Home > Aktuelles
Redebeitrag von Außenminister Fumio Kishida
auf der Münchner Sicherheitskonferenz
50. Münchner Sicherheitskonferenz
01.02.2014
![]() |
![]() |
---|---|
© Ministry of Foreign Affairs of Japan |
1. Zusammenfassung der Diskussion
Vielen Dank, Herr Admiral Stavridis.
Diese tiefgehende und sehr fruchtbare Diskussion war dem diesjährigen Jubiläum "50 Jahre Münchner Sicherheitskonferenz" wirklich angemessen. Ich möchte den Panellisten, Herrn Botschafter Ischinger sowie allen Beteiligten, die zum Erfolg dieser Konferenz beitragen, ganz herzlich danken und meine Glückwünsche zum Ausdruck bringen.
Europa, Amerika und Asien – Wie werden sich diese drei Regionen, die alle große Verantwortung für Frieden und Wohlstand in der Welt tragen, untereinander abstimmen? Diese Veranstaltung stellt für mich eine gute Gelegenheit dar, das Thema "Global Power und regionale Stabilität" erneut zu überdenken.
Wie wird die Sicherheit dieser Regionen und der Welt in den kommenden fünfzig Jahren aussehen? Die Antwort hängt von den Visionen und Rollen ab, die die globalen Mächte verfolgen bzw. spielen werden. Ich denke, diese Aussage kann als Zusammenfassung der heutigen Diskussion gelten. Um dies in die Wirklichkeit zu übertragen, sind aber nicht nur Worte, sondern vor allem große Entschlossenheit und ein Geist der Zusammenarbeit unerlässlich. Das ist keineswegs selbstverständlich.
Die Staatengemeinschaft ist heute nicht mehr so wie vor fünfzig Jahren. Sie ist nun durch das Internet miteinander verbunden. Es wird eine Vielzahl von Anstrengungen unternommen, um das Denken der Menschen zu beeinflussen. Gerade weil wir in einem solchen Zeitalter leben, ist mir deutlich bewusst geworden, wie wichtig es ist, unser Verständnis füreinander durch persönliche Begegnungen zu vertiefen, so wie wir es heute getan haben.
Ich möchte Ihnen daher hier Japans Vision von "Global Power und regionaler Stabilität" präsentieren.
2. Japans Vision
Ein "proaktiver Beitrag für den Frieden" auf der Grundlage des Prinzips der internationalen Zusammenarbeit – das ist Japans Vision.
Als wichtiger Akteur innerhalb der globalen Politik und Wirtschaft wird Japan sich in Zusammenarbeit mit seinen Partnern noch aktiver als bisher bereits für die Sicherung von Frieden, Stabilität und Wohlstand auf regionaler Ebene und weltweit einsetzen. Japans Nationale Sicherheitsstrategie, die Ende letzten Jahres verabschiedet wurde, zeigt diesen grundlegenden Kurs Japans in aller Deutlichkeit auf.
Ich freue mich, dass dieser Kurs von vielen Ländern nachdrücklich unterstützt wird, darunter die Vereinigten Staaten, Europa, die Mitgliedstaaten der ASEAN sowie Australien.
In der vorausgegangenen Diskussion wurde behauptet, Japan leugne seine Geschichte. Tatsächlich aber stellt sich unser Land seiner Geschichte mit großer Aufrichtigkeit, und es hat seine Reue über den Krieg und seine Kolonialherrschaft deutlich zum Ausdruck gebracht. Diese Tatsache wird durch den Weg eines zutiefst dem Frieden verpflichteten Landes belegt, den Japan heute beschreitet. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat mein Land Freiheit, Demokratie, die Achtung der Menschenrechte und die Herrschaft des Rechts ins Ostasien nachdrücklich gefördert, gleichsam als Verfechter dieser Werte; es hat einen kontinuierlichen Beitrag für Frieden und Wohlstand in der Region und weltweit geleistet. Japan wird seinen Weg als ein dem Frieden verpflichtetes Landes weiter fortsetzen. Die Sicherheitspolitik meines Landes folgt ganz und gar diesem friedlichen, von uns eingeschlagenen Weg.
3. Proaktiver Beitrag für den Frieden
Wie sieht nun das Konzept des "proaktiven Beitrags für den Frieden" aus?
