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Japan Brief (Foreign Press Center Japan):


07. 03. 2006


Vereinigte Staaten und Indien unterzeichnen Abkommen
über friedliche Atomkooperation


Im Rahmen der am 2. März in Neu Delhi geführten Gespräche vereinbarten US-Präsident George W. Bush und Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh eine Zusammenarbeit der Vereinigten Staaten und Indiens im Bereich der zivilen Nutzung der Kernkraft, einschließlich der Energiegewinnung. Die Vereinbarung beinhaltet, dass die Vereinigten Staaten Indien als Atommacht anerkennen und Indien seinerseits die Inspektion seiner zivil genutzten Nuklearanlagen durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zulässt. Auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Gespräche bezeichnete US-Präsident Bush das Atomabkommen als "historisch". Nichtsdestotrotz wurde die Sonderbehandlung Indiens, das sich, obgleich es im Besitz von Kernwaffen ist, weigert den Nichtverbreitungsvertrag (NVV) zu unterschreiben, dafür kritisiert, dass die Vereinigten Staaten bei ihrer Politik der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen mit unterschiedlichem Maß messen. 

Vereinigte Staaten räumen Indien als Atommacht Sonderstatus ein

Bei einem Gipfel im Juli letzten Jahres einigten sich die Vereinigten Staaten und Indien in einer Grundsatzvereinbarung auf eine Politik der Lockerung des Embargos, unter der Bedingung, dass Indien u. a. seine Nuklearindustrie in einen zivilen und militärischen Sektor unterteilt und IAEA-Inspektionen in den zivilen Anlagen zulässt. Die Verhandlungen wurden daraufhin weitergeführt. Während des jüngsten Gipfeltreffens nun sagten die Vereinigten Staaten Indien zu, das Land mit Nukleartechnologie zur zivilen Nutzung sowie mit Kernrennstoff zu versorgen. Im Gegenzug verpflichtete sich Indien, seine Nuklearindustrie in einen zivilen und einen militärischen Sektor zu unterteilen und IAEA-Inspektionen in letzterem zuzulassen.

Details der Vereinbarung wurden noch nicht offiziell bestätigt, doch nach einem Bericht der Yomiuri Shimbun, der sich auf die Erläuterungen der amerikanischen und indischen Regierungen stützt, beinhaltet sie folgende Punkte: (1) Indien deklariert 14 seiner in Betrieb bzw. im Bau befindlichen 22 Reaktoren ausschließlich als zivil und lässt IAEA-Inspektionen derselben zu, (2) diese Inspektionen werden in mehreren Stufen bis 2014 durchgeführt, (3) die in Betrieb befindlichen Schnellen Brüter werden als militärisch klassifiziert und unterliegen keiner Inspektion, (4) nachdem das Embargo der "Gruppe der internationalen Nukleartechnologie-Lieferanten" aufgehoben ist, werden Europa, die Vereinigten Staaten und Japan ihre Exportverbote für Kernreaktoren und Kernbrennstoff nach Indien aufheben, (5) alle in der Zukunft errichteten zivilen Atomreaktoren und Schnellen Brüter werden von Inspektionen ausgenommen und (6) Anlagen, die einmal als zivil deklariert wurden, können bei einer Garantie der Lieferung von Brennstoff jederzeit inspiziert werden. Derselbe Artikel befasste sich gleichfalls mit der Indien zuteil werdenden Sonderbehandlung, das im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten den Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen (NVV) nicht unterschrieben hat. Als Grund für diese besondere Behandlung gilt die Position der US-Regierung, dass "sich Indien in den vergangenen dreißig Jahren in keiner Weise an der Verbreitung von Kernwaffen beteiligt oder internationales Recht verletzt hat, so dass es anderen Staaten nicht als Präzedenzfall für die Legitimierung des Besitzes von Kernwaffen dienen kann." Die Zeitung verwies jedoch zugleich kritisch darauf, dass "die Vertiefung der Handels- und Investitionsbeziehungen zu Indien bei der Entscheidung eine Rolle gespielt hat" und dass "den wirtschaftlichen Interessen Vorrang vor der Nichtverbreitung von Kernwaffen eingeräumt wurde."

