Botschaft von Japan
Neues aus Japan Nr.44                                   Juli 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bericht eines Teilnehmers am JET-Programm:

Drei Jahre Japan – und (noch?) kein Ende in Sicht

 


Jedes Jahr Anfang August machen sich junge deutsche Hochschulabsolventen auf den Weg nach Japan, um sich für die Internationalisierung Japans zu engagieren. Dies geschieht im Rahmen des Japan Exchange and Teaching (JET) Programms, mit dem jährlich über 5000 junge Menschen aus fast 40 Ländern hauptsächlich als Assistenz-Sprachlehrer oder Sporttrainer in Schulen arbeiten bzw. in Rathäusern oder Präfekturverwaltungen außerhalb der großen Zentren wie Tokyo oder Osaka im Bereich Internationale Beziehungen zu assistieren.
Zur Zeit arbeiten zwei Assistenz-Deutschlehrer, ein deutscher Basketballtrainer sowie 16 deutsche Koordinatoren für Internationale Beziehungen (CIR) in Japan. Eine von letzteren, Alida Speler, beendet demnächst ihr 3. Jahr in einer kleinen Stadt auf Kyushu. Lesen Sie hier ihren Bericht:
 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Es ist nun genau zwei Jahre und elf Monate her, dass ich im Zuge des JET-Programms meinen Wohnsitz von Deutschland nach Japan, genauer gesagt in die 60.000-Einwohner-Stadt Tosu, Präfektur Saga, verlegt habe. Die Präfektur Saga ist selbst in Japan fast unbekannt. „WO wohnst du? In SAGA?“ Für viele Japaner und Nicht-Japaner, ob ich sie nun in Tokyo, in meiner Nachbarpräfektur Fukuoka oder in Deutschland treffe, ist das schlicht unglaublich: was macht denn eine junge deutsche Frau bitte in Saga? „Bist Du dort verheiratet?“, „Arbeitest Du dort als Englischlehrerin?“ – viel wird dann spekuliert. „Nein, ich bin dort im Rathaus angestellt.“ „Im Rathaus?“ – die Vorstellung, dass eine Deutsche in einer japanischen Behörde arbeitet, macht die meisten schlicht sprachlos. Wenn ich dann erkläre, dass ich in Tosu hauptsächlich aufgrund deren städtefreundschaftlichen Beziehungen mit der ostdeutschen Kleinstadt Zeitz tätig bin, wird die Verwunderung nicht viel weniger.

Als ich vor drei Jahren nach Tosu kam, kannte ich wirklich keine Menschenseele. Dank zahlreicher Aktivitäten, die ich im Rahmen meiner Stelle durchgeführt habe (z.B. Schulbesuche, Deutsch- und Englischkurse, dem weihnachtlichen Stollen- und Plätzchenbacken, Ostereier Bemalen, dem deutschen Filmclub etc.), habe ich das Gefühl, für viele Menschen inzwischen ein alt bekanntes Gesicht zu sein. Ob im Supermarkt, am Bahnhof, im Fitness Studio, in einer der zahlreichen Kneipen oder auch beim Arzt im Wartezimmer: man kennt mich. Den meisten Taxifahrern in Tosu brauche ich meine Adresse auch nicht mehr zu sagen, sie wissen, wo ich wohne. Mit den zwei Angestellten der Tankstelle, die sich genau vor meinem Apartmentblock befindet, grüß ich mich mehrmals täglich (auch wenn ich kein Auto besitze); von dem Personal des Alkoholgroßhandels gegenüber meiner Wohnung bekomme ich öfters mal einen Umeshu (Pflaumenwein) extra in den Einkaufskorb gelegt und da ich mit der Tochter des Tierarztes im Rahmen des Schüleraustausches in Zeitz war, bekam ich auch 50% Rabatt bei der Sterilisation meiner Katze, die ich in einer Kiste vor dem Supermarkt um die Ecke gefunden hatte.