Lassen Sie mich als erstes Beispiel Afrika anführen. Japan hat für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents seine anerkannte Hilfsphilosophie in die Praxis umgesetzt. Diese besteht darin, Hilfe zu leisten, um so die Eigenständigkeit der Menschen vor Ort zu fördern. Seit einigen Jahren kann Afrika auf ein beeindruckendes wirtschaftliches Wachstum verweisen. Japan wird seine Unterstützung ausweiten, damit neue Industrien entstehen sowie Frauen und junge Menschen ihre Potentiale voll zur Geltung bringen können. Mein Land beteiligt sich zudem an der Friedensmission im Südsudan, um den Frieden zu erhalten, der eine Grundvoraussetzung für Wachstum ist.
Das nächste Beispiel ist der Mittlere Osten. Ich habe letzte Woche an der Genf II-Friedenskonferenz teilgenommen und mich zur Zusammenarbeit verpflichtet, um Syrien wieder zu einem schönen Land zu machen. Wenn die Stabilität in dieser Region verloren ginge, wären die Auswirkungen in Form von Terrorismus und Energieproblemen weltweit zu spüren.
Um einen nachhaltigen Frieden im Mittleren Osten zu verwirklichen, engagiert sich Japan in Zusammenarbeit mit Palästina, Israel und Jordanien für den Aufbau einer selbständigen palästinensischen Wirtschaft und für die Schaffung von Vertrauen zwischen den Beteiligten. Zusätzlich hat Japan im vergangenen Jahr einen Rahmen zur Mobilisierung von Hilfe aus den Ländern Ostasiens für die Anstrengungen zum "Nation-building" Palästinas geschaffen. Bei meinem Besuch in Israel und in Palästina im Juli letzten Jahres habe ich die Rolle, die Japan im Rahmen dieses Engagements in der Region spielen sollte, noch einmal bekräftigt.
Ein weiteres Beispiel sind die ASEAN. Japan wird die Anstrengungen der ASEAN für eine weitere Vertiefung ihrer Integration auch künftig unterstützen. Wenn die ASEAN als Ganzes prosperieren, wird dies die regionale Stabilität stärken, und auch die Weltwirtschaft wird davon erheblich profitieren. Dies ist die Vision, die Japan verfolgt. Vor drei Jahren wurde mein Land von einem schweren Erdbeben getroffen. Dies machte uns schlagartig das Schreckliche einer Naturkatastrophe deutlich; zugleich aber wurde uns auch die warmherzige Unterstützung von Seiten der internationalen Gemeinschaft zuteil. Daher kann Japan es nicht ignorieren, wenn unsere Freunde in den ASEAN leiden. Als im letzten November ein Taifun bisher nicht gekannter Stärke die Philippinen traf, wurden Angehörige der Japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte (JSDF) und Ärzteteams im Umfang von 1.200 Personen entsandt, um diese Haltung in die Tat umzusetzen.
Lassen Sie mich auch über die Blauhelmmissionen der Vereinten Nationen sprechen. Japans Teilnahme an diesen Missionen trägt aufgrund der großen Leistungen und ausgeprägten Disziplin der JSDF zur Erhaltung des Friedens bei und genießt die aufrichtige Wertschätzung der Staatengemeinschaft. Wir werden nun nach Wegen suchen, um uns noch mehr als bisher an diesen Missionen zu beteiligen.
Und noch ein Beispiel: Japan ist das einzige Land, gegen das im Krieg Kernwaffen eingesetzt wurden. Mein Land engagiert sich kontinuierlich für praktische Schritte mit dem Ziel der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung. Um eine "Welt ohne Kernwaffen" zu schaffen, fordert Japan die Kernwaffenstaaten zu weiteren Anstrengungen auf. Die anderen Kernwaffenstaaten sollten den von den Vereinigten Staaten und Russland unternommenen Schritten für Abrüstung folgen. Ich habe im Rahmen der Nichtverbreitungs- und Abrüstungsinitiative (NPDI) eine führende Rolle übernommen. Diese Initiative umfasst zwölf Nichtkernwaffenstaaten, deren Außenminister sich für realistische und zugleich praktikable Schritte für eine nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung einsetzen. Im April werde ich als Gastgeber des NPDI-Treffens in meiner Heimatstadt Hiroshima fungieren. Es ist mein Ziel, dort sinnvolle Vorschläge für die NVV-Überprüfungskonferenz 2015 vorzulegen.
