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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


10. 04. 2006


Ozawa zum Vorsitzenden der DPJ gewählt -
Hauptaufgabe ist Erneuerung der Partei

Die Demokratische Partei Japans, die wegen der Affäre um eine gefälschte E-Mail das Vertrauen der Öffentlichkeit verlor und in die schwerste Krise seit ihrem Bestehen geriet, wählte den Politveteranen Ichiro Ozawa zu ihrem neuen Vorsitzenden und vertraute seiner politischen Erfahrung die Aufgabe der Erneuerung der Partei an. Die DPJ Ozawas sieht sich einer Reihe von Problemen gegenüber, darunter die Wiederherstellung des Vertrauens in die in Ungnade gefallene Partei, die Wiederherstellung der Einheit der Partei sowie die Schaffung einer grundlegenden Strategie für die Partei. Eine weitere wichtige Frage für die Wiederbelebung der Partei ist, wie es ihr gelingen kann, die städtischen Wähler zurückzugewinnen, die der Partei bei der Unterhauswahl im letzten Jahr zunehmend den Rücken gekehrt haben. Der erste Test wird diesbezüglich der 23. April sein, wenn im Wahlkreis 7 der Präfektur Chiba eine Nachwahl für das Unterhaus ansteht.

Ozawa: "Zuerst muss ich mich selbst ändern"

Die Wahl zum DPJ-Vorsitzenden als Nachfolger von Seiji Maehara, der die Verantwortung für die Affäre um eine gefälschte E-Mail übernahm und zurücktrat, fand am 7. April statt. Als Ergebnis der abgegebenen 192 Stimmen (eine Abwesenheit) der DPJ-Abgeordneten sowohl des Ober- als auch des Unterhauses schlug Ozawa (63 Jahre), ehemaliger stellvertretender Vorsitzender, seinen Rivalen Naoto Kan (59 Jahre), einen ehemaligen Parteivorsitzenden, mit 119 zu 72 Stimmen relativ eindeutig. 

Bei einer Ansprache vor der Stimmabgabe sagte Ozawa: "Zuerst muss ich mich selbst ändern." und machte damit seine Absicht deutlich, seinen bislang von ihm favorisierten Führungsstil, der als selbstherrlich kritisiert worden war, zu ändern. Ozawa bat zugleich um Unterstützung für den letzten Kampf, den er in seinem politischen Leben zu führen gedenke und unterstrich: "Ich habe mich unter schweren Anstrengungen dazu aufgerafft, schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste." Als wichtiges innenpolitisches Thema nannte Ozawa die für ein neues Japan wichtige Entwicklung der humanen Ressourcen, die Bildung einer Nation auf der Grundlage regionaler Souveränität und eine wahre Strukturreform in Wirtschaft und Gesellschaft. Im Bereich Außenpolitik und Sicherheit setzte er sich unter Beibehaltung des engen Verhältnisses zwischen Japan und den USA für eine Intensivierung der Beziehungen zu Asien ein.

Der Hauptgrund für Ozawas Sieg wird in der Tatsache gesehen, dass er zusätzlich zu den Stimmen der DPJ-Abgeordneten des konservativen Parteiflügels, der Fraktionen der ehemaligen Sozialistischen Partei Japans (später Sozialdemokratische Partei Japans) und der Demokratischen Sozialistischen Partei auch die Stimmen zahlreicher junger DPJ-Parlamentarier erhielt, die sich hinsichtlich des Überlebens der Partei sorgen. Ozawas Amtsperiode als Vorsitzender reicht zunächst bis September dieses Jahres, wenn die Amtszeit Maeharas abgelaufen wäre.

