Home > Presse & Publikationen > Japan Brief

Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
03. 04. 2006
DPJ-Vorsitzender Maehara und Führungsmannschaft treten wegen Affäre um gefälschte E-Mail zurück
Die Führung der Demokratischen Partei Japans einschließlich ihres Vorsitzenden Seiji Maehara erklärte am 31. März, nur sechseinhalb Monate nach ihrem Amtsantritt, geschlossen ihren Rücktritt. Dieser Schritt diente dazu, den Schlussstrich unter eine Affäre um eine gefälschte E-Mail zu ziehen, wegen der die Parteiführung aufgrund ihrer extrem langsamen Reaktion unter heftige Kritik geraten war. Die Rücktritte standen am Ende eines ganzes Monats, in dem die DPJ vergeblich versucht hatte, das Problem zu lösen.
Maehara übernimmt volle Verantwortung
Das Problem der gefälschten E-Mail nahm am 16. Februar seinen Anfang, als Hisayasu Nagata, ein DPJ-Abgeordneter im Unterhaus, schwere Vorwürfe im Haushaltsausschuss des Unterhauses erhob. Nachdem wegen des Problems der Vorsitzende des DPJ-Ausschusses für Parlamentsangelegenheiten, Yoshihiko Noda, zurückgetreten war, erreichte die Angelegenheit schließlich die Parteispitze und zwang den Vorsitzenden Maehara sowie Generalsekretär Yukio Hatoyama zum Rücktritt. Maehara erläuterte auf einer Pressekonferenz am 31. März die Gründe für diesen Schritt: "Ich übernehme die volle Verantwortung für alles. Es ist ein vollständiger Wechsel erforderlich, damit die DPJ ihrer Verantwortung als größter Oppositionspartei gerecht werden kann sowie um das Vertrauen der Menschen wiederzuerlangen und bei den nächsten Wahlen zu einem Wechsel der Regierung aufzurufen." Am selben Tag erklärte auch Nagata gegenüber dem Sprecher des Unterhauses, Yohei Kono, seinen Rücktritt als Abgeordneter. Dadurch wurde eine Untersuchung Nagatas durch den Disziplinarausschuss des Unterhauses sowie die Anhörung von Takashi Nishizawa als vereidigter Zeuge, der als Vermittler die E-Mail an Nagata weitergeleitet hatte, verhindert.
Als Faktoren für den geschlossenen Rücktritt der DPJ-Führung wirkten im Hintergrund: (1) ihre Einschätzung, dass die Verwirrung weiter zunehmen würde, wenn Nishizawa als vereidigter Zeuge wie geplant am 4. April aufgetreten wäre, (2) ihr Versuch, die Affäre um die gefälschte E-Mail mittels eines Berichts eines parteiinternen Untersuchungsgremiums zu beenden sowie (3) die zunehmende Notwendigkeit, die Partei angesichts einer anstehenden Nachwahl für das Unterhaus im Wahlkreis 7 der Präfektur Chiba (offizielle Ausschreibung am 11. April) zu stärken. Die Abgeordneten der DPJ im Parlament werden nun am 7. April im Rahmen einer Zusammenkunft der Abgeordneten beider Kammern einen neuen Vorsitzenden wählen. Die neue Führungsmannschaft wird dann am 10. April ihre Geschäfte aufnehmen.
Laut dem Bericht über die Affäre um eine gefälschte E-Mail, den das DPJ-interne Untersuchungsgremium am 31. März veröffentlichte, glaubte Nagata, dass eine gefälschte E-Mail, die er von Nishizawa erhalten hatte, echt sei. Diese gefälschten Informationen leitete er ohne angemessene Prüfung an den Vorsitzenden des DPJ-Ausschusses für Parlamentsangelegenheiten, Noda, weiter und überredete ihn, dieser Information Glauben zu schenken. Der Bericht machte zudem deutlich, dass Noda Nagata erklärt hatte, die Partei sei bereit, 10 Mio. Yen an Nishizawa zu zahlen, um die Identität des Informanten zu klären und neue Beweise zu erhalten. Allerdings sagte der Bericht nicht, wer die gefälschte E-Mail erstellt hat und zu welchem Zweck.
Rückkehr der Veteranen auf die politische Bühne?
