Bild: Premierminister Abe während seiner Rede vor führenden Mitarbeitern der BCG (Foto: Cabinet Public Relations Office)
Verehrte Anwesende,
guten Abend und willkommen in Tokyo. Ich bin Shinzo Abe. Ich begrüße hier fast eintausend führende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BCG, die weltweit im Bereich Unternehmensführung tätig sind, zusammen mit ihren Familienangehörigen.
Finden Sie nicht auch, dass die Nächte in Tokyo sehr hell sind? Allerdings nimmt der Kohlendioxidausstoß deswegen nicht weiter zu. Woran liegt das? Weil wir hier einen weltweiten Spitzenplatz bei der Einführung von LED-Leuchten einnehmen. Und dann gibt es natürlich hier in der Stadt auch sehr viele Sterne. Nirgendwo sonst findet man so viele Restaurants, die vom Guide Michelin mit einem Stern oder sogar mehreren Sternen ausgezeichnet wurden, wie in Tokyo – insgesamt sind es 227 Restaurants.
Seit dem Beginn meiner Regierung hat sich Japan sehr verändert. Mir wurde berichtet, dass Sie heute die Chancen und Attraktivität der Regionen außerhalb Tokyos diskutiert haben. Ich möchte Sie bitten, Ihre Aufmerksamkeit auf die zahlreichen Ressourcen und Produkte zu richten, die sich in diesen Regionen verbergen.
Meine als Abenomics bekannte Wirtschaftspolitik verfolgt im Bereich der Beiträge aus dem Ausland in Japan zwei große Ziele: erstens eine Steigerung der Zahl der ausländischen Besucher und zweitens einen Anstieg der Direktinvestitionen in Japan. Unter meiner Vorgängerregierung lag die Zahl der Touristen aus dem Ausland bei acht Millionen im Jahr. Unmittelbar nach dem Antritt meiner Regierung wurden die Bestimmungen für Visa aufgehoben bzw. gelockert und auch das System der Steuerbefreiungen verbessert. Dies und eine landesweite Kampagne zur Förderung der Gastfreundschaft haben zu einem Anstieg der Besucher auf 24 Millionen im letzten Jahr geführt – eine Steigerung um das Dreifache in nur vier Jahren. Landschaften und kulinarische Genüsse überall in Japan, die nicht einmal die Japaner selber kannten, werden nun weltweit immer bekannter. Für 2020 streben wir das Ziel von 40 Millionen Besuchern pro Jahr an.
Auf der anderen Seite verzeichnen die Direktinvestitionen in Japan einen eher geringen Zuwachs. Für 2020 haben wir uns das Ziel von 35 Billionen Yen gesetzt, aber Ende 2015 beliefen sich die Investitionen gerade einmal auf 24 Billionen Yen – etwa zwei Drittel des angestrebten Werts. Die niedrigen Investitionen aus dem Ausland stellen somit seit mehreren Jahren eine große Aufgabe für uns dar.
Japan mag vielleicht weit entfernt, verschlossen und teuer erscheinen. Ich bin jedoch der Auffassung, dass Japan sich nicht weiter entwickeln wird, wenn wir nicht auch für Unternehmen aus dem Ausland ein attraktives Umfeld schaffen und wenn wir bei unseren Systemen in Japan nicht auch den Standpunkt der ausländischen Unternehmen berücksichtigen. Daher begrüße ich ausdrücklich Ihre Ideen und Meinungen.
Im Rahmen der Abenomics wurde der effektive Unternehmenssteuersatz in den letzten vier Jahren kontinuierlich gesenkt. Seit April letzten Jahres bewegt er sich im Zwanziger Prozent-Bereich. Im nächsten Haushaltsjahr werden wir diese Steuer dann weiter auf das Niveau von Deutschland absenken. Japan setzt sich zudem mit Nachdruck für die Verhandlungen über ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit der EU ein. Sobald eine Einigung erzielt ist, werden sich auch für europäische Unternehmen die Bedingungen für Investitionen in Japan erheblich verbessern.
Schaut man einmal wirklich genau hin, dann findet man in Japan eine Vielzahl von Faktoren, die Innovationen hervorbringen: kleine und mittelständische Unternehmen, die über hervorragende Ressourcen und Technologien verfügen, die Fertigung von detaillierten Versuchsmodellen in kürzester Zeit, Produkte, die während der Verarbeitung selbst Vorschläge zur Verbesserung ihrer eigenen Fähigkeiten unterbreiten sowie eine große Bandbreite an unterstützenden Industrien, die in anderen Ländern ihresgleichen sucht. Darüber hinaus haben die Verbraucher hierzulande einen sehr kritischen Blick. Wann immer all dies mit hervorragenden Ressourcen aus dem Ausland verknüpft wurde, sind daraus innovative Produkte entstanden.