Einen Großteil meiner „Bekanntheit“ verdanke ich auch den lokalen Zeitungen und dem lokalen Fernsehsender. Oft werde ich von Unbekannten in Tosu angesprochen: sie lesen mit großer Freude meine monatliche Kolumne. In diesen Artikeln schreibe ich immer ganz frei von der Leber weg, was mich in Japan bewegt: schöne Erlebnisse, Trauriges – man könnte diese Berichte fast als persönliches öffentliches Tagebuch bezeichnen.

Nicht nur mit Tosu habe ich ein intensives Verhältnis aufgebaut – auch mit Tosus Partnerstadt Zeitz in Sachsen-Anhalt. So habe ich das Gefühl, dank zahlreicher Besuche offizieller Delegationen und Aktivitäten wie des jährlich stattfindenden Schüleraustausches oder Besuchen von Künstlern und jungen Pianisten, eine besondere Beziehung zu Zeitz aufgebaut zu haben, die sich auch in der Zukunft fortsetzen wird.

Wenn ich mich an die letzten drei Jahre erinnere, denke ich auch an alle JET-Teilnehmer aus so vielen unterschiedlichen Ländern, die ich dank des Programms kennen lernen durfte. Ich habe nicht nur Vieles über die japanische Kultur erfahren – der Austausch mit meinen Freunden aus Kanada, Singapur, Jamaika, England und vielen anderen Ländern hat mein Leben sehr bereichert und meinen Horizont erweitert. Zudem bot sich mir dank des JET-Programms die Möglichkeit, Dinge zu tun, an die ich zuvor nie gedacht hatte – zwei von Saga-JET organisierte Reisen in die Mongolei und nach Indien, bei denen wir mit einer amerikanischen Hilfsorganisation Häuser für bedürftige Familien bauten, die Teilnahme am internationalen Triathlon Worldcup auf Ishigakijima (Präfektur Okinawa), wo ich für die zukünftigen an der Olympiade in Peking teilnehmenden Triathleten übersetzt habe.

Viele schöne Erinnerungen bleiben zurück: die über 3000 Jahre alten Bäume auf Yakushima, Snowboarden in Hiroshima, Teilnahme am internationalen Wasserfall-Kletterwettbewerb in den Bergen Sagas, Teilnahme an der Schlamm-Olympiade im Süden unserer Präfektur. Aber auch die Fahrt zum traditionellen Fest der nackten Männer nach Okayama oder zum Winterfest nach Hokkaido – das JET-Programm hat mir all diese wunderbaren Erinnerungen dank seiner wundervollen Organisation und seines Netzwerks ermöglicht.

Wo fühle ich mich denn nach drei Jahren Japan mehr zu Hause? Natürlich in Deutschland meinen viele zu glauben. Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Nach drei Jahren Japan fühle ich mich immer weniger Deutsch, eher immer mehr Japanisch. „Du bist japanischer als so manche Japaner“ „loben“ mich oft meine japanischen Kollegen. Tatsache ist jedoch, dass ich keine Japanerin bin. Zu einem bestimmten Grad habe ich mich sehr gut in die japanische Gesellschaft integriert, ich führe ein unbeschwertes, sorgenfreies Leben. Ich habe großartige japanische Kollegen, viele japanische und nicht-japanische Freunde. Doch in manchen Situationen wird mir schlagartig bewusst, dass ich in Japan sowohl Ausländerin als auch Außenseiterin bin – und dies immer bleiben werde. Wenn mich dieses Gefühl überkommt, fühle ich eine Hilflosigkeit, auch eine gewisse Angst. Nach Deutschland zurückgehen? Ja gerne, irgendwann einmal! Aber noch nicht jetzt. Warum nicht jetzt? Das ist schwer in Worte zu fassen – eine starke emotionale Verbindung zu Japan, die trotz aller kulturellen und sprachlichen Barrieren mir das Gefühl gibt zu Hause zu sein.

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