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Japan Brief (Foreign Press Center Japan):
13. 03. 2006
Bank von Japan beendet Geldschwemme
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Wann kommt das Ende der Nullzinspolitik?
Japans "Geldschwemme" fand am 9. März ein Ende, als der leitende Ausschuss der japanischen Notenbank (Bank von Japan) die Abkehr von der Politik der "quantitativen Lockerung" bekannt gab. Die unübliche Geldpolitik, die bislang noch keine andere Zentralbank der Welt verfolgt hat, war im März 2001 als Notmaßnahme eingeführt worden, um das japanische Finanzsystem vor einem Zusammenbruch und die Wirtschaft vor einer weiter fortschreitenden Deflationsspirale zu bewahren, die im Zuge des Zusammenbruchs der Bubble Economy der achtziger Jahre eingesetzt hatte.
Der durch die Bank von Japan vollzogene Ausstieg aus dieser Politik kam der öffentlichen Erklärung gleich, dass die japanische Wirtschaft den Stillstand und die Deflation im Anschluss an die Bubble Economy überwunden hat. Nun jedoch herrscht Unsicherheit, inwieweit dieser entscheidende Wandel in der Geldpolitik Wirtschaft und Handel tatsächlich beeinflussen wird, und wie die Bank von Japan die delikate Aufgabe meistert, ihre Geldpolitik so fortzusetzen, dass im Zuge der vollzogenen Kehrtwende keine unerwarteten Turbulenzen auftreten.
Grob erklärt bedeutete "quantitative Lockerung", dass die Notenbank die Geschäftsbanken innerhalb eines großzügigen Liquiditätsrahmens mit Geld versorgte - und zwar mit weitaus mehr, als diese tatsächlich benötigten - um jede Sorge um eine eventuell auftretende Bankenkrise auszuräumen. Selbst zehn Jahre nach dem Zusammenbruch der Bubble Economy stellte sich die Wirtschaftslage noch heikel dar. Banken waren mit immensen notleidenden Krediten belastet, die sich auf ca. 30 Billionen Yen (257 Milliarden US-Dollar) beliefen. Zahlreiche Banken, darunter auch einige Großbanken, gingen bankrott und schufen so eine Atmosphäre der Angst. Firmenzusammenbrüche häuften sich, die Arbeitslosigkeit stieg auf ein Rekordhoch von 5,5% und die Verbraucherpreise fielen erheblich. Japans Wirtschaft schien vor dem Abgrund zu stehen. Das bewegte die Notenbank dazu, zu einer Politik schier unbegrenzter Bereitstellung von Kapital überzugehen, nachdem die im Februar 1999 eingeführte und bis August 2000 beibehaltene "Nullzinspolitik" sich als unzureichend für eine weitere finanzielle Absicherung erwiesen hatte, da die Zinsen nicht weiter sinken konnten.
Es ist allgemein bekannt, dass diese Politik der "Geldschwemme" lediglich ein psychologischer Trick war, um Sicherheit zu suggerieren - der jedoch funktionierte. Man geht davon aus, dass die unübliche Praxis, scheinbar unbegrenzt zinsloses Kapital zur Verfügung zu stellen (auch wenn dies von den Banken nur wenig in Anspruch genommen wurde), den Zusammenbruch des japanischen Bankensystems verhinderte und die japanische Wirtschaft vor der Deflationsspirale bewahrte. Gleichzeitig jedoch entzog sie der Bank von Japan ein übliches Steuerelement zur Regulierung ihrer Geldpolitik - nämlich die Einflussnahme über den Leitzins. In dieser Situation war die Bank von Japan quasi handlungsunfähig, so z.B. um durch notwendig gewordene Zinsanpassungen auf die ersten Anzeichen einer Bubble zu reagieren. Mit anderen Worten: Der Marktmechanismus auf der Basis von Zinsanpassungen war außer Kraft gesetzt. Diese unübliche Politik der Zentralbank war neben den - durch Schulden extremen Ausmaßes infolge der Rettungsversuche für die Wirtschaft getätigten immensen Zuzahlungen - gebeutelten Staatsfinanzen der für die Bubble Economy zu zahlende Preis.
Seit seinem Amtsantritt als Präsident der Bank von Japan zeigte sich Toshihiko Fukui bestrebt, diese ungewöhnliche Situation zu beenden. Er war die treibende Kraft, die letztendlich zu einem Richtungswechsel führte. Zunehmende Anzeichen einer Erholung der japanischen Wirtschaft, die sich aufgrund zahlreicher Maßnahmen seit Anfang 2004 auf dem Wege einer stabilen Wiederbelebung befindet, überzeugten ihn und den Großteil der Mitglieder des Führungsgremiums der Notenbank, dass die Zeit für ein Ende der Notmaßnahmen gekommen sei. Die sich in den vergangenen Monaten stetig über dem Niveau des vergangenen Jahres einpendelnden Verbraucherpreise gelten dabei als Maßstab für diese Entscheidung - als Zeichen, dass die Gefahr der Deflation gebannt scheint.
