Neues aus Japan Nr. 137 | April 2016
Gesellschaft
Im Dezember 2015 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen, den 5. November als „Welt-Tsunami-Tag“ festzulegen. Dieser Beschluss erfolgte auf der Grundlage eines gemeinsamen Antrags von 142 Staaten, zu denen auch Japan zählte. Dieser Beitrag erläutert die Bedeutung der Einführung des „Welt-Tsunami-Tages“ sowie Japans Engagement auf dem Gebiet der Katastrophenprävention einschließlich Tsunami.
Tsunami sind, wie die beiden Schriftzeichen TSU = „Hafen“ und NAMI = „Welle“ bereits andeuten, große Flutwellen, die plötzlich auf die Küste treffen. Beim Auftreten eines Erdbebens hebt bzw. senkt sich die Erdkruste in der Umgebung des Epizentrums. Liegt das Epizentrum unter dem Grund des Meeres, wird das Wasser in der Umgebung kurzfristig gehoben bzw. gesenkt. Das angehobene Wasser entwickelt sich zu einem Tsunami, der sich anschließend ausbreitet. Neben Erdbeben können auch Vulkanausbrüche, Bergrutsche an Küsten oder Erdrutsche am Meeresgrund Tsunami auslösen. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Wellen auf dem Meer, die sich nur an der Oberfläche bewegen, sind bei einem Tsunami die Wassermassen vom Meeresgrund bis zur Oberfläche des Meeres in Bewegung. Dadurch erreichen diese Wellen hohe Geschwindigkeiten und sie sind sehr energiereich. Aus diesem Grund breiten sich Tsunami über weite Entfernungen aus und treffen schließlich auf die Küste, wo sie Höhen erreichen können, die weit über die gewöhnlicher Wellen hinausreichen. Eine Besonderheit von Tsunami ist zudem, dass sie in Regionen mit flachem Meeresboden von einem Moment auf den anderen erheblich an Höhe zunehmen.
Bild: Entstehen eines Tsunami
Verglichen mit anderen Naturkatastrophen treten Tsunami seltener auf, verursachen jedoch sehr schwere Schäden, wie an den Beispielen des Tsunami im Indischen Ozean vor Sumatra 2004 oder dem schweren Erdbeben und Tsunami im Osten Japans 2011 zu erkennen war. Schwere Erdbeben und damit einhergehend hohe Tsunami können auch in Zukunft auftreten. Bisher ist es noch nicht möglich exakt vorherzusagen, wann sie auftreten, und ihre Entstehung selbst kann nicht verhindert werden. Aus diesem Grund ist es besonders in Inselstaaten wie Japan oder Staaten mit Küstenlinien notwendig, stets auf das mögliche Auftreten eines Tsunami gefasst zu sein und seine Auswirkungen auf das kleinstmögliche Ausmaß zu begrenzen.
Bild: Schäden durch den Tsunami vor Sumatra im Dezember 2004 (links) und den Tsunami im März 2011 in der Stadt Miyako, Präfektur Iwate (rechts).
Die Schäden durch Tsunami, die infolge von Erdbeben entstehen, nehmen kein Ende: Chile 1960, Philippinen 1976, Papua-Neuguinea 1998, Türkei 1999, Peru 2001, die Anrainerstaaten des Indischen Ozeans 2004, Samoa und Tonga 2009, die Salomonen 2007 und 2013 sowie schließlich das schwere Erdbeben im Osten Japans 2011 – all diese Tsunamikatastrophen haben zahlreiche Todesopfer gefordert und große Schäden verursacht. Die Bedrohung durch Tsunami ist eine stete Sorge, die viele Länder auf der Welt miteinander teilen. Um die Zahl der Opfer dieser Katastrophen zu verringern, muss die Staatengemeinschaft ihr Wissen über Tsunami weiter vertiefen und sich der Dringlichkeit von Maßnahmen gegen diese Flutwellen stärker bewusst werden.
