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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
31. 03. 2006
Kadima-Partei gewinnt Wahlen in Israel
Bei den Parlamentswahlen am 28. März in Israel siegte erwartungsgemäß die neue Kadima-Partei, die den einseitigen Rückzug aus den besetzten Gebieten fordert und damit die stärkste Kraft im israelischen Parlament (Knesset) wurde. Die Kadima-Partei errang 29 Sitze, was bedeutet, dass sie von einer Mehrheit in der 120 Sitze zählenden Kammer noch weit entfernt ist. Daher ist mit schwierigen Verhandlungen zur Bildung einer Koalitionsregierung mit der Arbeiterpartei, der zweitstärksten Kraft, die 20 Sitze erringen konnte, zu rechnen.
Da als Ergebnis des Sieges der Kadima sich Israels Besatzungspolitik verändern wird, räumten die führenden japanischen Tageszeitungen am 30. März Berichten und Kommentaren zum Ausgang der Wahlen breiten Raum ein. Vier der fünf überregionalen Tageszeitungen (außer der Sankei Shimbun) publizierten zudem Leitartikel zum Hintergrund des Sieges der Kadima und dessen Einfluss auf die Friedensgespräche im Nahen Osten.
Meinungswandel bei den Israelis
Seit dem dritten Nahost-Krieg im Jahre 1967, als Israel arabische Territorien wie die Westbank, den Gaza-Streifen und die Sinai-Halbinsel besetzte, war die öffentliche Meinung des israelischen Volkes hinsichtlich der Besatzungspolitik gespalten. Dieser Riss innerhalb der öffentlichen Meinung spiegelte sich innerhalb Israels Politik mit der rechten Likud-Partei, die einen Konfrontationskurs vertrat, und der Arbeiterpartei, die einen eher flexiblen Kurs verfolgte, wider. Bei den jüngsten Parlamentswahlen musste die Likud-Partei dramatische Verluste hinnehmen und kam nach 27 Sitzen vor der Wahl nun auf lediglich 12, was sie neben der orthodoxen sephardischen Shas-Partei zur drittstärksten Kraft machte. Die wichtigste Ursache für den Sieg der Kadima und die Niederlage der Likud-Partei liegt dieses Mal nach Ansicht der japanischen Medien in dem Wandel der öffentlichen Meinung des israelischen Volkes.
Die Yomiuri Shimbun unterstrich in ihrem Leitartikel: "Die Kadima-Partei hat sich verpflichtet, den Rückzug aus den jüdischen Siedlungen der Westbank voranzutreiben und die Grenze zu Palästina zu ziehen. Die Kadima gewann weniger Sitze als erwartet, aber die deutliche Politik des Rückzugs aus den Siedlungen, die im letzten Sommer mit Ministerpräsident Ariel Sharons Rückzug aus dem Gaza-Streifen eingeleitet wurde, hat die Unterstützung der Bevölkerung erlangt. Die Tatsache, dass die Arbeiterpartei, die gleichfalls den Rückzug aus den besetzten Gebieten unterstützt, zweitstärkste politische Kraft wurde, scheint diesen aktuellen Wandel zu belegen. Andererseits hat die Likud-Partei - neben der Arbeiterpartei eine der führenden politischen Kräfte - eine große Niederlage einstecken müssen. Ihre ablehnende Haltung gegenüber einem Rückzug aus den besetzten Gebieten hat die Wähler nicht mobilisieren können."
Hinsichtlich des im letzten Jahr stattgefundenen Wandels in der politischen Landschaft Israels beobachtete die Mainichi Shimbun: "Die Kadima, deren Name soviel wie "vorwärts" bedeutet, entstand, als Ministerpräsident Sharon seine alte politische Heimat, die Likud-Partei verließ. Er war offensichtlich zu dem Schluss gekommen, dass Frieden im Rahmen der alten Konstellationen nicht zu erwarten war. Sharon, der als Hardliner groß geworden war, ließ schon vor der Bildung der neuen Partei die Siedlungen im Gaza-Streifen räumen." In vorsichtigen Worten wertete die Mainichi den Ausgang der Wahlen positiv. Sie schrieb: "Vor dem Hintergrund des Planes eines einseitigen Abzugs wird bereits jetzt deutlich, dass ohne eine Änderung der gegenwärtigen Lage nichts erreicht werden kann. Der Rückzug ist mehr als wünschenswert."
Die Nihon Keizai Shimbun analysierte: "In Israel hat sich die konventionelle Meinung, dass die Besetzung angrenzender Gebiete der Sicherheit ganz Israels dient, gewandelt. Die Kosten der Bekämpfung des Widerstandes wurden zunehmend eine Last und der wachsende Anteil der arabischen Bevölkerung führte zu einer Identitätskrise des jüdischen Staates. Im letzten Jahr ordnete Ministerpräsident Sharon einen Rückzug aus dem Gaza-Streifen an, und der seit Sharons Krankheit amtierende Ministerpräsident Ehud Olmert setzt sich für den Rückzug aus der Westbank ein. Diese Bestrebungen verweisen darauf, dass er die Hoffnung des israelischen Volkes auf einen Wandel erkannt hat."
