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Studienreise nach Japan
Reisebericht mit Fotos des Siegers 2004 aus Berlin / Neue Bundesländer
Wolf Nicolas Sauter, Jahrgang 1981:
Reisebericht der European Youth Study Tour
2004 Nach elfstündigem Flug wurden wir am Tokyo Airport von
unseren beiden liebenswürdigen japanischen Reisebegleitern
am Tokyo Airport freundlich empfangen. Sie hatten die
gesamte Reise vorbildlich geplant und konnten jederzeit mit
ihrem unterhaltsam vorgetragenen Wissen die Tour bereichern.
Nachdem wir in unserem Hotel, das in der Stadtmitte am
eiffelturmähnlichen |
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Der zweite Tag begann mir einer Reiseeinführung im Außenministerium, von wo aus wir weiter zum Parlament fuhren. Die Architektur des ca. 100 Jahre alten Parlamentsgebäudes ist eher westlich ausgerichtet. Das Regierungssystem selbst ist eine Mischung aus amerikanischer und britischer Demokratie, wobei in Japan seit dem Zweiten Weltkrieg fast immer nur eine Partei, die LPD, die Regierungsmehrheit gestellt hat. |
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In ihrer Parteizentrale konnten wir mit einem Abgeordneten über japanische Politik diskutieren, eine einmalige Chance, auf die ich und offenbar auch die anderen Teilnehmer sich besonders gefreut hatten. Sehr offen wurden Themen wie die Rolle Chinas in Asien, die wirtschaftliche Situation Japans und die Bedeutung des Kaisers im heutigen Japan angesprochen. Der anschließende Besuch des Edo-Museums offenbarte interessante Einblicke in die Entwicklung Tokyos seit 1600. Das Museum gefiel mir sehr gut, da hier Geschichte sehr bildhaft dargestellt ist. Am Abend konnten wir dann bei einem Kendo-Training dabei sein. Ständige Schläge mit dem Holzstab auf den durch einen Helm geschützten Kopf führten mir die Härte dieses Sportes vor Augen. Dieser ereignisreiche Tag war kaum ausgeklungen, da fing der nächste schon wieder an. Um vier Uhr morgens machten wir uns auf den Weg zum Fischmarkt, doch das frühe Aufstehen lohnte sich. Die Thunfischauktion auf dem größten Fischmarkt der Welt (Tagesumsatz: 25 Mio. € Fisch) war einmalig und eine Kostprobe frischen Fisches ist dort sehr zu empfehlen. Hunderte von Thunfischen lagen aneinandergereiht in den Auktionshallen und wurden in einem Tohuwabohu von Händlern, Zulieferern und Transporteuren versteigert. Dazu rasten Dreiräder durch die engen Gassen des Marktes, mitten durch die Menschenmengen, so dass stets die Gefahr bestand, angefahren zu werden. Nach dieser Hektik war Entspannung wirklich notwendig. Vom Tokyo Tower aus konnten wir über die Stadt hinwegschauen. Eine Stadtgrenze war nicht auszumachen. Unmengen riesiger Hochhäuser erstreckten sich vor unseren Augen. Der nächste Programmpunkt war ein Ikebana
Kurs. Ikebana ist die Kunst Blumengestecke stilvoll zu
arrangieren. Nach einer Präsentation durch eine Meisterin
konnten wir selbst tätig werden. Wir sollten versuchen, ein
möglichst stimmiges Gesteck zu gestalten. Hierbei sind
insbesondere die räumlichen und farblichen Dimensionen zu
beachten. Wider Erwarten machte mir die Arbeit an den
Gestecken sehr viel Spaß und weckte in mir neue Interessen.
Leider keine Talente, wie ich im anschließenden Vergleich
der Gestecke feststellen musste. Der touristische Teil
Tokyos, Asakusa, schloss die Tour ab. Um den berühmten
Tempel herum, konnte man das traditionelle Tokyo bewundern,
das im Rest der Stadt meist durch Wolkenkratzer und
Betonbauten ersetzt worden ist. |
Anschließend fuhren wir ins Panasonic Centre, wo wir Einblick in die neusten High-Tech-Entwicklungen erhielten. Derzeit wird sehr viel Geld in die Verbesserung biometrischer Verfahren für Sicherheitsanwendungen investiert. Wie in James Bond Filmen können mittlerweile Augen- oder Fingerabdrücke Türen öffnen. |
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Als wenig angenehm empfand ich dagegen die elektronischen Überwachungskameras, die praktisch unendliche Mengen an Orten und Bildern speichern können - Big Brother scheint mittlerweile technisch möglich zu sein. Das Highlight der japanischen Elektroindustrie ist meiner Meinung nach das e-book. Es kann elektronisch gespeicherte Bücher auf zwei aufklappbaren, nicht beleuchteten Displays anzeigen. Eine erstklassige Erfindung, die Wälder retten und Rücken schonen kann! Schon jetzt freue ich mich auf den Tag, an dem diese Innovation auch in Deutschland erhältlich sein wird. |
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Der Höhepunkt der Reise war für mich der Besuch Hiroshimas,
wo wir das Peace Memorial besichtigten und jeder von uns
einen Tag in einer japanischen Familie verbringen durfte.
