Warum brennt das Papier nicht?

Bild: Ein üppiger „Papier-Eintopf“ mit Ise ebi (Japanische Languste), Chinakohl und shimeji Pilzen als Zutaten.
Wenn in Japan der Winter Einzug hält, ist ein heißer Eintopf mit Sicherheit eine gute Wahl für den Speiseplan. Alle im Haus versammeln sich dann um einen großen Topf aus Ton oder Eisen, der auf dem Esstisch aufgebaut wird, und wenn die Flammen unter dem Topf die Zutaten fertig zubereitet haben, treten die Essstäbchen fleißig in Aktion und fischen das Gericht aus dem Topf, um es auf Tellern und Schüsseln zu verteilen. Selbst wenn es draußen bitter kalt ist, klingen dann aus Eigenheimen oder Restaurants glückliche Stimmen nach draußen.
Auch einen Eintopf allein zu genießen ist eine gute Wahl – der Topf ist dann eben kleiner und die Zutaten reichen genau für eine Person. In traditionellen Gasthäusern in beliebten touristischen Orten gibt es seit einiger Zeit etwas Erstaunliches zu sehen: Die Töpfe für diese Eintopfgerichte bestehen aus Papier! Der kami-nabe (Papier-Topf) ist für eine Person bestimmt und wird zusammen mit einem Vorrat an festem Brennstoff geliefert. Während die Gerichte mit ihren Zutaten aus Meer und Feld erhitzt und speisefertig zubereitet werden, bilden Anblick sowie Geschmack die große Attraktion auf dem Esstisch und schaffen lang währende Erinnerungen an eine schöne Reise und einen besonderen kulinarischen Genuss.

Bild: Solange sich im Topf Wasser befindet, fängt das Papier kein Feuer.
Da Papier sehr dünn ist, verteilt sich die Hitze der Flamme gleichmäßig und die Zutaten werden so rascher zubereitet. Der Topf absorbiert zudem den Schaum, der aus den Speisen austritt – ein weiterer Vorteil bei der Verwendung von Papier. Selbst wenn die Flamme in direkten Kontakt mit dem Papier kommt, wird das Wasser niemals heißer als 100° Celsius, während die Zündtemperatur von Papier bei über 300° Celsius liegt. Solange also Wasser im Topf ist, wird das Papier nicht zu brennen anfangen.
Die Papier-Töpfe werden heute fast ausschließlich aus maschinell hergestelltem Papier gefertigt, das zudem durch ein besonderes Verfahren wasserabweisend ist. Einige wenige Gasthäuser bieten ihre kami-nabe Menüs in traditionellem washi Papier an, das aufgrund seiner langen Fasern sehr kräftig ist. Es sind wohl diese Qualitäten, die zu der faszinierenden Idee geführt haben, Essen in Papier zu kochen.
„Kami-nabe sind sehr leicht, man kann sie aufeinander stapeln und sie vermitteln ein perfektes Bild von einem sauberen Kochtopf. Töpfe aus Papier – was für eine großartige Erfindung!“ meint Toru Okuda, Inhaber eines japanischen Restaurants namens Kojyu. Einer der Köche des Restaurants hat die Speisen zubereitet, die auf den Fotos dieses Beitrags zu sehen sind.

Bild: Toru Okuda, Inhaber des Restaurants Ginza Kojyu, bei der Zubereitung eines Mahls. Er ist einer der führenden Nachwuchsköche Japans.
„Wenn Japaner in der Natur sind, empfinden sie dies als beruhigend und entspannend. Seit langem bevorzugen wir daher natürliche Materialien wie Ton, Holz oder Papier für unterschiedlichste Zwecke, und unsere Küche ist dabei keine Ausnahme. Ich vermute, es war die besondere Wertschätzung für die Natur, die den Papier-Topf hervorgebracht hat.“
Das Erfreuen sowohl an den Speisen als auch am Essgeschirr, in denen sie serviert werden, und das Gefühl einer engen Verbundenheit mit der Natur haben zu der einzigartigen Erfindung von Kochtöpfen aus Papier geführt.

Bild: Wagyu Rindfleisch siedet in einem shabu-shabu Eintopf – zubereitet in einem Topf aus Papier.
Fotos: Yuhei Oyama; Unterstützung: Ginza Kojyu
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