Auf einer Pressekonferenz im Anschluss an seine Ernennung meinte Ozawa: "Ich bin mir der Schwere der Aufgabe und der Verantwortung für eine Verjüngung der Partei auf dem Weg in Richtung Regierungsverantwortung bewusst und werde mein Bestes tun." Mit Blick auf wichtige, für die zweite Hälfte der Sitzungsperiode des Parlaments angekündigte Gesetzesvorschläge, wie z.B. den Entwurf zur Förderung der Verwaltungsreform sowie Fragen der Sicherheit machte er seine Absicht deutlich, die Meinungen und Vorschläge innerhalb der Partei zu bündeln. Nach Berichten der Mainichi Shimbun (8. April) wird Ozawa im Gegensatz zum Ex-Vorsitzenden Maehara, der gegenüber der Regierung Koizumi im Rahmen der Reformen einen konstruktiven Kurs mit Gegenvorschlägen und Herausforderungen verfolgte, höchstwahrscheinlich einen mehr konfrontativen Kurs verfolgen, so dass die Möglichkeit besteht, dass sich die eher gemäßigte Parlamentsstrategie der DPJ, die auf politischen Dialog setzte und den Boykott von Beratungen ablehnte, grundlegend wandelt.

Am Abend des 7. April äußerte sich Ministerpräsident Junichiro Koizumi zur Wahl Ozawas zum Vorsitzenden der DPJ: "Er kennt die Liberaldemokratische Partei ausgesprochen gut. Er wird ein harter Gegner sein." Als Maehara im Alter von 43 Jahren zur DPJ-Vorsitzenden ernannt wurde, glaubten zahlreiche Beobachter, dass dies ein günstiges Vorzeichen für die Wahl von Chefkabinettsekretär Shinzo Abe zum nächsten LDP-Vorsitzenden wäre. Es ist anzunehmen, dass auch die Ernennung des erfahrenen und kompetenten Ozawa Einfluss auf die Zeit nach Koizumi haben wird.

Kan als Stellvertreter, Hatoyama und andere Spitzenpositionen bestätigt  

Am 8. April traf Ozawa die Personalentscheidungen für die DPJ-Führung und ernannte Naoto Kan zu seinem Stellvertreter. Yukio Hatoyama wurde als Generalsekretär bestätigt, während Kozo Watanabe als Vorsitzender des Parlamentsausschusses und Takeaki Matsumoto als Vorsitzender des Politischen Forschungsausschusses ihre Aufgaben weiterführen. Indem er seinem Mitbewerber um den Parteivorsitz die zweithöchste Position einräumte, scheint es Ozawas Absicht gewesen zu sein, sowohl eine innerparteiliche Versöhnung anzustreben als auch durch Bestätigung des Führungsteams seines Vorgängers den Eindruck innerparteilicher Einheit zu erwecken. Nach der Bestätigung durch die DPJ-Abgeordneten beider Häuser erfolgte die offizielle Ernennung dann am 11. April.

Auf einer Pressekonferenz offenbarte Ozawa, dass seine Entscheidung, die wesentlichen Führungsposten der Partei zu bestätigen, daher rühre, den Schwerpunkt auf die parlamentarischen Angelegenheiten zu legen: "Da die Sitzungsperiode in vollem Gange ist, möchte ich die Führungsmitglieder bestätigen und sie die Parlamentsangelegenheiten weiter verfolgen lassen."  Bezüglich der grundsätzlichen  Bestätigung des Führungsteams Maeharas unterstrich er: "Maehara hat die Verantwortung übernommen und ist als Vorsitzender zurück getreten. Das ist kein Hinderungsgrund dafür, die restliche Führungsspitze zu bestätigen."

Als Reaktion auf die neue Spitze der DPJ kommentierte LDP-Generalsekretär Tsutomu Takebe: "Unter Berücksichtigung dessen, dass man sich während einer laufenden Sitzungsperiode kein politisches Vakuum leisten kann, ist dies eine nachvollziehbare Entscheidung." Der Vorsitzende der Komei-Partei, Takenori Kanzaki, äußerte: "Er setzt offensichtlich bis September auf eine provisorische Spitze. Das war vermutlich nicht zu vermeiden. 

Die Yomiuri Shimbun berichtete am 9. April, dass Ozawas Bestätigung des vorangegangenen Führungsteams darauf abzielte, "neue Spannungen aufgrund von Vorbehalten in den eigenen Reihen gegen sich selbst zu vermeiden." Sie schrieb weiter: "Wenn man die Situation in der Partei betrachtet und die Neuwahl des Vorsitzenden im September berücksichtigt, ist anzunehmen, dass Ozawa dann eine neue ‚Führung im Ozawa-Stil' ernennen wird."

