Vergangene Woche begleitete ich eine Professorin aus Japan, deren Fachgebiet soziale Fragen in China sind, während ihres Besuchs hier in Berlin, bei dem sie sich mit deutschen Forscherkollegen austauschte, die sich mit ähnlichen Themen befassen. Bei den Gesprächen, die auf Englisch geführt wurden, stieß man immer wieder auf gemeinsame Bekannte und Freunde in den jeweiligen Fachgebieten, und ich hatte das gute Gefühl, dass die Botschaft mit diesem Besuch einen Beitrag zur Bildung künftiger Netzwerke leisten konnte. In diesem Zusammenhang wurde mir einmal mehr die große Bedeutung des Englischen als Lingua Franca bewusst. Man sollte bereits im Voraus gut überlegen, welche englischsprachigen Materialien wie Aufsätze und Präsentationen man deutschen Forschern und Experten vorlegt, um als Forscher und Experte aus Japan aufzuzeigen, welche Ansichten man in welchen Bereichen vertritt, um so auf sich aufmerksam zu machen. Andererseits war ich überrascht zu erfahren, dass es unter den deutschen Forscherkollegen auch solche gab, die keinen Lebenslauf auf Englisch anbieten können. Heutzutage verfügen immer mehr Wissenschaftler über ausgezeichnete Kommunikationsfähigkeiten in englischer Sprache, und alle scheinen zu denken, dass, wenn erst einmal das Gespräch in Gang gekommen ist, rasch Kontakte geknüpft werden können. Tatsächlich aber braucht es stets einen Anlass, um sich jemandem zu präsentieren.
Gerade bei Naturwissenschaftlern bildet eine Forschung, bei der man gleichsam die ganze Welt im Sinn hat, die gemeinsame Basis. Aus diesem Grund gibt es auch immer mehr englischsprachige Aufsätze und Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen, die Voraussetzung dafür sind, dass man auf dieser gemeinsamen Grundlage diskutieren kann. Aus eigener Erfahrung glaube ich – es ist hier nicht meine Absicht, eine grobe Verallgemeinerung zu präsentieren – dass es dagegen bei den Geisteswissenschaften eher so ist, dass man sowohl in Japan als auch in Deutschland bei der Forschung eher unter sich bleibt und z.B. hierzulande eine intellektuelle Welt zu existieren scheint, die man allein im deutschsprachigen Raum miteinander teilt. Sofern nicht zufällig internationale Symposien Gelegenheit dazu bieten, nimmt man in den jeweiligen Bereichen kaum Notiz voneinander. Wenn es gelänge, diese Bereiche miteinander zu verknüpfen, dann wäre meiner Meinung nach ein tiefergehender und umfassenderer Blick auf unsere Gesellschaften und ihre geistige Kultur möglich.
Selbstverständlich ist es wichtig, auch zu Versuchen zu ermutigen, die Wissenschaften in Deutschland ohne Vermittlung des Englischen besser kennenzulernen und mit der Forschung in Japan zu verknüpfen. Und auch in umgekehrter Richtung ist dies von großer Bedeutung, aber ich habe doch den Eindruck, dass, was die Motivierung von Forschern aus anderen Ländern anbelangt – und hier insbesondere von japanischen Wissenschaftlern – man in Deutschland bereits einen Schritt weiter ist.
In diesem Monat wird Bundespräsident Gauck Japan einen Besuch abstatten. Für diesen Besuch steht bereits eine ganze Reihe von Terminen fest. Dazu zählt u.a. die Verleihung des Philipp Franz von Siebold-Preises der Alexander von Humboldt-Stiftung in Kyoto. Dieser Preis wurde 1978 anlässlich des Japanbesuchs des in diesem Jahr verstorbenen früheren Bundespräsidenten Walter Scheel von der Bundesregierung gestiftet, und erstmals im darauffolgenden Jahr verliehen. Seit nunmehr über dreißig Jahren werden damit japanische Wissenschaftler ausgezeichnet, die sich in den verschiedensten Fachgebieten mit Deutschland beschäftigen. Der jährlich verliehene Preis ist mit 50.000 Euro dotiert, und der Preisträger wird zudem zu einem Forschungsaufenthalt von bis zu einem Jahr nach Deutschland eingeladen. Verliehen wird der Preis traditionell unmittelbar vom Bundespräsidenten, und in diesem Jahr findet die Verleihung im Rahmen des Japanbesuchs von Bundespräsident Gauck in meinem Land statt.
Neben dem Siebold-Preis gibt es in Deutschland eine ganze Reihe von Stipendien, und ich treffe hier viele japanische Forscher, die davon profitieren. Leider gibt es in Japan keinen vergleichbaren Preis für deutsche Forscher wie den Siebold-Preis. Ich möchte mir einmal darüber Gedanken machen, was die Botschaft unternehmen könnte, um Forscher, die auf den unterschiedlichsten Gebieten über Japan forschen, zu unterstützen und auch, wie man Brücken für den Austausch zwischen deutschen Forschern, die keine Japanexperten sind, und ihren Kollegen in Japan schlagen kann.
Bei diesem Schluss fällt mir selber auf, dass die verschiedenen Themen dieser monatlichen Notizen aus der Redaktion häufig damit enden, dass ich mir Gedanken darüber mache, welche Rolle die Botschaft dabei spielen könnte. Eigentlich war es vor einem Monat meine Absicht gewesen, an dieser Stelle darüber zu schreiben, dass der November der schönste Monat in Japan und mein persönlicher Lieblingsmonat ist. Besuchern aus Japan zufolge kann man dort immer noch in dünner Kleidung diese ganz besondere Zeit genießen. Den November in Deutschland hingegen empfinden Japaner bereits als echten Wintermonat. Mit dem Ende der Sommerzeit verkürzt sich auch die tägliche Dauer des Sonnenlichts deutlich. Es ist eine Jahreszeit, in der Philosophen zu tiefgehenden Betrachtungen neigen. Und so endet dieser Text inmitten einer langen deutschen Nacht wieder einmal in der Art ernsthaften Philosophierens über den Herbst.
Kiminori Iwama, Gesandter