
Notizen aus der Redaktion
In diesem Sommer gibt es auch in Deutschland ziemlich viele Tage, an denen die Temperaturen auf über 30 Grad klettern, aber ich finde, dass es im Vergleich zu Japan, wo neben hohen Temperaturen auch eine hohe Luftfeuchtigkeit herrscht, hierzulande doch einigermaßen erträglich ist. Wonach ich mich hier in Deutschland aber sehne, wenn ich in dieser heißen Jahreszeit an Japan denke, sind die „Natsumatsuri“, die Sommerfeste in meinem Land.
Selbstverständlich gibt es auch in Deutschland sommerliche Veranstaltungen, wo eine Vielzahl von Menschen zusammenkommt, um miteinander zu feiern und Spaß zu haben. Ich denke hier beispielsweise an die traditionelle Gartenparty im Schloss Bellevue mit 5000 Gästen, die genau am Tag der Amtseinführung des neuen Bundespräsidenten Christian Wulff stattfand. Ein weiteres Beispiel war die Fanmeile während der Fußballweltmeisterschaft in der Nähe der Siegessäule, als mehrere hunderttausend Menschen zusammen jubelten und die deutsche Nationalelf feierten. Ein japanisches „Matsuri“ ist aber doch etwas Besonderes. Sehr bekannte Sommerfeste in meinem Land sind beispielsweise das Nebuta-Matsuri in Aomori, das Kanto-Matsuri in Akita oder auch das Tanabata-Matsuri in Sendai. Alle diese Feste haben ihren Ursprung in der Bitte um eine gute Ernte sowie um eine gedeihliche Entwicklung der Handwerkskünste. Typisch für sie sind die reich geschmückten und aufwändig gestalteten Festwagen, die diese Feste als eine „Schau“-Veranstaltung charakterisieren.
Ich persönlich erinnere mich allerdings vor allem an die „Awa-odori“, also die Awa-Tänze, an denen ich als Grundschülerin jeden Sommer in Tokushima auf der Insel Shikoku teilnahm, wo meine Großmutter lebte. (Siehe auch den Beitrag "Auf Pilgerpfaden durch Tokushima" in dieser Ausgabe von Neues aus Japan.) Begleitet von Shamisen-Lauten, Trommeln, Gongs und Querflöten tanzen die Tänzerinnen und Tänzer zum Rhythmus des Liedes „Tanzende Dummköpfe und zuschauende Dummköpfe: Sind alle Dummköpfe, wäre es schade, schade, wenn man nicht tanzt …“ durch die Stadt Tokushima. In seiner Ausgelassenheit ähnelt dieses Fest durchaus dem brasilianischen Karneval mit seinen Umzügen in Form von Tanz und Gesang. An diesem Festtag wurde ich als kleines Mädchen von meiner Großmutter ein wenig geschminkt sowie mit einem Strohhut, einem Untergewand aus juban und pinkfarbenem susoyoke, tekko-Handschuhen und geta-Sandalen ausgestattet. Es war wirklich sehr heiß, wenn man in diesem Kostüm tanzte. Näherte man sich aber den Zuschauerlogen, dann fing der Körper ganz von alleine zu tanzen an … es war wirklich wie ein Zauber. Als Kind habe ich viele Jahre lang an diesen Tänzen teilgenommen.
Besuchern Japans wird oft empfohlen, das Land im Frühjahr oder Herbst kennenzulernen. Wie wäre es aber, Japan einmal im heißen Sommer zu besuchen und sich bei den Bon-Tänzen und den zahlreichen Sommerfesten zu vergnügen?
Mari Miyoshi
Gesandte
Leiterin der Abteilung
für Kultur und Öffentlichkeitsarbeit