In einem Beitrag hinsichtlich der Veränderungen in der Führung der DPJ in der Mainichi Shimbun vom 9. April schrieb Prof. Jun Iio vom National Graduate Institut for Policy Studies: "Ob man die DPJ nun unterstützt oder nicht: In dem jämmerlichem Zustand, in dem sich die DPJ gegenwärtig befindet, ist der Wiederaufbau der Partei eine Frage von nationalem Interesse, da die Regierungsparteien keine Spannung erzeugen und die Wähler ohne die Möglichkeit eines Regierungswechsels keine Wahl hätten. Aus diesem Grunde ist die Selbstreform der DPJ höchst wünschenswert."

Medienkommentare: Erwartungen an einen "neuen Ozawa"

Während sie die Aussichten der DPJ auf eine Erneuerung nach der schlimmsten Krise seit ihrer Gründung positiv bewerteten, brachten die Leitartikel der wichtigsten japanischen Tageszeitungen am 8. April aufgrund des persönlich angekündigten Wandels auch ihre Erwartungen an einen "neuen Ozawa" zum Ausdruck.

Hinsichtlich Ozawas Bemühen, sein bereits während des Wahlkampfes zur Schau gestelltes neues Ich zu präsentieren, meinte die Asahi Shimbun: "Wir hoffen, Ozawas vorgebliche Leidenschaft war nicht bloß ein Wahlkampftrick." Sie fuhr fort: "Ozawa hat die Neue Fortschrittspartei einst aufgrund eines anhaltenden internen Konflikts auflösen lassen. Sollte er dies erneut zulassen, wird sich der von ihm und der Minshuto (DPJ) geteilte Traum eines ‚Regierungswechsels als grundlegende Strukturreform' in Rauch auflösen." Die Asahi forderte, dass im Laufe seiner bis September dauernden Amtsperiode "Ozawa aktive parteiinterne Diskussionen anregen und während des letzten Wahlkampfes vorgestellte Begriffe und Maßnahmen wie ‚Symbiose', ‚eine gerechte Nation' und ‚die Vertiefung der asiatischen Beziehungen' weiter ausarbeiten sollte. Er sollte diese in einen entsprechenden Zusammenhang stellen.  Zudem muss Ozawa zeigen, dass er in den nächsten sechs Monaten tatsächlich ein ‚neuer Mann' ist."

Die Mainichi  stellte fest: "Der Neustart erfolgt zu einer Zeit, da die DPJ aufgrund der E-Mail-Affäre ihre Reputation vollständig verloren hat. Sowohl für Ozawa als auch für die Partei wird es keinen Neuanfang geben, ohne rigoros mit den üblichen Praktiken zu brechen." Unter Bezug auf Ozawas Ankündigung "Zuerst muss ich mich selbst ändern", stellte sie fest, dass "er sich seines negativen Images offenbar sehr wohl bewusst ist" und kommentierte: "Heutzutage entscheidet das Auftreten eines Parteivorsitzenden über den Ausgang einer Wahl." Die Mainichi forderte zudem: "Als neuem Vorsitzenden der DPJ möchten wir Ozawa ermutigen, seine Ideen den Menschen im Land sorgfältig zu erläutern - sei es in seinen Reden vor dem Parlament oder in der Öffentlichkeit, etwa bei Pressekonferenzen." Sie schrieb weiter: "Wir würden solch einen ‚neuen' Ozawa gern sehen."