Tsunami-Katastrophen
Das rasche Weiterleiten und Teilen von Informationen, d.h. ein funktionierendes „Frühwarnsystem“, ist und bleibt auch künftig eine wichtige Maßnahme gegen Tsunami. Da vom Entstehen eines Tsunami bis zu seinem Auftreffen auf die Küste eine gewisse Zeitspanne vergeht, ist bei einer raschen Informierung eine Evakuierung der Menschen möglich. Hierfür sind neben dem Aufbau von Systemen zur Informationsübermittlung, etwa für das Auslösen eines möglichst frühen und präzisen Tsunami-Alarms, auch die Vertiefung der Kenntnisse über die Gefahren von Tsunami und die Schärfung des Bewusstseins der Menschen für eine „rechtzeitige Evakuierung“ erforderlich.
Japan hat sich aufgrund seiner Erfahrungen und Lehren aus zahlreichen Katastrophen vielfältiges Wissen und viele Technologien in Bezug auf die Katastrophenprävention angeeignet bzw. selbst entwickelt. Im März 2015 fungierte das Land zudem als Gastgeber der 3. Weltkonferenz für Katastrophenprävention in Sendai, auf der der Sendai Framework for Disaster Risk Reduction 2015-2030 (Link zum United Nations Office for Disaster Risk Reduction – in engl. Sprache) verabschiedet wurde. Diese neuen internationalen Richtlinien zur Katastrophenprävention beinhalten u.a. zahlreiche Punkte und Konzepte, die von Japan vorgeschlagen wurden, etwa die große Bedeutung von Investitionen in die Vorbeugung von Katastrophen, die Beteiligung möglichst vieler Akteure sowie das Konzept eines verbesserten Wiederaufbaus (Build Back Better). Bei der Bekämpfung von Naturkatastrophen richtete sich der Fokus bislang vor allem auf Maßnahmen nach dem Auftreten von Katastrophen wie z.B. humanitäre Hilfe und Wiederaufbau. Als ein Land, das regelmäßig von schweren Naturkatastrophen heimgesucht wird, betont Japan nun auf der Grundlage seiner eigenen Erfahrungen die große Notwendigkeit, auch in Präventionsmaßnahmen im Vorfeld einer Katastrophe zu investieren. Auch in Bezug auf den Wiederaufbau und die Erholung nach Katastrophen betont Japan, dass man nicht einfach den alten Zustand vor der Katastrophe wiederherstellen sollte, sondern vielmehr eine Gesellschaft schaffen sollte, die besser gegen derartige Katastrophen gewappnet ist. Premierminister Abe verkündete als Beitrag Japans die „Sendai Cooperation Initiative for Disaster Risk Reduction“, in deren Rahmen in den kommenden vier Jahren rund vier Mrd. Dollar für die Zusammenarbeit aufgewendet sowie 40.000 Personen zu Experten im Bereich Katastrophenprävention und Wiederaufbau ausgebildet werden.
