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Neues aus Japan Nr.69 August 2010

Regionen Japans - vorgestellt von Teilnehmern des JET-Programms

Tokushima – Pilger, Tänzer und Beethovens Neunte

Jedes Jahr Anfang August machen sich junge deutsche Hochschulabsolventen auf den Weg nach Japan, um sich für die Internationalisierung Japans zu engagieren. Dies geschieht im Rahmen des Japan Exchange and Teaching (JET) Programms, mit dem jährlich ca. 4500 junge Menschen aus fast 40 Ländern hauptsächlich als Assistenz-Sprachlehrer in Schulen arbeiten bzw. in Rathäusern oder Präfekturverwaltungen außerhalb der Ballungszentren im Bereich Internationale Beziehungen assistieren. Zurzeit arbeiten zwei Assistenz-Deutschlehrerinnen und 11 deutsche KoordinatorInnen für Internationale Beziehungen (CIR) in Japan. Inzwischen gibt es aber auch bereits 244 ehemalige deutsche TeilnehmerInnen am JET-Programm.
Bis dato haben aktuelle und ehemalige deutsche TeilnehmerInnen für NaJ ihr Leben als JET und ihre Aufgaben und Erlebnisse beschrieben - z.T. direkt von vor Ort, z.T. aus der Rückschau.
Nun sollen in diesen Berichten schwerpunktmäßig ihre Einsatzregionen vorgestellt werden. Diesen Monat berichtet Anja Hankel über die Präfektur Tokushima auf Shikoku – sie ist seit genau einem Jahr im Deutschen Haus Naruto in Tokushima als CIR tätig:

Pilger auf ShikokuShikoku ist eine viel bereiste Insel und nicht wenige Besucher haben Wanderschuhe im Gepäck. Neben Touristen sind es seit jüngster Zeit wieder vermehrt buddhistische Pilger, die die Insel für sich entdecken wollen. Oder vielmehr eine Mischung aus beidem. Denn über die Insel führt ein mit über 1200 km sehr langer Pilgerrundweg, den seit einigen Jahren wieder viele in Angriff nehmen. Durch dicht besiedelte Dörfer und Städte, vorbei an hellgrünen Reisfeldern und gepflegten Obsthainen, durch enge Schluchten, über hohe Berge und entlang endloser Küstenabschnitte führt der Weg einmal rund um die Insel. Für den Gläubigen, der ihn zurückgelegt hat, kommt seine Absolvierung nach buddhistischem Glauben einer Eintrittskarte in das Paradies gleich. Begleiten wir unseren imaginären Pilger ein Stück weit durch den ersten Abschnitt seiner Reise, die Präfektur Tokushima.

Zunächst muss er jedoch erst einmal auf die Insel gelangen. Das erste Ziel der meisten Pilgertouristen ist deswegen der Ort Naruto am Nordostzipfel der Präfektur. Der Name der Stadt wird mit den Schriftzeichen für „Meerestosen“ und „Tor“ geschrieben – kann man Reisende schöner willkommen heißen? Heute erreicht man den Ort vergleichsweise schnell über die Autobahn aus Richtung Kobe-Osaka, die über zwei gigantische Meeresbrücken die Insel an das japanische Hauptland anschließt. Noch bevor man die Insel betritt, erwartet den Besucher beim Überqueren der südlicheren der beiden Brücken-Abschnitte eines der touristischen Highlights der Gegend. Die „Naruto-Straße“ genannte Meerenge mit ihren beeindruckenden Gezeitenstrudeln. Auf einer Breite von nur gut einem Kilometer treffen sich hier die Wasser der Inlandsee und des Pazifischen Ozeans. Bei Flut fließt Ozeanwasser durch die Meerenge in die Inlandsee, bei Ebbe läuft es in die umgekehrte Richtung wieder ab, sodass täglich zum Gezeitenwechsel die berühmten Naruto-Strudel entstehen, welche man durch eingelassene Fenster in der Fußgänger-Promenade der Brücke bewundern kann. Diese in 40 Metern Höhe gelegene Strudel-Meile, die als Teil des Naruto-Parks eine der Hauptattraktionen der Gegend ist, zieht alljährlich hunderttausende schwindelfreie Besucher an.

 

Narutobruecke

Nur einen Steinwurf davon entfernt liegt das Otsuka-Museum of Art. In einer weltweit einmaligen Sammlung kann man hier über 1000 der bedeutendsten Meisterwerke westlicher Kunst von der Antike bis zum 20. Jahrhundert bewundern und sogar berühren. Denn sämtliche hier ausgestellten Werke sind in einem speziellen Verfahren in Originalgröße auf Kacheln gebrannte Reproduktionen und trotzen so den Alterungsprozessen. Wer also einmal der Mona Lisa an die Nase fassen oder auch ohne eine Weltreise zu machen gleichzeitig die Sixtinische Kapelle in Original-Größe und einen Da Vinci, Monet oder Liechtenstein bewundern will, hat hier die Gelegenheit dazu.