Der Kosmetikhersteller L’Oréal hat dank Technologien, die von japanischen Farbstoffproduzenten übernommen wurden, Lippenstifte und Foundations entwickelt, die sich durch bisher unerreichte frische Farbtöne auszeichnen. Zudem wurde auf der Grundlage von Hautuntersuchungen bei Japanerinnen eine BB Cream für den asiatischen Markt entwickelt, die sich innerhalb Asiens großer Beliebtheit erfreut.
Auch im Bereich Tourismus gibt es neue Entwicklungen. Die Mingly Corporation aus Hongkong hat die Konzession für das insolvente Chikusenso Mount Zao Thermalbad erworben und dort ihr in Thailand und Singapur erworbenes Know-how für Resorts Management umgesetzt. Das Resultat ist eine gelungene Verschmelzung mit der traditionellen Kultur Japans, die nun Gäste aus dem In- und Ausland anzieht.
Ich werde mich weiter dafür einsetzen, Mauern niederzureißen, die Herausforderungen im Wege stehen, sowie ein Umfeld zu schaffen, das Innovationen hervorbringt. Vor kurzem hat die Apple Inc. in Yokohama ein Entwicklungszentrum gegründet. Und im Bereich regenerative und genetische Medizin wurden aufgrund der Beschleunigung der Zulassungsverfahren amerikanische Venture-Unternehmen gegründet, die nun in Japan modernste Forschungs- und Entwicklungszentren aufbauen.
Der Begriff „Made in Japan“, der für hervorragende Qualität steht, wird in den Händen ausländischer Unternehmen, die weltweit über vielfältige Erfahrungen verfügen, zu „Created in Japan“ und breitet sich so über die ganze Welt aus.
(Foto: Cabinet Public Relations Office)
Ist Japan wirklich weit entfernt? Es geht nicht darum, ob Japan weit entfernt von Europa oder den Vereinigten Staaten liegt, sondern dass Japan der nächstgelegene Zugang zum asiatischen Markt ist, dem größten Wachstumszentrum weltweit. Ich möchte Sie bitten, mein Land auf neue Weise als einen Ort zu betrachten, der voller Chancen für Innovationen ist, um neueste Produkte und Dienstleistungen zu kreieren.
Ist Japan gegenüber Menschen aus dem Ausland verschlossen? Ich bin dabei, dies zu ändern. Menschen mit besonderen Fähigkeiten und Kenntnissen erhalten innerhalb von zehn Tagen ein Arbeitsvisum. Dabei gibt es auch kein begrenztes Kontingent. Zudem haben wir eine japanische Version des Systems der Green Card für Fachpersonal eingeführt, das bereits nach einjährigem Aufenthalt in Japan einen Antrag auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung ermöglicht.
Und schließlich: Ist Japan wirklich teuer? Vergleichen Sie bitte die Hotelpreise in Japan mit denen in Europa oder in den Vereinigten Staaten. Vergleichen Sie die Büromieten hierzulande mit Hongkong oder Beijing. Wenn Sie aus Tokyo heraus ins Umland fahren, fallen die Preise deutlich. Gleichzeitig nimmt das Grün zu und auch die Luft ist sehr sauber. Ich denke, Sie alle wissen zudem die Sicherheit und die Zuverlässigkeit der Infrastruktur zu schätzen.
Ich möchte, dass Sie selbst erfahren, dass hier in Japan nicht nur in Tokyo, sondern auch in den Regionen außerhalb der Hauptstadt zahlreiche Chancen auf Sie warten. Bitte teilen Sie ihre hier gemachten Erfahrungen den Unternehmensvertretern auf der ganzen Welt mit.
Zum Schluss noch ein Punkt. Ich hab gehört, dass das letzte Worldwide Officers Meeting Ihres Unternehmens in Japan vor 34 Jahren stattfand. Sollte das nächste Meeting wieder 34 Jahre auf sich warten lassen, wäre ich darüber sehr traurig. Ich käme mir wirklich einsam vor. Bitte veranstalten Sie schon bald erneut ein Worldwide Officers Meeting der BCG in Japan. Wir werden Sie von ganzem Herzen willkommen heißen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.