Bild: Die 3. Weltkonferenz für Katastrophenprävention (März 2015) (Fotos: Cabinet Public Relations Office)
Auf der 3. Weltkonferenz für Katastrophenprävention wurde unter Berufung darauf, dass der 5. November in Japan der „Tsunami-Präventions-Tag“ ist, die Einführung eines „Welt-Tsunami-Tages“ zur weltweiten Förderung des Bewusstseins der Katastrophenprävention vorgeschlagen. Dieser „Tsunami-Präventions-Tag“ geht auf eine Begebenheit während des schweren Ansei-Nankai-Erdbebens zurück, das gegen Ende der Edo-Zeit, nämlich am 5. November 1854 auftrat. Bei diesem Erdbeben wurde die Kii-Halbinsel in Zentraljapan von einem schweren Tsunami getroffen. Im Dorf Hirokawa in der heutigen Präfektur Wakayama entzündete ein Bewohner ein Feuer auf seinem Reisfeld und warnte auf diese Weise die Menschen seines Dorfes rechtzeitig vor dem herannahenden Tsunami. Diese Begebenheit ist in Japan als „Inamura no hi“ („Reisgarbenfeuer“) bekannt. Aus dem Wunsch heraus, für den „Welt-Tsunami-Tag“ nicht das Datum einer schweren Tsunami-Katastrophe zu wählen, sondern vielmehr ein Beispiel dafür, wie durch eine rechtzeitige Warnung und die Nutzung traditioneller Kenntnisse zahlreiche Menschenleben gerettet werden konnten, nahm die Kampagne für die Einführung eines „Welt-Tsunami-Tages“ ihren Anfang, bei der insbesondere Japan eine führende Rolle spielte und bei anderen Ländern um Unterstützung warb. In Japan selbst besuchten Parlamentsabgeordnete als freiwillige Unterstützer die diplomatischen Vertretungen von mehr als einhundert Staaten in Tokyo und beteiligten sich mit diesem Engagement an der Kampagne.
Goryo, ein Bewohner des Dorfes Hirokawa in der heutigen Präfektur Wakayama, erkannte aufgrund des sich zurückziehenden Meeres und des plötzlichen Abfalls des Wasserspiegels in einem Brunnen, dass ein großer Tsunami unmittelbar bevorstand. Um die Dorfbewohner zu warnen und zur Flucht in höher gelegenes Gebiet zu veranlassen, legte er Feuer an Reisgarben, die er selbst auf seinem Reisfeld aufgeschichtet hatte. Auf diese Weise gelang es ihm, die übrigen Menschen des Dorfes zu alarmieren und zu retten.
Bild: Inamura no hi
Darüber hinaus hat Japan zusammen mit seiner führenden Rolle innerhalb der Diskussion über Katastrophenprävention in der Staatengemeinschaft u.a. mittels seiner offiziellen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) die Zusammenarbeit in diesem Bereich aktiv vorangetrieben. Im Rahmen dieses Engagements wurden in die im September 2015 verabschiedete Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung in vier der siebzehn aufgestellten Ziele Aspekte der Katastrophenprävention eingearbeitet. Bei den Millenniumsentwicklungszielen (MDGs), den Vorgängern der neuen Agenda 2030, waren diese Aspekte größtenteils unberücksichtigt geblieben. Dies macht erneut deutlich, wie sehr die von Japan propagierte große Bedeutung der internationalen Kooperation im Bereich Katastrophenprävention von der Staatengemeinschaft erkannt wurde.
Nachhaltige Entwicklungsziele (Ziele Nr. 1, 2, 11 und 13 beinhalten nun Aspekte der Katastrophenprävention)
Im Dezember 2015 wurde im Rahmen der 70. Generalversammlung der Vereinten Nationen die Resolution angenommen, mit der der 5. November als „Welt-Tsunami-Tag“ festgelegt wurde. Diese Resolution war von 142 Staaten, darunter auch Japan, vorgelegt worden. Ihre Annahme kann als Engagement zur Nachbereitung der 3. Weltkonferenz für Katastrophenprävention sowie der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung gewertet werden. Es steht zu hoffen, dass von nun an jährlich am 5. November weltweit Maßnahmen zur Aufklärung über Tsunami-Prävention stattfinden und dass dadurch möglichst viele Menschen vor Tsunami gerettet werden. Japan wird anlässlich der Einführung des „Welt-Tsunami-Tages“ auch in Zukunft Initiative zeigen und sein internationales Engagement bei der Beobachtung von Tsunami und einer möglichst frühen Warnung weiter ausbauen.
Anmerkung: Der vorliegende Beitrag erschien am 10. 03. 2016 als 140. Folge der Informationsserie „Die internationale Situation verstehen!“ (Wakaru! Kokusai josei) auf der Webseite des Außenministeriums von Japan. Er wurde für Neues aus Japan ins Deutsche übersetzt.