Mit diesen natur- und bildgewaltigen Eindrücken im Gepäck passieren wir nun Naruto in Richtung seines Stadtteils Bandô, vorbei an Lotosblüten- und Reisfeldern, an Birnen- und Pfirsichhainen, an den berühmten Töpferei-Manufakturen von Ôtani bis in den Stadtbezirk Ôasa.

Hier liegt der erste der 88 Tempel der Rundfahrt, der Ryôzenji. Während unser Pilger mit nur den nötigsten Utensilien ausgestattet seine Wallfahrtsgeschäfte verrichtet, folgen wir einem Straßenschild, das ein „Deutsches Haus“ ausweist – und tatsächlich, ganz in der Nähe befindet sich ein stattliches Museum, das auf den ersten Blick wie ein deutsches Rathaus anmutet. Hier im Ortsteil Bandô befand sich zu Zeiten des Ersten Weltkrieges nämlich ein Kriegsgefangenenlager mit etwa 1000 deutschen Gefangenen, die hier jedoch unter humanen Bedingungen leben konnten. Bandô entwickelte sich von einem stacheldrahtumzäunten Lager zu einer Enklave deutscher Kultur, die das heutige Verhältnis zwischen Japan und Deutschland Deutsches Haus in Narutonachhaltig geprägt hat und durch das hier bewahrte Andenken noch heute prägt: Zwischen Naruto und Lüneburg besteht inzwischen eine gut gepflegte Städtepartnerschaft mit sich jährlich abwechselnden Delegationsbesuchen und Beethovens 9. Symphonie, deren japanische Erstaufführung von den Musikern der Lagerkapellen vorgenommen wurde, ist inzwischen selbst schon ein Stück japanischer Kultur geworden.

Auf dem Weg zu Tempel Nummer 2, der nur wenige Kilometer entfernt liegt, treffen wir unseren beflissenen Pilgerer wieder und entscheiden unsUdon, bei einer Mittagspause einen Blick auf die Spezialitäten der Region zu werfen. Tokushima ist bekannt für seine Udon – dicke Weizennudeln, die mit einer klaren Suppe, Seetang und frittiertem Gemüse oder Meeresfrüchten serviert wird. Außerdem ist die Gegend berühmt für ihre Süßkartoffeln, ihre saftigen Nashi-Birnen und Meerbrassen. Zu jedem Gericht darf ein Spritzer Sudachi-Limettensaft nicht fehlen.

Frisch gestärkt geht es nun weiter über den Fluss Yoshino in Richtung der Präfekturhauptstadt Tokushima. Mitte August, wenn die Hitze hier ihren Höhepunkt erreicht, ist die Luft Tag und Nacht von Trommel- und Flötenklängen erfüllt. „Yatto sa!“ – „Endlich ist es soweit!“ - hört man es von überall her rufen; Tanzgruppen in traditionellen Kostümen marschieren fröhlich von überall her durch die Stadt, denn es ist Tanzsaison. Der „Awa-Odori“ ist das größte japanische Tanzfestival und verbucht alljährlich etwa 1,3 Millionen Besucher. An drei Tagen präsentieren hunderte Gruppen ihre monatelang einstudierten Choreographien und auch so mancher Zuschauer fühlt sich animiert, spontan mitzutanzen.

 

Awa-Odori

Vom Awa-Tanz berauscht, setzt unser Pilgerer seine Route beschwingt gen Süden fort und erreicht nach einigen Tagesmärschen und so manchem besuchten Tempel das beschauliche Küstenstädtchen Hiwasa, das mit seinem Meeresschildkröten-Museum und Bootsfahrten durch beschauliche Buchten zu einer wohlverdienten Pause einlädt. Von dort sehen wir ihn in Richtung Süden davoneilen. Einige Wochen später werden wir ihn beim Tempel Nr. 66 wieder treffen, welcher im Westen der Präfektur in der Stadt Miyoshi liegt. Ganz in der Nähe haben die aus den Bergen heraneilenden Fluten des Yoshino tiefe Schluchten in das Gestein geschnitten – ein idealer Ort für Abenteuerlustige, die sich einmal im Rafting probieren möchten oder ihre Höhenangst auf traditionellen Hängebrücken aus Schlingpflanzen überwinden wollen. Unser Pilgerer gönnt sich unterdessen eine Verschnaufpause in den nahe gelegenen heißen Quellen, bevor er seinen Weg gen Norden fortsetzt, wo er in einigen Tagen sein Ziel erreichen wird.

 

Japankarte

 

 

FAKTEN ZU TOKUSHIMA

Lage: Die Präfektur Tokushima (Hauptstadt: Tokushima-City) liegt im Osten Shikokus, der kleinsten der vier japanischen Hauptinseln am Seto-Binnenmeer, Kii-Kanal bzw. Pazifischen Ozean. In der Meerenge von Naruto gegenüber der Insel Awaji entstehen beeindruckende Gezeitenstrudel.

Fläche: Präfektur Tokushima ca. 4.147 km²

Bevölkerung:  ca. 789.000 Einwohner

Besonderheiten: Awa-Odori (Awa-Tanz), Indigo-Färberei, Sudachi-Zitrusfrucht

Klima: warm-gemäßigt

Links:

 

 

 


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