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Aufsatzwettbewerb
Studienreise nach Japan
Reisebericht mit Fotos des Siegerin 2005 aus
Berlin / Neue Bundesländer
Antonia Johanna Staats, Jahrgang 1982:
Mit der Study Tour unterwegs in Japan:
“Anfang gut, alles gut!"
…so lautet eine japanische Redewendung. Ein weitere deutsche sagt bekanntlich “Eine Reise, die ist lustig…” – beides sollten sich bewahrheiten. Dies ist mein Eindruck von der Study Tour 2005, meiner zweiwöchigen Romanze mit Japan mit Beziehungspotenzial! Anstatt eine chronologische Übersicht des Programms zu geben, möchte ich das erwähnen, was ich persönlich spannend, bemerkenswert, kurios und interessant fand.
Am 1. November 2005 verließ ich die Hitze Phnom Penhs, um von Kambodscha (wo ich Khmer studiere) nach Japan zu reisen und dort an der Study Tour of Japan for European Youth teilzunehmen. Nach sieben Stunden Flug erreichte ich, ein wenig erschöpft aber guter Dinge, Narita Airport. Der Unterschied zu meinem Ausgangspunkt umfing mich augenblicklich: neueste Technik, wohin man sieht, draußen ein herbstlicher Himmel, alles funktioniert…Ein wenig benommen traf ich auf meine charmante Begleitung, die mich zum Hotel bringen sollte, wo bald auch die aus Europa anreisenden Teilnehmer eintreffen sollten. Und los ging’s:
Highlights
Es ist schwierig, bei so vielen großartigen Erlebnissen eine Auswahl zu treffen. Letztendlich gab es nichts, das mir überhaupt nicht gefallen hat. Ein paar Dinge stehen jedoch heraus: Besonders beeindruckend war für mich die Möglichkeit, einen Überlebenden der Atombombe von Hiroshima treffen zu können, und von ihm über seine Erfahrungen zu hören. Herr Obayashi beantwortete bereitwillig unsere Fragen, und es war für alle bewegend, so nah an einen Zeitzeugen heranzukommen.
Auch unsere Übernachtung bei einer japanischen Gastfamilie wird mir in Erinnerung bleiben. Gemeinsam mit Ines, einer portugiesischen Teilnehmerin, lernte ich nicht nur Sushi und weitere Köstlichkeiten zuzubereiten; wir wurden auch in die Kunst des Origami eingewiesen, lernten, mit dem für Westler doch etwas komplizierten Hausschuh-System umzugehen, nahmen unser erstes traditionelles Bad und durften schließlich selig und erfüllt von unseren neuen Fähigkeiten in einem Tatami-Raum auf Futons einschlafen.
Das Ryokan, eine traditionelle japanische Pension in den Bergen von Yoshino, stellte einen weiteren Höhepunkt unserer Tour dar. Man stelle sich 30 junge Europäer in blau-weißen Yukatas vor, kichernd, aber begierig, in all die Geheimnisse, die das Ryokan für uns bereit hatte, eingeweiht zu werden. Was trägt man darunter? Gehe ich damit auch raus? Und wie war das mit dem Bad noch mal …?

Alle Tempel, Schlösser und Schreine, die wir besichtigten, waren ausnahmslos schön bis atemberaubend. Mein Eindruck ist, Japaner legen viel Wert auf ihre eigene Kultur, schätzen und hegen sie. Es war interessant zu beobachten, wie viele einheimische Touristen sich in und um die Sehenswürdigkeiten tummelten, und welche Wertschätzung der eigenen Kultur entgegengebracht wird.
Tokyo…was soll man sagen: riesig, bunt – wäre der Titel nicht schon vergeben, “the city that never sleeps” könnte auch auf Tokyo zutreffen. Wir blickten vom 52. Stockwerk des Mori Tower auf das Lichtermeer, machten unsere ersten Ikebana-Erfahrungen unter fachmännischer Anleitung, besuchten den Fischmarkt, flanierten in Ginza, und trommelten beim Drum Workshop bis uns die Ohren dröhnten.