Neben der auf höchster Ebene getroffenen Vereinbarung existiert in den Vereinigten Staaten ein Gesetz, das die Lieferung von Nukleartechnologie an Staaten verbietet, die die umfassenden Sicherheitsmaßnahmen der IAEA, wie z.B. Inspektionen, nicht akzeptiert haben, so dass der US-Kongress eine Revision des Gesetzes befürworten muss, damit die jetzige Vereinbarung überhaupt in Kraft treten kann. Die Richtlinien für den Export von Kernbrennstoff und Nukleartechnologie der Gruppe der Nukleartechnologielieferanten (NSG), der 45 Länder, darunter Japan, die Vereinigten Staaten und China, angehören, sind vergleichbar. So muss vor einem Inkrafttreten der Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und Indien sowohl eine Revision der Gesetzgebung in den Vereinigten Staaten als auch eine Übereinstimmung mit den Richtlinien der NSG erreicht werden. In einem Sonderbericht aus Washington schrieb die Sankei Shimbun am 4. März: "Von nun an geht es darum, ob es der Regierung Bush gelingt, den Kongress von einer Gesetzesrevision zu überzeugen."

Der Generaldirektor der IAEA, Mohammed El Baradei, stand hingegen der Vereinbarung positiv gegenüber. Da sich auf diese Weise ein Großteil der indischen Nuklearanlagen für Inspektionen öffnet, ist die Vereinbarung nach seinen Worten "ein Schritt in Richtung der Allgemeingültigkeit internationaler Sicherheitsvorkehrungen."

Großer Schritt in Richtung Weltmacht für Indien

Japans führende Zeitungen analysierten in ihren Artikeln den Hintergrund der Vereinbarung und die damit verbundenen Ziele beider Länder. Sie hoben dabei die Möglichkeit einer Destabilisierung der südasiatischen Region aufgrund der Reaktion Pakistans hervor. Die Zeitungen widmeten sich zudem der Haltung Chinas und Russlands angesichts der plötzlichen Annäherung der Vereinigten Staaten und Indiens.

Bezug nehmend auf den Hintergrund der amerikanisch-indischen Vereinbarung schrieb die Asahi Shimbun am 3. März in einem Bericht aus Neu Delhi: "Auf Seiten der USA überwog die pragmatische Einschätzung, dass der Kernwaffenbesitz Indiens schwerlich zu ändern ist. Typisch für die Regierung Bush stellte man sich somit den Tatsachen, was letztendlich bedeutete, Indien, das auf seinem Recht zur Entwicklung von Kerntechnologie beharrt, nicht zu isolieren, sondern in den "Mainstream" des Nichtverbreitungsregimes zu integrieren [so US-Vizeaußenminister Nicholas Burns] und im Rahmen des Möglichen zu kooperieren." Die Yomiuri Shimbun kommentierte in ihrem Bericht aus Neu Delhi vom 3. März gleich lautend: "Die Bush-Regierung, die versucht, an der Errichtung von Kernkraftwerken festzuhalten, hat Indien, das sich einem enormen Energiebedarf gegenüber sieht, als Beispiel für die Unterstützung des Ausbaus der Kernkraft im Ausland etabliert."

Ein Meinungskommentar der Mainichi Shimbun vom 3. März urteilte über die Vereinbarung: "Sie vereint in einer Art Risikominimierung für die Zukunft sowohl die Interessen der Vereinigten Staaten als auch Indiens, die beide wegen der zunehmenden Hegemonie Chinas beunruhigt sind." Sie fuhr fort: "Die Basis der amerikanischen Asien-Strategie besteht darin, zu verhindern, dass ein Staat die Hegemonie mit über die Region gewinnt. Amerikas Absicht besteht offenbar darin, Indien als Gegengewicht zum undemokratischen China zu etablieren."      

