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Kultur

Onsen – Heiße Quellbäder in Japan

Ein perfekter Ort zum Entspannen

Das Eintauchen in heißes Wasser entspannt Körper und Geist, und für die Menschen in Japan ist dies ein Brauch, den sie in hohem Maße genießen. Natürliche Quellen, deren heißes Wasser an die Oberfläche sprudelt, sind seit alters her in allen Teilen des Landes eine außerordentlich geschätzte Annehmlichkeit. In diesem Beitrag erläutert Prof. Tadanori Matsuda, ein führender Experte auf dem Gebiet der heißen Quellen, die historischen sowie wissenschaftlichen Aspekte der Quellbäder in Japan, um ihr Geheimnis zu ergründen, aber auch, um ihren therapeutischen Nutzen und ihrer Kultur nachzugehen.

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Bild: Bäder unter freiem Himmel werden roten buro genannt. Ein Bad inmitten der freien Natur befreit Geist und Körper vom Stress des Alltags. (Ashinomaki Onsen Spa, Präfektur Fukushima)

Ein heißes Bad ist für Japaner die beste Quelle der Entspannung und Behaglichkeit. Besonders beliebt sind Bäder unter freiem Himmel und inmitten der schönen Natur. Dort kann man sich gleichsam mit der Natur verbinden und sich eins mit allen Dingen fühlen, während man im Wasser entspannt: Das Rauschen eines Gebirgsbachs im Ohr, eine sanfte Brise auf der nackten Haut spürend und den Geruch des Mineralwassers in der Nase … Das Laub der Bäume mit seinem kräftigen Grün und dem milden Duft, das sich im Herbst zu einer bunten Farbenpracht wandelt, um dann sacht zu Boden zu fallen.

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Bild: Dieses dampfend heiße Wasser sprudelt aus der Erde hervor, ein wahrer Segen der Natur.

Dass Bäder unter freiem Himmel einen so großen Reiz verströmen, liegt womöglich darin begründet, dass tief in unseren Genen die Fähigkeit wurzelt, unsere fünf Sinne wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückzuversetzen, wenn wir im Schoß der Natur baden. Eine Ausgrabungsstätte, die 1964 in der Präfektur Nagano entdeckt wurde, lässt vermuten, dass die Menschen in Japan bereits seit 6.000 Jahren eine enge Beziehung zu Quellbädern unterhalten.

Meiner Ansicht nach verkörpert das Duschen einen bestimmten Aspekt der „Wasch- und Erfrischungskultur“ des Westens, während die Vorliebe der Japaner, bis zu den Schultern in ein Becken mit heißem Wasser einzutauchen, ein besonderer Aspekt der japanischen Kultur des „Eintauchens in die Behaglichkeit“ darstellt. Dies ist möglicherweise der Grund, warum die Menschen in Japan in heißen Quellbädern echte Behaglichkeit finden.

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Bild: Dieser ukiyoe Holzschnittdruck aus dem 19. Jhdt. zeigt eine Frau in einem Quellbad in Hakone. (Aus: Berühmte Ansichten von der Tokaido: Heiße Quellbäder in Hakone). (Im Besitz der Tokyo Metropolitan Fundation for History and Culture Image Archives)

In Japans einheimischer Religion, dem Shintoismus, wird Unmoral oder Unschicklichkeit mit dem Begriff kegare bezeichnet, was wörtlich „Verunreinigung“ bedeutet. Eine Verunreinigung kann mittels Wasser in einem als misogi bezeichneten Reinigungsritual beseitigt werden. Wird ein misogi in einem heißem Quellbad vorgenommen, nennt man dies yugori. Es scheint, dass der Brauch, in heißen Quellen zu baden, weniger durch den Wunsch motiviert ist, sich den Schmutz vom Körper abzuwaschen als vielmehr von dem Bedürfnis, den Geist durch yu-go-ri (wörtlich „heißes Quellwasser zur Befreiung von Verunreinigungen“) zu reinigen.