Ein letztes Highlight soll nicht unerwähnt bleiben: das Essen! Mmhhhh…
Vermischtes
Eine Reise in eine fremde Kultur bringt ja auch immer eine Auseinandersetzung mit den eigenen Marotten, oder dem, was man als “normal” empfindet, mit sich. Trotz vorheriger Versicherungen von Seiten meines See- und Asien-erfahrenen Großvaters, dass die Deutschen mit den Japanern viele Gemeinsamkeiten hätten (unsere Vergangenheit mal ausgeklammert), gab es doch die eine oder andere Überraschung.
“Meine Toilette hat mehr Funktionen als mein Handy!” stellte ein Teilnehmer nach der ersten Nacht in Tokyo mit einer Mischung aus Schock und Entzücken fest. In der Tat scheint die japanische Faszination mit Technik (nicht nur im Badezimmer) weiter entwickelt als in Europa: die Soundeffekte und Wärmeoptionen auf der Toilette waren eine Sache, der Besuch im Panasonic Center eine anderes Beispiel.
Nun haben wir Deutschen ja den Ruf, besonders effizient und organisiert zu sein – ich finde, damit wird unseren reizenden Guides, Kimiko-san und Kasu-san, Unrecht getan. Die Leistung, 30 Europäer zwischen 18 und 35 Jahren zwei Wochen lang mit einer maximalen Verspätung von 3 Minuten von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten zu bugsieren, zwischendurch noch sicherzustellen, dass wir ausreichend Hintergrundinformation zu den besuchten Orten, sowie den komplexen Regeln und potenziellen Fettnäpfchen der japanischen Kultur bekamen, und auch vor einer Karaoke-Einlage im Bus (essentiell wichtig zur Erklärung der Maiko Mädchen in Kyoto) nicht zurückzuscheuen, verdient einen Orden.

Kurios
waren die Mädels in Manga-Kostümen in Akihabara,
die bereitwillig für Fotos besonders typische Posen ihrer
Comic-Heldinnen einnahmen. Jede Menge verrückt angezogener Hündchen
(Rehpinscher in Jeansjacke?!?) gab es im schicken Stadtteil Ginza in
Tokyo zu bewundern.
Ich habe alle Japaner, mit denen wir während unserer Tour zusammentrafen, als äußerst gastfreundlich, herzlich und interessiert an Europa empfunden. Es war sehr leicht, sich in ihrer Gegenwart wohl zu fühlen, sei es beim offiziellen Empfang mit den Vertretern vom Außenministerium, oder auf dem Hibiya Autumn Festival, auf dem ich alberne deutsche Spiele mit Kindern spielte (ich werde mich beim nächsten Mal Topfschlagen zusammenreißen müssen, nicht “atsui, atsui!” statt “heiß, heiß!” zu rufen).
Gruppendynamik
Natürlich ging es auf der Study Tour vornehmlich darum, uns einen
guten Eindruck von Japan zu verschaffen. Doch auch die Interaktion
der Gruppenmitglieder war interessant zu beobachten – viele gute
Gespräche und Gemeinsamkeiten gab es, das eine oder andere
Gruppenpärchen fand sich, und Fotos sowie Japan- und andere
Informationen wurden ausgetauscht. Witzig war auch, zu beobachten,
wie wir uns bei Entscheidungsprozessen (wohin heute Abend zum
Karaoke?) oft schwer taten – da hatten die Botschaften in Europa
eben schon eindeutig Leute mit eigenem (Dick-)Kopf ausgewählt.
Trotzdem finde ich es erstaunlich, wie harmonisch die Stimmung
innerhalb der Gruppe, aber auch zwischen der Gruppe und unseren
japanischen Organisatoren war. Der Abschied war dementsprechend
hart, und die eine oder andere Träne floss…
Fazit: “Anfang, Mitte, Ende gut - alles gut!”
Phnom Penh, den 13. Dezember 2005
Antonia Johanna Staats
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