Ministerpräsident Junichiro Koizumi kommentierte den Rücktritt Maeharas mit einer aufmunternden Bemerkung: "Herr Maehara ist noch jung. Daher hoffe ich, dass er aus seinen Erfahrungen lernt und weiterhin aktiv bleibt." Chefkabinettsekretär Shinzo Abe meinte: "Ich hatte die Hoffnung, dass er als DPJ-Vorsitzender für frischen Wind sorgen würde. Daher ist es sehr bedauerlich, dass er aus diese Weise abtreten muss." Der Vorsitzender der Neuen Komei-Partei, Takenori Kanzaki, kommentierte: "Er entschied sich wahrscheinlich wegen seiner zögerlichen Reaktion und des Verlustes von Vertrauen in die DPJ zum Rücktritt. Es war unvermeidlich."
Der politische Kommentator Raizo Matsuno, früherer Vorsitzender des Allgemeinen Ausschusses der Liberaldemokratischen Partei, schrieb in der Sankei Shimbun (1. April): "Es war bereits alles zu spät. Die Parteiführung ließ Nagata gewähren, und die Abgeordneten waren bloß Zuschauer, die es Nagata und der Führung erlaubten, nach eigenem Gutdünken vorzugehen. Die schlechte Seite der DPJ kam zutage, nämlich, dass sie nicht in der Lage ist, durch eine lebendige Debatte innerhalb der Partei als Ganzes Entscheidungen zu treffen. Es ist nun an der Zeit, dass die DPJ insgesamt an die Startlinie zurückkehrt, vereint und bestrebt, sich von Grund auf neu zu gestalten."
Die Aufmerksamkeit richtete sich auch auf die Auswirkungen, die das Versagen Maeharas, eines jungen Spitzenpolitikers, der gerade einmal 43 Jahre alt ist, auf die Wahlen zum LDP-Vorsitz im September haben dürfte. Die Nihon Keizai Shimbun (Nikkei, 1. April) kommentierte: "Je nach Aufstellung der neuen DPJ-Führung könnten Rufe nach einem Veteranen mit großer Weisheit und Erfahrung lauter werden." Atsuro Kurashige, verantwortlicher Redakteur für Politik der Mainichi Shimbun schrieb: "Ich denke nicht, dass dieser Fehlschlag allein der Jugend und mangelnden Reife Maeharas zu verdanken ist. Allerdings könnten wir als Reaktion darauf die Rückkehr eines Veteranen auf die politische Bühne erleben."
Der Vorsitzende der Neuen Komei-Partei, Kanzaki, erklärte: "Die Unreife und Jugendlichkeit der DPJ-Führung gereichte ihr zum Nachteil. Dies könnte unter Umständen auch Auswirkungen auf die Wahlen zum LDP-Vorsitz haben. Wir müssen ein wenig abwarten und sehen, was kommt." Chefkabinettsekretär Abe meinte in einem Interview: "Es ist ein Problem der Balance [zwischen Jugend und Erfahrung]. Es kommt darauf an, welche Qualitäten der Einzelne hat. Sicherlich ist es falsch, jemanden nur aufgrund seiner Jugend oder seiner Erfahrung zu beurteilen."
Kommentare der Zeitungen: Wiedererlangen von Vertrauen nicht einfach
In ihren Leitartikeln vom 1. April zum Rücktritt der DPJ-Führung merkten Japans führende Tageszeitungen an, dass der Vorfall die Säumigkeit sowie die Unreife der DPJ offen gelegt habe. Sie kritisierten die DPJ dafür, dass diese einen Stillstand der Beratungen im Parlament verursacht habe und merkten an, dass es nicht einfach sein werde, das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen.
Der Leitartikel der Asahi Shimbun wies kritisch darauf hin: "Die erbärmliche Haltung [der DPJ, deren Führung es nicht gelang, die ganze Sache unter Kontrolle zu halten] hat nicht nur das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Partei beschädigt, sondern auch ernste Zweifel an der Verpflichtung der Minshuto [DPJ] genährt, sich für politische Reformen zur Etablierung eines Zwei-Parteiensystems einzusetzen, das sanfte Regierungswechsel ermöglichen würde." Indem die Zeitung darauf hinwies, dass die DPJ einen grundlegenden Neubeginn benötige, fuhr sie fort: "Um ihr Haus wieder in Ordnung zu bringen, benötigt die Partei eine Debatte über ihre Inhalte und ihre Standpunkte, um auf diese Weise eine solide Grundlage für ihre Politik zu schaffen. Um das zu erreichen, sollte der nächste Vorsitzende eine Übergangsfigur sein. Am Ende der Sitzungsperiode des Parlaments sollten dann alle Parteimitglieder und -freunde umgehend einen neuen Vorsitzenden wählen.