Mit Blick auf die Intentionen Indiens kommentierte die Yomiuri (3. März) in einem Bericht aus Neu Delhi, dass Ministerpräsident Singh sich Vorwürfen ausgesetzt sah, man "müsse nun mit negativen Auswirkungen auf die nukleare Entwicklung und die nukleare Abschreckung rechnen" und dass er trotzdem an der Vereinbarung festhielt, da "er neben der Tatsache, dass eine stärkere Förderung der Kernenergie eine wichtige Voraussetzung für das wirtschaftliche Wachstum darstellt, hoffte, Indiens Status als Kernwaffenstaat zu sichern." In ihrem Kommentar vom 3. März aus Neu Delhi meinte die Mainichi: "Für Indien, das sich von einer regionalen Kraft zu einer Weltmacht entwickeln möchte, stellt die Vereinbarung einen wichtigen Schritt nach vorn dar, da es von der internationalen Gemeinschaft nun als Kernwaffenstaat anerkannt wird."

Am 3. März schrieb die Sankei aus Neu Delhi: "Um auf das Zusammenrücken der Vereinigten Staaten und Indien zu reagieren, wird China (das sich innerhalb Pakistans Nuklearentwicklungsprogramm engagierte) möglicherweise Pakistan unterstützen." Sie betonte, dass die Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und Indien so beschaffen sei, dass sie Pakistan zu Gegenmaßnahmen animieren und somit zu einer Destabilisierung der Region führen könnte. Der Bericht aus Neu Delhi der Nihon Keizai Shimbun (Nikkei, vom 3. März) unterstrich: "Die unvermittelte Annäherung der beiden Staaten hat sowohl in China als auch in Russland Besorgnis ausgelöst." Hinsichtlich der Erklärung des stellvertretenden Sprechers des chinesischen Außenministeriums bei dem Versuch, die Zusammenarbeit der Vereinigten Staaten und Indiens auf dem Gebiet der zivilen Kernkraftnutzung in die Schranken zu weisen, stellte die Nikkei fest: "Auch Russland zeigt sich in wachsendem Maße besorgt, dass sich die Konkurrenz auf dem Markt für Waffen und Kernkraftanlagen verschärft." Sie fügte hinzu: "Das Tauziehen zwischen den vier Mächten - Indien auf der Seite der Vereinigten Staaten, China und Russland auf der anderen Seite - scheint sich zu verstärken."

Leitartikel: Krise für den Nichtverbreitungsvertrag

Japans führende Zeitungen werteten die Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und Indien als eine Bedrohung des Nichtverbreitungsvertrags (NVV).  

Die Asahi stellte am 3. März fest: "Die Vereinbarung dieser Woche ist eine Kehrtwende der (US-) Politik und anerkennt Indien damit de facto als Atommacht." Sie fuhr fort: "Dies ist für Japan als bislang einziges Land, das mit Kernwaffen angegriffen wurde und sich vehement für die Nichtverbreitung und Abrüstung von Kernwaffen einsetzt, nicht hinnehmbar." Die Asahi unterstrich: "Wenn die Vereinigten Staaten, die die gemeinsamen Bemühungen (zur Verhinderung der Verbreitung von Kernwaffen) anführten, nun Ausnahmen von der Regel zulassen, ist der gesamte Vertrag zur Nichtverbreitung von Kernwaffen in Gefahr." Die Asahi  brachte darüber hinaus ihre Besorgnis zum Ausdruck, dass im Zuge der Vereinbarung, "Pakistan ... ohne Zweifel verärgert ist  sowie ... Iran und Nordkorea ... die Sonderbehandlung Indiens nicht hinnehmen werden."

Der Leitartikel der Sankei  vom 4. März urteilte ähnlich: "Es gibt viel Sorge und Kritik, dass die Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und Indien auf lange Sicht die Regelungen des NVV, der sich der nuklearen Abrüstung und der Nichtverbreitung von Kernwaffen verschrieben hat, unterlaufen werden." Die Sankei argwöhnte, dass die Vereinbarung "die Gefahr birgt, dass Länder wie Nordkorea und Iran nun annehmen werden, dass nach unserem Verständnis diejenigen, die Kernwaffen besitzen, die Sieger sind." Sie fuhr fort: "Das regionale Kräftegleichgewicht, den Nachbarn Pakistan eingeschlossen, darf nicht gestört werden; im Zuge der Nuklearvereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und Indien könnte dies zu einem Wettrüsten und zur Destabilisierung führen."

