren Hinsehen erkennt man auf dem Deckel der Schachtel neben dem Noshi, einem speerspitzenförmig gefalteten Papier als Zeichen der Wertschätzung, und über der rot-goldenen Kordel die Schriftzeichen Soshina ( そしな oder mit Kanji geschrieben: 粗品 ). Es ist dies der japanische Begriff für „Kleinigkeit“, also die bescheiden-höfliche Umschreibung des eigenen Geschenks für jemand anderen.

Herr Ando ist nicht nur Großmeister der Tee- und Duftzeremonie, sondern auch ein Lehrmeister der Etikette. Ich fürchte, dass es während seines Besuches in der Botschaft wohl den einen oder anderen Verstoß gegen die Etikette gab. Herr Ando jedoch ließ sich dies nicht anmerken, und so hege ich den Wunsch, dass sein achtjähriger Enkel, der den Großvater auf seiner Reise nach Deutschland begleitete, in 50 Jahren aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums der japanisch-deutschen Beziehungen zu einem Freundschaftsbesuch nach Deutschland kommen möge.
Mari Miyoshi
Gesandte