Nichtsdestotrotz gab es unter Experten und in Wirtschaftskreisen erheblichen Widerstand - insbesondere was das frühe Ende der "quantitativen Lockerung" betrifft. Der Wende ablehnend gegenüberstehende Experten warnten, dass die japanische Wirtschaft nach wie vor durch die Nachwirkungen der Post-Bubble-Schwäche verletzlich sei und eine überstürzte Abkehr von der Politik der "quantitativen Lockerung" sich nachteilig auswirken könnte. Politiker der Regierungspartei, darunter auch Ministerpräsident Koizumi, verbargen ihre Unzufriedenheit gegenüber der Neigung der Zentralbank zu einer frühen Kehrtwende nicht - wenngleich sie diese letztendlich respektierten. Die Politik hegt nach wie vor die Sorge, dass eine "verfrühte" Wende der Geldpolitik den wirtschaftlichen Aufschwung behindern und ihren Stand bei den Wählern beeinträchtigen könnte. Koizumi beabsichtigt offenbar, eine eigene Erklärung zum Ende der Deflation abzugeben, um sein politisches Ansehen vor seinem Rücktritt im September zu untermauern.
Die japanische Wirtschaft befindet sich auf dem Weg der Besserung, bedarf jedoch weiterer Unterstützung
Nun, da der entscheidende Schritt getan ist, kommt es darauf an, wie die Zentralbank ihre Geldpolitik steuert und die Wirtschaft gesund bleibt. Um Überreaktionen des Finanzmarktes auf den Wandel zu vermeiden, wie z.B. ein Anziehen der Zinsen, bemühte sich Notenbankchef Fukui, die Leitzinsen auch in Zukunft auf dem aktuellen Niveau von fast Null zu halten, auch wenn die Priorität der Geldpolitik der Zentralbank nun eher auf der Zinsgestaltung als auf der Menge des zur Verfügung gestellten Geldes liegen wird. Die künftige Schlüsselfrage lautet somit, wann die Zeit gekommen ist, die Nullzinspolitik aufzuheben und die Zinspolitik wieder als probaten Marktmechanismus zu etablieren.
Die Medienberichte waren sich einig in ihrem Ruf nach einer Beibehaltung der Nullzinspolitik. Die Yomiuri Shimbun schrieb in ihrem Leitartikel vom 10. März, dass "die Zentralbank fortfahren sollte, die wirtschaftliche Wiederbelebung durch ein Bekenntnis für das Festhalten an der bisherigen Politik zu unterstützen" und forderte die Bank auf, "ihre Kommunikation mit den Märkten zu verbessern und darauf zu achten, keine Schwankungen bei den Zinsen und Aktienkursen zu bewirken." Im Gegensatz zur Meinung der Yomiuri begrüßte die Asahi Shimbun am selben Tag das Ende der "Geldschwemme" und setzte sich für eine Beibehaltung der Nullzinspolitik ein, um die Zinsen möglichst niedrig zu halten. "Wenn die Märkte merken, dass ein Anziehen der Leitzinsen droht, könnten die mittel- und langfristigen Zinsraten in die Höhe schnellen und die Wirtschaft negativ beeinflussen", befürchtete die Zeitung und fügte hinzu, dass "die japanische Wirtschaft nach wie vor angeschlagen ist und sorgfältige Pflege die Voraussetzung für eine völlige Wiedergenesung ist." Währendessen warnte die Mainichi Shimbun in ihrem Leitartikel vom 10. März die Bank von Japan davor, "den Leitzins vorschnell anzuheben" und verwies darauf, dass "man bei allzu großer Zögerlichkeit Gefahr laufe, eine Bubble bei den Anleihen zu verursachen".
Mit ihrer Verlautbarung, dass sie ihre Politik auch
fortzusetzen gedenke, wenn die Verbraucherpreise bis zu zwei Prozent
ansteigen, bleibt das aktuelle Ziel der Politik der Bank von Japan
relativ vage. Das Ziel ist dabei nicht die Inflation, wie die Bank
selbst einräumt. Allerdings besteht die Sorge, dass, solange die
Ziele der Maßnahmen offen bleiben, die Kommunikation der Bank mit
den Märkten nicht funktioniert. Die Nihon Keizai Shimbun
forderte am 10. März einerseits die Regierung auf, die
Unabhängigkeit der Zentralbank zu wahren. Auf der anderen Seite
drängte sie die Notenbank, den Dialog mit der Regierung zu suchen,
damit keine Seite den Fehler begeht, selbstgerecht zu urteilen.
"Eine von den Märkten unabhängige und vertrauenswürdige Zentralbank
nützt nicht nur sich selbst, sondern allen Menschen in Japan; das
ist es, was die Bank von Japan anstreben sollte", so die
Zeitung.
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Press Center, Japan)