Die Yomiuri stellte am 4. März fest: "Da Indien als Kernwaffenstaat behandelt wird, wird ihm gleichfalls das Privileg der Atomkooperation zu friedlichen Zwecken eingeräumt, obgleich es den NVV nicht unterzeichnet hat. Eine solche Sonderbehandlung wird den Vertrag nachhaltig erschüttern." Sie fragte: "Besteht die Gefahr, dass dies negative Auswirkungen auf die Resolution hinsichtlich des Kernwaffenproblems mit Iran haben wird? Wird es Nordkorea, das seinen Rückzug aus dem NVV angedroht hat, einen Vorwand dafür bieten, die Abschaffung seiner Kernwaffen zu stoppen? Wir sollten besorgt sein." Die Yomiuri ergänzte: " Wir können unsere Sorge nicht verhehlen, dass die Vereinbarung den NVV nachhaltig beeinflussen wird."

Der Leitartikel der Mainichi vom 5. März meinte: "Entscheidend ist, dass Indien im Gegenzug zu eingeschränkten Inspektionen die offizielle Anerkennung als Atommacht erhalten hat und von nun an in der Lage ist, von den Vereinigten Staaten Unterstützung für die Entwicklung der zivilen Kernkraft erhalten." Sie unterstrich: "Atommächte dürfen ihre wirtschaftlichen Interessen nicht soweit in den Vordergrund rücken, dass sie ihre Verantwortung gegenüber dem NVV zurückstellen." Die Mainichi bemerkte: "Wenn es so weitergeht, wird eine Unterwanderung des NVV zunehmend toleriert und die internationale Gemeinschaft wird sich künftig mit der Frage konfrontiert sehen, ob sie tatsächlich gewillt ist, dessen Prinzipien aufzugeben und zu einer selektiven Freigabe des Besitzes von Kernwaffen überzugehen."

Der Leitartikel der Nikkei  (6. März) bemerkte kritisch: " Die Ausweitung der Zusammenarbeit mit Indien als Atommacht einerseits und die ablehnende Haltung gegenüber Iran als einem Unterzeichner des NVV andererseits macht gleichzeitig die Doppeldeutigkeit der amerikanischen Politik in Bezug auf die Nichtverbreitung von Kernwaffen deutlich, die man durchaus opportunistisch nennen kann." Sie schrieb weiter: "Die Zusammenarbeit mit Indien zur Grundlage nehmend, sollten die Vereinigten Staaten Indien in das internationale System der Nichtverbreitung von Kernwaffen und des Testverbotsvertrags (CTBT) einbinden, damit es seine Kernwaffen aufgibt." Unter Bezugnahme auf die Atompolitik der Vereinigten Staaten und deren Maßnahmen zur Nichtverbreitung von Kernwaffen, die in dem Festhalten an der Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen deutlich wird, auf das Konzept des internationalen Umgangs mit der Urananreicherung und der von IAEA-Generaldirektor El Baradei vorgeschlagenen Anreicherung von Kernbrennstoffen sowie auf das von Russlands Präsident Wladimir Putin vorgeschlagene internationale Zentrum zur Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen äußerte die Nikkei: "Die Bemühungen in Richtung der Schaffung eines internationalen Systems zur Nichtverbreitung von Kernwaffen verstärken sich." Die Zeitung forderte Japan auf, darauf nicht mit Isolationismus zu reagieren: "Japan versucht sich zu verstecken und an seinem eigenen Weg festzuhalten, der besagt, dass die Idee eines internationalen Managements zur Anreicherung und Wiederaufbereitung von Uran nicht in seinem eigenen nationalen Interesse ist. Wir können jedoch nicht so tun, als ob uns das nicht anginge."

 (Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)

 

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