Besorgnis hinsichtlich eines einseitigen Abzugs
Folgt man der Überschrift eines Kommentars des Leiters des Kairoer Büros der Yomiuri, Michiro Okamoto, "Die größte historische Veränderung seit Gründung des Staates", scheint die Option eines entscheidenden Wandels in der Nahostpolitik Israels im Bereich des Möglichen zu liegen. Keiner der Leitartikel der japanischen Zeitungen konnte jedoch seine Besorgnis und Furcht über die Pläne zum einseitigen Abzug verhehlen, wie sie von Ministerpräsident Sharon und dem amtierenden Premier Olmert angekündigt wurden.
Die Asahi schrieb: "Olmert hat deutlich gemacht, dass seine Regierung lediglich einen Teil der jüdischen Siedlungen in der Westbank räumen will. Er wies Erwägungen zurück, auch Gebiete in der Nähe von Jerusalem aufzugeben. Olmert kündigte an, einen unabhängigen palästinensischen Staat zu dulden, schwor jedoch, einen unbarmherzigen Kampf gegen den Terrorismus zu führen und den Bau der Betonmauer um die Palästinensergebiete herum fortzuführen." Kritisch gegenüber einer Grenzziehung ohne einen Dialog mit der palästinensischen Seite fuhr sie fort: "In seiner Rede anlässlich des Wahlsiegs unterstrich Olmert, dass er ohne die Kompromissbereitschaft der Palästinenser keine Friedensgespräche führen wird. Er verwies darauf, dass seine Regierung Sharons Pläne zum einseitigen Abzug aus Teilen der Westbank und die Festsetzung der Grenzen Israels fortzusetzen gedenke."
Mit einem Appell an die Kadima-Partei, der internationalen Meinung Rechnung zu tragen, hob die Mainichi in ihrem Leitartikel hervor: "Dauerhafter Frieden kann nicht durch einseitige Aktionen erreicht werden, und die Trennmauer, die die Staatsgrenze bilden soll, beeinträchtigt das Leben des palästinensischen Volkes. Der Internationale Gerichtshof hat empfohlen, die Trennmauer abzubauen, da sie gegen internationales Recht verstößt und die Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete mit überwältigender Mehrheit eine Resolution mit der Forderung nach einem Abbau der Mauer. Auch Japan stimmte dieser Resolution zu. Die Siedlungen, die Israel an ca. 120 Orten in der Westbank errichtete, werden als eine Verletzung internationalen Rechts angesehen und selbst die Vereinigten Staaten als Verbündeter Israels haben ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass diese ein Hindernis für den Frieden darstellen."
Weiteres Hindernis: Amtsantritt der Hamas-Regierung in Palästina
Zufällig und nicht ohne Ironie wurde am 29. März, dem Tag an dem die Ergebnisse der Parlamentswahlen in Israel bekannt gegeben wurden, eine neue palästinensische Regierung, angeführt von der islamistischen Hamas, die die Wahlen zum palästinensischen Parlament im Januar gewonnen hatte, in ihr Amt eingeführt. Nach einem Bericht des Sonderkorrespondenten der Yomiuri vom 30. März bezeichnete ein Pressesprecher der Hamas am 29. März die Politik der einseitigen Grenzziehung durch die Kadima-Partei als "Kriegserklärung". Die Hamas hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht einmal die Existenz des Staates Israel anerkannt und weigert sich, ihrer Politik des bewaffneten Kampfes gegen Israel abzuschwören. Mit dem Ausdruck der Besorgnis, dass die Hamas den Weg zu Friedensverhandlungen blockieren könnte, appellierte der Artikel an die Führung der Hamas, ihren Kurs des bewaffneten Kampfes zu ändern.
Die Yomiuri schrieb in ihrem Leitartikel: "Die Hamas-Regierung als verantwortliche Führung Palästinas sollte danach streben, eine pragmatische Politik zu verfolgen. Wie von der internationalen Staatengemeinschaft gefordert, sind die Einhaltung der Vereinbarungen der palästinensischen Regierung mit Israel ebenso wie der Gewaltverzicht und die Anerkennung Israels die notwendigen Voraussetzungen."
Die Asahi stellte besorgt fest: "Wie die Dinge nun liegen, verweigert sich sowohl die neue Regierung Israels als auch die palästinensische Regierung den Friedensgesprächen. Unserer Meinung nach ist der Friedensprozess im Nahen Osten gefährdeter denn je." Doch sie schloss: "Auch wenn es unmöglich ist, die Atmosphäre für Friedensgespräche über Nacht zu verbessern, sollten ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, um die Eskalation der Gewalt zu stoppen und Stabilität in die Region zu bringen. Der Ausgang der Wahlen in Israel zeigt eindeutig, dass dies im Sinne der Menschen wäre."
(Copyright 2006 Foreign Press Center,
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