Der Leitartikel der Mainichi schrieb: "In den eineinhalb Monaten, seit das [E-Mail-] Problem besteht, war die Reaktion der DPJ ausweichend, und auch ihre Zustimmungswerte gingen kontinuierlich zurück. Tatsache ist, dass Maehara wohl keine andere Wahl hatte als zurückzutreten." Sie fuhr kritisch fort: "Während dieser Zeit stand das Parlament praktisch still." Diesbezüglich meinte die Mainichi: "Dadurch gerieten wichtige Fragen wie die Fälschung von Daten über die Erdbebensicherheit von Apartmentblocks oder die Lifedoor-Affäre aus dem Blick. Auch die Debatte über die Kluft zwischen Arm und Reich innerhalb unserer Gesellschaft , die als eine Art Zusammenfassung der fünf Jahre währenden Politik unter der Regierung Koizumi betrachtet werden kann, wurde vollkommen vernachlässigt." Die Zeitung betonte: "Dies ist das schwerste Vergehen der DPJ, und Unreife ist keine Entschuldigung.
Mit dem kritischen Hinweis, "Maeharas Rücktritt kam zu spät", betonte die Yomiuri Shimbun: "Die Konfusion innerhalb der DPJ hat eine Verzögerung der Debatte im Parlament verursacht. Diese Entwicklung hat das öffentliche Misstrauen in die Politiker und die Parteien weiter verstärkt ... Die Partei sollte nun die Politik des Landes mit guten Vorschlägen beleben, die so wesentlich für den Weg an die Macht sind." Die Yomiuri fügte hinzu: "Es wird nicht einfach sein für die DPJ, wieder auf die Füße zu kommen ... Maehara hatte gute Gründe dafür, bei der Behandlung der grundlegenden Fragen pragmatisch zu sein, da er sich das Ziel gesetzt hatte, die Regierungskoalition abzulösen. Für die DPJ ist es zudem wichtig, eine konstruktive Debatte mit der Regierung zu führen, die sich auf eigenen Vorschlägen zu den wichtigsten politischen Fragen gründet, wenn sie als verantwortungsvolle Partei agieren will. Es mag für die DPJ schwierig sein, sich neu zu orientieren, wenn der neue Vorsitzende sich weigert, in Maeharas Fußstapfen zu treten."
Der Leitartikel der Sankei kommentierte: "Die DPJ hätte zu einem früheren Zeitpunkt einen effektiven Schritt zur Lösung des Problems der gefälschten E-Mail machen können ... statt dessen ließ sie die Sache schleifen und machte dadurch alles noch schlimmer." Die Zeitung meinte darüber hinaus, dass der Vorfall die Unreife beim Umgang mit der Krise deutlich gemacht habe: "Der Rücktritt der DPJ-Führung ist nur natürlich, da sie das Vertrauen der Menschen in die Partei stark beschädigt hat." Bezüglich der Tatsache, dass die Wahl zum Parteivorsitz bereits die zehnte in der achtjährigen Geschichte der Partei ist, meinte die Sankei: "Im Hintergrund wirkt dabei die Tatsache, dass die Partei nach wie vor keine Einigkeit erreicht hat. Gerade weil die DPJ so ein Sammelsurium ist, bestehen zahlreiche Differenzen in Fragen wie Sicherheitspolitik o.Ä." Die Zeitung betonte: "Die DPJ sollte sich daran erinnern, dass eine Partei, welche die Perspektiven für die Existenz des eigenen Landes vergisst und deren Mitglieder sich ständig gegenseitig in die Quere kommen, das Vertrauen der Menschen nicht erlangen wird."
Die Nikkei schrieb in ihrem Leitartikel kritisch: "Die größte Schuld trifft Nagata. Er ist nicht nur für den Vertrauensverlust der DPJ verantwortlich, sondern er hat auch die Autorität des Parlaments in hohem Maße beschädigt. Er hätte mehr Gespür für Verantwortung haben und sehr viel früher als Abgeordneter zurücktreten müssen." Die Zeitung sah auch Maeharas Führungsqualitäten kritisch und meinte: "Der Mangel an Fähigkeiten beim Krisenmanagement wurde deutlich. Die Unreife in Maeharas Führung, der sich vor allem auf junge Leute stützte, kam offen zutage." Die Nikkei meldete zudem Zweifel an der Entscheidung an, die Befragung von Nishizawa als vereidigter Zeuge vor einem Parlamentsausschuss abzusagen, von dem gesagt wird, dass er die E-Mail an Nagata weitergeleitet hat: "Es bleibt der Eindruck, dass die Untersuchung der Fakten hinter dem ganzen Fall mit einem zwiespältigen Gefühl zu Ende geht."
(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)