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Im Memorial Park wurde diese Stimmung noch verstärkt: Eine Überlebende schilderte uns die Ereignisse vom 6. August 1945. An ihrer bewegenden Darstellung überraschte mich besonders, dass sich im Laufe der Jahre ihr Hass gegen die USA differenziert hat. Sie verspürt gegenüber den Amerikanern als Nation keine Abneigung mehr, sondern nur gegenüber der damaligen Regierung der USA. Zurück in der Gegenwart hatte ich das Glück, in meiner Gastfamilie am heutigen japanischen Familienleben teilhaben zu können. Dies war für mich eine wertvolle Erfahrung, die einem "normalem" Japanreisenden wohl kaum möglich wäre. So erfuhr ich u.a., dass mein Gastvater, der seit 35 Jahren als Qualitätstester für Mazda arbeitet, trotz wenig Urlaub und langen Arbeitszeiten mit seinem Job sehr zufrieden ist. Natürlich gab es auch Unterschiede bei der Gestaltung des Alltags, doch insgesamt waren die Differenzen bei weitem geringer als ich angenommen hatte - Japan: so fern und doch so nah. Gemeinsam aßen wir verschiedenste typische Gerichte, wie Okonomiyaki und Udon, wobei ich Okonomiyaki, die Spezialität Hiroshimas, jedem nur empfehlen kann. Zum Frühstück gab es gebratenen Fisch, Miso Suppe, Reis und Natto, was unangenehm riecht und aus vergorenen Sojabohnen besteht. Wie gut ein solches Frühstück ist, merkt man hinterher: Vorhaltend gestärkt, jedoch ohne jegliches Völlegefühl kann man in den Tag starten. |
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Nach einer
Kimono-Modenschau besichtigten wir den Palast des Shogun und den sogenannten Goldenen
Pavillon. Außen mit Gold patiniert, glänzte dieses
wunderbare Gebäude in der Abendsonne. Eine sehr entspannende
Atmosphäre, wären da nicht all die anderen Touristen, die
auch etwas davon abhaben wollen. |
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Tags darauf konnte ich Kalligraphie üben. Meine Pinselzeichnung "Eine Begegnung, eine Chance", hängt bereits über meinem Schreibtisch, zumal wissenschaftliche Texte einem meist tatsächlich nur einmal begegnen. Nach einer Teezeremonie besichtigen wir den bekannten Kiyomizu-Tempel, bevor wir einer Vorführung traditioneller japanischer Künste im für seine Geishas bekannten Gion-Corner beiwohnen. |
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Die Präzision und Ausdauer, die man bei den japanischen Künsten wie Kalligraphie, Ikebana, Kendo oder Judo trainiert, beeindruckte mich sehr. Mir scheint, als würde diese aus der Tradition erlernte Kraft das moderne Japan zusammenhalten. Am vorletzten Tag der Reise hatten wir Möglichkeit eine Vorlesung über die japanische Gesellschaft zu hören, die viele unserer Erlebnisse besser verständlich werden ließ. Insbesondere der Gegensatz von Tradition und Modernität wurde betont. So gelten oft noch traditionelle hierarchische Verhaltensweisen, während viele andere gesellschaftliche Institutionen radikal modernisiert worden sind. Tradition und Moderne existieren gemeinsam. Im Anschluss hieran hatten wir die Möglichkeit mit Studenten zu diskutieren. Sie waren sehr interessiert und es ergaben sich schnell Gespräche, die beim großen Abschiedsempfang fortgesetzt werden konnten. Als abschließenden Event haben wir mit einem Trommelverein gemeinsam ein Stück einstudiert. Zusammen mit den äußerst freundlichen Vereinsmitgliedern und ihren Kindern hatten wir viel Spaß. Wir wurden auch zu einem selbst gemachten Buffet eingeladen und genossen ihre Gastfreundschaft. Dieser herzliche Ausklang endete überraschend mit einem Feuerwerk von Disneyland Tokyo - ein wunderbarer Zufall. |
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Leider war damit auch die Reise durch Japan zu Ende. Es überraschte mich, dass ich mich nie verloren oder unwohl fühlte, obwohl ich oft weder Straßenzeichen noch Speisekarten lesen konnte. Immer kamen freundliche Menschen und halfen uns weiter. Auch meine Befürchtung, in diverse Fettnäpfchen zu treten, hat sich nicht bestätigt - niemand nimmt Ausländern kleine Fehler übel. |
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Die freundlichen
Menschen und die Vielschichtigkeit der japanischen Kultur
haben mich begeistert und mein Interesse für dieses Land
geweckt. Ich bin sehr dankbar, dass ich das Land auf diese
Weise kennen lernen durfte. Die interessierten Mitreisenden
waren aufgeschlossen und fühlten sich in der Gruppe wohl.
Die Atmosphäre war durchweg positiv, so dass ich mich
abschließend bei allen Beteiligten ganz herzlich bedanken
möchte. |
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