Grundlegende Werte wie Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und die Herrschaft des Rechts müssen innerhalb der Staatengemeinschaft noch umfassender geteilt werden. Insbesondere wird die Zukunft des weltweiten Friedens auch davon abhängen, ob die Herrschaft des Rechts sich auch auf gemeinsame Güter wie die Meere, den Cyberspace und den Weltraum als neu zu erschließende Bereiche erstrecken wird.
Das strategische Umfeld innerhalb der Region Asien-Pazifik erfährt derzeit einen dramatischen Wandel. In der Region Asien verzeichnen die Rüstungsausgaben und der Umfang der Waffenkäufe die höchsten Zuwächse weltweit. Dies bereitet uns große Sorgen. Japan wird sein Bündnis mit den Vereinigten Staaten weiter ausbauen, das als Eckstein für Frieden und Stabilität in der Region fungiert.
Gleichzeitig wird Japan mit verschiedenen Staaten die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit vertiefen. Mein Land hat kürzlich "Zwei plus Zwei"-Dialoge – also gemeinsame Treffen der Außen- und Verteidigungsminister zweier Länder – mit den Vereinigten Staaten, Australien und Frankreich durchgeführt. Und wir sind erfreut, dass wir auch einen "Zwei plus Zwei"-Dialog mit einem Land geführt haben, mit dem wir uns dies bisher nicht vorstellen konnten: Russland. Im November letzten Jahres veranstalteten Japan und Russland einen ausgesprochen nützlichen "Zwei plus Zwei"-Dialog, an dem u.a. Außenminister Lawrow teilnahm, der auch zur heutigen Diskussion beigetragen hat.
Mein Land wird zudem den sicherheitspolitischen Dialog mit den Mitgliedstaaten der ASEAN, Indien und den Ländern des Mittleren Ostens ausweiten. Auch wenn zwischen Japan und China einige schwierige Angelegenheiten bestehen, sollten wir unsere Beziehungen von einem umfassenderen Standpunkt aus weiter entwickeln. Daher möchte Japan auch mit China den Dialog auf dem Gebiet der Sicherheit weiter vorantreiben.
4. Schlussbetrachtung
Das heutige sicherheitspolitische Umfeld unterscheidet sich völlig von dem, das vor fünfzig Jahren bestand. Die globale Machtbalance hat einen dramatischen Wandel erfahren, und es bestehen neue Herausforderungen wie der Cyberspace, der Weltraum oder Terrorismus.
Unter diesen Umständen ist kein Staat länger in der Lage, Frieden und Sicherheit für sich selbst aus eigener Kraft zu gewährleisten. Alle Staaten müssen heute mit anderen Staaten zusammenwirken und einen aktiven Beitrag für Frieden und Stabilität auf regionaler Ebene und weltweit leisten. Wenn ein Staat den Status einer Global Power hat, dann kann er sich dieser Verantwortung nicht entziehen. Die Politik des "proaktiven Beitrags für den Frieden" zeigt den Weg auf, wie Japan seiner Verantwortung gerecht werden kann. Dies stimmt mit der Botschaft überein, die die Panellisten heute Vormittag im Rahmen dieses bedeutungsvollen Jubiläums der Münchner Sicherheitskonferenz ausgesendet haben.
Ich durfte nach der Genf II-Friedenskonferenz in der letzten Woche nun zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen Europa einen Besuch abstatten. Europas großartiges Erbe beeindruckt die Menschen, die diesen Kontinent besuchen, immer wieder. Insbesondere ist Europa im Besitz der wunderbaren Tradition, die Welt mittels seiner Ideale Freiheit, Demokratie und Herrschaft des Rechts anzuführen. Wir wünschen uns, dass Europa seinen Idealen treu bleibt, wie es dies bereits in der Vergangenheit getan hat. Japan freut sich darauf, seine Zusammenarbeit mit Europa weiter zu vertiefen, mit dem wir diese gemeinsamen Werte teilen, um so eine friedliche und prosperierende Welt zu verwirklichen.
Vielen Dank.