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Japan Brief (Foreign Press Center Japan):


15. 03. 2006


Chinas Nationaler Volkskongress bestätigt Kurswechsel in der Wirtschaftsführung in den nächsten fünf Jahren - zahlreiche Herausforderungen warten


Die jährliche zehntätige Zusammenkunft des chinesischen Nationalen Volkskongresse (Parlament) ging am 14. März mit der Verabschiedung des 11. Fünfjahresplans (2006-2010) zu Ende. Dieser Plan sieht ein jährliches Wirtschaftswachstum von 7,5 % vor; in den letzten fünf Jahren waren es noch 9,5 % gewesen. Sollte die chinesische Wirtschaft tatsächlich mit dieser Rate wachsen, würde das BIP des Landes 2010 bei 26,1 Bill. Yuan (dies entspricht ca. 3,25 Bill. US-Dollar) liegen. Damit würde China hinter den Vereinigten Staaten und Japan auf Platz drei in der Welt kommen. Das Pro-Kopf-Einkommen würde dann 2.397 US-Dollar oder etwa ein Fünfzehntel des japanischen Wertes von 35.922 US-Dollar für 2004 betragen.

Während Chinas eindrucksvolles Wirtschaftswachstum die anderen Länder nach wie vor erstaunt, entwickelt es sich zugleich zunehmend zu einem Grund zur Sorge und ist nicht länger Gegenstand uneingeschränkten Lobes. Diese Stimmung dominierte auch die Kommentare der japanischen Medien zu den Debatten des Nationalen Volkskongresses in Beijing. Sie wiesen auf die Schwierigkeiten hin, denen sich China in verschiedenen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft gegenübersieht, sowie auch auf den notwendigen Wechsel von "Quantität" zu "Qualität" bei der Wirtschaftsführung, um die ernsthaften Nebenwirkungen des raschen Wachstums in den Griff zu bekommen. Dazu zählen u.a. die zunehmende Kluft bei den Einkommen, die Zerstörung der Umwelt und die Energieknappheit. Der Leitartikel der Yomiuri Shimbun vom 5. März fasste die Ansichten der führenden Tageszeitungen in Japan zusammen: "Die Herausforderungen, vor denen China bei der Sicherung der gesellschaftlichen Stabilität China, nehmen weiter zu... Die kommenden fünf Jahre werden zeigen, ob China sich in Richtung Wohlstand oder in Richtung Chaos entwickelt."

Auch wenn der neue Fünfjahresplan ein jährliches Wirtschaftswachstum von 7,5 % anvisiert und grundsätzlich eine "weiterhin stabile, jedoch relativ rasche wirtschaftliche Entwicklung" angestrebt wird, ist es durchaus möglich, dass Chinas Wachstum dieses Niveau nicht halten kann, bei dem 7,5 % als Mindestziel gilt. Die geplante Senkung gegenüber den durchschnittlich 9,5 % in den letzten fünf Jahren entspringt der Sorge über zunehmende Anzeichen einer Überproduktion infolge des Wettbewerbs beim Wachstum zwischen den verschiedenen regionalen Behörden. Es heißt, China benötige ein Wachstum von mindestens 7 %, um seine gesellschaftliche Stabilität zu wahren. Die Zentralregierung dürfte tatsächlich eine Wachstumsrate zwischen 8 und 9 % anstreben, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, während zugleich eine Überhitzung bei den Investitionen vermieden werden soll.

Um eine solche Wachstumsrate ohne exzessive Abhängigkeit von Investitionen oder Exporten zu erreichen, da letztere zu Spannungen mit den importierenden Staaten führen könnte, muss die Ausweitung der Binnennachfrage neben der Förderung der ländlichen Regionen vorrangiges Ziel sein. Der neue Fünfjahresplan legt daher einen Schwerpunkt auf die Entwicklung der ländlichen Regionen, um so ein ausgewogeneres und nachhaltiges Wachstum der Volkswirtschaft zu erreichen und zugleich die Gefahr der gesellschaftlichen Instabilität zu verringern, die aus dem zunehmenden Ungleichgewicht bei den Einkommen, politischer Korruption und Umweltzerstörung resultiert. In seinem Bericht für den Nationalen Volkskongress erläuterte Ministerpräsident Wen Jiaobao seine Politik, die u.a. mehr Gewicht auf das Wohlergehen der ländlichen Regionen und Bauern legen will sowie den Schwerpunkt von den Investitionen auf den Verbrauch verschieben soll. Das Schlagwort für dieses Ziel lautet "harmonische Gesellschaft".