Die Yomiuri meinte: "Im Vorfeld der Wahl vom Freitag setzte Ozawa auf einen Regierungswechsel, der im Rahmen eines ‚Zwei-Parteien-Systems' eine wirkliche Strukturreform mit sich bringen würde. So oder so hat die DPJ zahlreiche Hürden zu überwinden, um die Regierungskoalition zu stürzen ... Es wird keine leichte Aufgabe für die DPJ sein, ihr altes Erscheinungsbild als Ansammlung von Vertretern unterschiedlichster politischer Ansichten abzulegen und zu jeder wichtigen politischen Frage einen Konsens zu erreichen." Sie fuhr fort: "Die Niederlage der DPJ bei der Wahl zum Unterhaus im September kann - abgesehen von ihrer Abhängigkeit von den Gewerkschaften der öffentlichen Arbeitnehmer als wichtigstes Wählerpotential - zumindest zum Teil auf ihr Versagen zurückgeführt werden, eine Alternative zu Ministerpräsident Koizumis Plänen zur Postreform zu bieten... Dies lässt Fragen aufkommen, inwiefern Ozawas DPJ in der Lage sein wird, ihre Abhängigkeit von den Gewerkschaften zu beenden. Es wird somit eine wichtige Aufgabe für die Oppositionspartei sein, ihre Abhängigkeit von den Gewerkschaften zu verringern." Die Yomiuri stellte weiter fest: "Ozawa wird nun über eine Strategie nachdenken, um der Regierungskoalition bei der Wahl zum Oberhaus im nächsten Sommer die Mehrheit in dieser Parlamentskammer streitig zu machen ... Die wichtigste Aufgabe, der sich Ozawa als DPJ-Vorsitzender stellen muss, besteht darin, zu gewährleisten, dass sich seine Partei im Kampf um die beste Strategie mit der Regierungskoalition messen kann und nicht darin, die politische Lage zu seinen eigenen Gunsten zu ändern."

Unter Hinweis darauf, dass "es für die Entwicklung und das Gedeihen der parlamentarischen Demokratie in Japan wichtig ist, dass sich die DPJ zu einer Partei entwickelt, die in der Lage ist, Regierungsverantwortung zu übernehmen, während es für das Zwei-Parteien-System wiederum wichtig ist, dass die Partei richtig funktioniert", stellte die Sankei Shimbun fest: "Wir hoffen, dass Ozawa die Fähigkeit und die Entschlossenheit besitzt, eine verantwortungsbewusste Oppositionspartei zu schaffen." Sie schrieb weiter: "In diesem Sinne ist Ozawas dringlichste Aufgabe die Bildung einer Grundsatzstrategie zu Fragen etwa der Verfassung und der Sicherheit des Landes." Die Sankei  vermutete: "Die Menschen hoffen zweifelsohne darauf, dass Ozawa seine einzigartigen und mutigen Ideen präsentiert." Auf die Frage, wie der "neue Ozawa" sein wird, unterstrich die Sankei: "Ozawas DPJ wird sich darauf konzentrieren, in einer Reihe von Punkten die Konfrontation mit der Regierung Koizumi zu suchen. Es wird jedoch genau so wichtig sein, die Initiative zu übernehmen und eigene Vorschläge zur Entwicklung des Landes zu machen."

Die Nihon Keizai Shimbun (Nikkei) schrieb: "Es wird nicht einfach werden, das Vertrauen in eine Partei wiederherzustellen, die bei der Wahl im letzten Jahr schwere Verluste hinnehmen musste und durch die Affäre um eine E-Mail kompromittiert wurde." Unter Verweis darauf, dass "es die dringlichste Frage für die DPJ unter Ozawas Führung sein wird, wie nachdrücklich sie sich in der zweiten Sitzungsperiode des Parlaments, die derzeit von der Regierungskoalition dominiert wird, präsentiert", forderte sie: "Es wäre besser, mit Gegenvorschlägen des Maehara-Teams fortzufahren." Um die Bedenken über "selbstgerechte politische Methoden" zu zerstreuen, unterstrich die Nikkei: "Ozawa muss sowohl innerhalb als auch außerhalb der Partei Verantwortung übernehmen." Mit dem Hinweis darauf, dass "heutzutage Kommunikationsfähigkeiten eine entscheidende Qualifikation für einen Parteivorsitzenden darstellen", schrieb sie weiter: "Ozawa hat gesagt: ‚Zuerst muss ich mich selbst ändern.' Wir würden diesen Worten gern Glauben schenken und erwarten den Wandel mit Spannung."

(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)

 

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