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Bild: Ein Beispiel für ein luxuriöses Onsen während der Winterzeit. (Shirahone Onsen, Präfektur Nagano)

Früher war das misogi Ritual eng mit dem Glauben an die Wiedergeburt verknüpft, bei der man ein neues Ich wurde. Eine Wiedergeburt verjüngt den Menschen. Heiße Quellbäder gelten in Japan seit langem als ein Weg zur Verjüngung. Die modernen Wissenschaften sagen uns, dass die antioxidativen Kräfte in mineralischen Wassern Körperzellen wiederbeleben und somit einen Anti-Aging-Effekt ausüben. Je älter wir werden, desto anfälliger werden unsere Körperzellen für Oxidationsprozesse und es bildet sich so etwas wie „zellularer Rost“. Auf der anderen Seite kann dieser „Rost“ durch Baden in heißen Quellen entfernt werden, indem sie die Oxidation reduzieren. Die Wissenschaften belegen also, dass sich ein hoher Anteil an Antioxidantien verjüngend auswirkt.

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Bild: Als yumomi bezeichnet man das Rühren des heißen Wassers, um es abzukühlen. Diese Aufführung ist Teil einer Show, die auch humoristische Lieder beinhaltet. (Kusatsu Onsen Spa, Präfektur Gunma)

„In einem heißen Quellbad gehe über dein Bewusstsein hinaus und folge Mutter Natur.“ Diese Lebensweisheit findet man in Reiseführern aus dem 19. Jahrhundert, die die therapeutischen Vorzüge von Quellbädern preisen. Für mich kommt darin ein Wissen von den heilenden Kräften der heißen Quellen zum Ausdruck. Ihr dampfend heißes Wasser, das aus der Energie unseres Planeten stammt, ist völlig rein, und vielleicht sollten wir einen besseren Rahmen für unseren Geist entwickeln, indem wir in diese Quellen eintauchen. Es mag sich für uns lohnen, den „Weg der heißen Quellbäder“ zu praktizieren, indem wir uns auf ein Bad in einer Quelle vorbereiten, während wir gleichzeitig nach muga streben, einem Zustand des Geistes ohne Ich-Bezogenheit, ohne weltliche Gedanken – mit anderen Worten ein Geisteszustand der vollkommenen Selbstlosigkeit, der im Buddhismus mit dem Begriff mushin bezeichnet wird.

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Bild: Natürliches Sonnenlicht fällt durch die Fenster, während im Innern eine Lampe sanftes Licht verströmt und so die Entspannung unterstützt. (Aoni Onsen Spa, Präfektur Aomori. Foto: Hiroshi Kuroda/Aflo)

Ich möchte möglichst viele Menschen dazu einladen nach Japan zu kommen, um einmal selbst in ein heißes Quellbad einzutauchen und sich mit allen Sinnen zu entspannen.

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Bild: Eine andere Sorte von heißen Bädern. Hier wird der Gast in heißen, feuchten Sand eingegraben. Während der Körper auf diese Weise ganz durchwärmt wird, kann man dem Rauschen der Meereswellen lauschen. (Ein Dampfsand-Bad in der Präfektur Kagoshima)

Der Autor: Prof. Tadanori Matsuda ist promovierter Mediziner und ein ausgewiesener Experte für heiße Quellbäder. Bekannt als „Professor Onsen“ hat er zahlreiche Werke zur Geschichte und Kultur der heißen Quellbäder in Japan verfasst, darunter Edo no Onsen-gaku (Studien zu heißen Quellbädern der Edo-Zeit), Onsen Kyoju no Tojiryoku (Professor Onsen und die Quellbäder-Behandlung) oder Onsen Kyoju no Nihon Hyakumeito (Die 100 besten Quellbäder in Japan empfohlen von Prof. Onsen).

Fotos: Aflo

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