China wird Zeuge zunehmender Anzeichen für Unruhen in den ländlichen Regionen, wo der größte Teil seiner Bevölkerung - etwa 750 Mio. von über 1,3 Mrd. Menschen - in Armut leben, viele in absolutem Mangel und von den Errungenschaften des raschen Wirtschaftswachstum ausgeschlossen, das sich vor allem auf die städtischen Regionen und die Küstengebiete konzentriert. Es wird geschätzt, dass ca. 200 Mio. Menschen vom Land auf dem Weg in die Städte sind, um dort als Wanderarbeiter ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das Verhältnis der Kluft zwischen den Einkommen der Stadtbevölkerung und der Landbevölkerung stieg 2005 auf 3,22. 1978, als die "Politik der Reformen und der Öffnung" begann, waren es noch 2,57 gewesen. Wütende Bauern, denen ihr Land von korrupten Beamten oft ohne angemessene Entschädigung weggenommen wurde, wehren sich zunehmend mit Gewalt. 2005 wurden im ganzen Land 87.000 Fälle von öffentlichen Zusammenstößen mit den Behörden gezählt. Das große Ausmaß der ländlichen Probleme gilt inzwischen als neue "Bedrohung von innen".

Ministerpräsident Wen versprach, den ländlichen Regionen mehr Finanzmittel zukommen zu lassen; 2006 sollen es 14 % mehr als im Vorjahr sein. Auch Verbesserungen im Gesundheits- und im Schulwesen wurden den Bauern versprochen. Wie die Nihon Keizai Shimbun in ihrem Leitartikel vom 7. März anmerkte, sind diese Maßnahmen für die "Landwirtschaft, Bauern und ländlichen Regionen" zwar zu begrüßen, aber bereits lange überfällig. Die Yomiuri Shimbun fragte in ihrem Leitartikel vom 5. März, wie die Finanzmittel für die Reformen gesichert werden können, da die Landwirtschaftssteuer, die als Symbol der ungerechten Belastung der Bauern galt, im vergangenen Jahr abgeschafft wurde: "Ohne finanzielle Unterstützung wird der ‚neue sozialistische Aufbau der ländlichen Regionen' als Illusion enden." Die Mainichi Shimbun meinte in ihrem Leitartikel vom 7. März, dass angesichts der schieren Größe der ländlichen Regionen eine rasche Lösung nicht zu erwarten sei. Sie warnte: "Die öffentlichen Unruhen werden nur dann aufhören, wenn die Behörden auf höherer Ebene die Beamten vor Ort strikt überwachen."

Sorge wegen anhaltenden Anstiegs der Verteidigungsausgaben

Auch Chinas Verteidigungshaushalt, der weiterhin rasch wächst, wurde von den japanischen Medien in diesem Zusammenhang in Frage gestellt. "Den neuen Fünfjahresplan durchzieht eine Philosophie, die den Schwerpunkt auf Programme im Innern legt, um eine harmonische Gesellschaft zu gestalten. Gleichzeitig nehmen aber auch die Verteidigungsausgaben im Haushaltsjahr 2006 um 14,7 % zu.", so die Mainichi Shimbun. Die Zeitung fuhr fort: "Kein Land würde es wagen, China anzugreifen, das im Besitz von Kernwaffen ist... Warum müssen daher jedes Jahr Mittel in diesem Umfang aufgewendet werden?" Die Asahi Shimbun brachte in ihrem Leitartikel vom 6. März die "Sorge über eine Steigerung von fast 15 % bei den diesjährigen Verteidigungsausgaben" zum Ausdruck: "Dies bedeutet, dass der Anstieg der Verteidigungsausgaben seit achtzehn Jahren stets zweistellig verläuft. Dagegen steht die internationale Ansicht, dass es Chinas militärischem Potential an Transparenz fehlt. Dies muss auch die Sorgen der Nachbarstaaten erhöhen." Die Sankei Shimbun interpretierte in ihrem Leitartikel vom 7. März den chinesischen Verteidigungshaushalt ganz offen: "China scheint beim diesjährigen Nationalen Volkskongress einen Kurs in Richtung öffentliches Wohlergehen eingeschlagen zu haben, um so die innere Stabilität zu fördern. Allerdings bleiben die Verteidigungsausgaben unangetastet, weil die Regierung von Hu Jintao die Armee angesichts der sich verschlechternden Situation im Innern als Schutzschild benutzt.

Die Notwendigkeit politischer Reformen wurde von der Nihon Keizai Shimbun in ihrem Leitartikel vom 7. März hervorgehoben: "(Chinas) politische Reformierung, die im Vergleich zur Wirtschaft stark vernachlässigt wurde, muss vorangetrieben werden, um die Widersprüche in den Bereichen Politik, Wirtschaftbund Außenpolitik aufzulösen." Sie fuhr fort: "Die Redefreiheit und unabhängige Medien sind unerlässlich, um faire Märkte zu gestalten sowie Verstöße und Korruption aufzudecken. Unter den jetzigen Bedingungen, wo die Kommunistische Partei die Justiz beherrscht, kann die Korruption innerhalb der höheren Parteikader nicht ausgerottet werden. Auf der anderen Seite ist es leider Realität, dass die jetzige Regierung die Kontrolle der Medien weiter ausbaut, die eigentlich Korruption und Verfehlungen anprangern sollten."

 (Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)

 

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