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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


25. 05. 2006


Amtsantritt der neuen Regierung im Irak und die vor ihr liegenden Probleme

 

Am 20. Mai bestätigte das irakische Parlament die von Nouri al-Maliki, dem designierten schiitischen Ministerpräsidenten, vorgelegte Kabinettsliste. Damit trat die erste nach der neuen Verfassung gewählte Regierung des Iraks ihr Amt an. In den drei Jahren seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein im April 2003 durchlief Irak drei schwierige Phasen auf dem Weg zu dem Ziel, seine staatlichen Strukturen neu aufzubauen: (1) die Herrschaft während der Besatzung durch die US-geführte Provisorische Koalitionsbehörde (Coalition Provisional Authority, CPA), (2) eine Interimsphase ab Juni 2004, als die Regierungsgewalt von der CPA auf eine irakische Interimsregierung überging und (3) eine Übergangsperiode, die mit der Einrichtung einer Übergangsregierung im April 2005 begann. In diesen Prozess eingeschlossen war die Volksabstimmung über die Annahme des Verfassungsentwurfs im Oktober 2005 sowie die Parlamentswahl im Dezember des Jahres, die schließlich zur Konstituierung des Parlaments im März 2006 führte. Mit dem Amtsantritt der neuen nach der Verfassung gewählten Regierung ist dieser Prozess des Wiederaufbaus nun abgeschlossen. Nun ist das politische System fertiggestellt, mit dem der Wiederaufbau der staatlichen Strukturen des Iraks fortgesetzt werden kann.

Bewertung des Amtsantritts der neuen irakischen Regierung

Am 20. Mai meinte Außenminister Taro Aso in einer Erklärung, dass "der Amtsantritt der neuen Regierung im Irak ... den politischen Prozess, der in der Resolution Nr. 1546 des VN-Sicherheitsrates und anderen rechtlichen Dokumenten festgelegt wurde, nun abgeschlossen ist. Japan begrüßt dies außerordentlich und beglückwünscht die neue Regierung und die Menschen im Irak zu dieser wirklich großartigen Leistung."

Auch Japans führende Tageszeitungen begrüßten die Bildung der ersten nach der Verfassung gewählten Regierung im Irak. So schrieb beispielsweise der Kairo-Korrespondent der Yomiuri Shimbun am 21. Mai: "Der politische Prozess, den die Resolution Nr. 1546 des VN-Sicherheitsrates im Juni 2004 in Gang gesetzt hat, ist nun abgeschlossen. Dieser Prozess war von schwierigem Charakter. Er beinhaltete nicht nur die Maßnahmen nach dem Krieg und den staatlichen Wiederaufbau des Iraks, sondern auch den umfassenden Entwurf der Vereinigten Staaten für ein Vorbild zur Demokratisierung im Mittleren Osten sowie darüber hinaus eine ‚Exit Strategy' für die Vereinigten Staaten, die im Irak intervenierten, um die Diktatur durch Saddam Hussein gewaltsam zu beenden. Auch wenn nach wie vor schwierige Fragen offen sind, wie z.B. die Revision der Verfassung, kommt der Tatsache, dass dieser Endpunkt erreicht wurde, große Bedeutung zu. Die Menschen im Irak haben, während sie unter Armut und Gewalt litten, den politischen Prozess aufrichtig unterstützt und an ein ‚Morgen' geglaubt."

In Bezug auf das Verlangen der Menschen im Irak nach Frieden und Wiedergeburt schrieb die Asahi Shimbun in ihrem Leitartikel vom 23. Mai: "Irak hat es irgendwie geschafft, den Zeitplan der Vereinten Nationen für den Wiederaufbau einzuhalten und sein ‚Endziel' erreicht. Nach dem Sturz von Saddam Hussein haben sich die Iraker für den Wiederaufbau ihres Landes zusammengetan und zwei Parlamentswahlen sowie eine Volksabstimmung über die neue Verfassung abgehalten. Mit Blick auf das große Chaos und die fehlende Sicherheit nach der Verjagung Saddam Husseins aus dem Amt erscheint es fast unglaublich, dass dieses Land es geschafft hat, so weit zu kommen. Wahrscheinlich war es nur das starke Verlangen der Menschen nach einem Neubeginn, das den Prozess am Laufen hielt."

Schwieriger Weg für Wiederherstellung der Sicherheit und nationale Versöhnung

Allerdings konzentrierten sich Japans führende Tageszeitungen nicht auf die Glückwünsche, sondern vielmehr auf die großen Probleme, die nach wie vor im Irak bestehen, wie z.B. die Konflikte und das gegenseitige Misstrauen zwischen den religiösen Gruppierungen. So meinte die Nihon Keizai Shimbun in ihrem Leitartikel vom 22. Mai: "Der Amtsantritt der neuen nach der Verfassung gewählten Regierung, der als Abschluss des politischen Prozesses nach dem Krieg gilt, bedeutet nichts anderes als den Beginn eines noch größeren Vorhabens."

In ihren Ausgaben vom 21. Mai mobilisierten die großen Tageszeitungen ihre Korrespondenten vor Ort und brachten Sonderbeiträge zum Amtsantritt der neuen Regierung im Irak. Alle Artikel berichteten detailliert über die derzeitige Situation im Irak, die von blutigen Kämpfen und Streit hinter den Kulissen zwischen den religiösen und ethnischen Gruppierungen geprägt ist. Die Überschriften waren von pessimistischen Formulierungen wie "Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung noch nicht erreicht" (Yomiuri), "Aufbruch im Irak ohne Ordnung" (Asahi) und "Nationale Einheit nur als Phrase" (Mainichi Shimbun) geprägt.

Ein gemeinsames Merkmal der Kommentare der führenden Tageszeitungen war die Betonung der Tatsache, dass die größten Aufgaben in Bezug auf die Wiedergeburt des Iraks die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und die innere Versöhnung sind. Die Yomiuri meinte in ihrem Leitartikel vom 22. Mai: "Die Aufgabe, der die neue Regierung absolute Priorität einräumen muss, ist die Verbesserung der öffentlichen Sicherheit. Zu diesem Zweck muss sie eine Versöhnung zwischen den religiösen und ethnischen Gruppierungen bewerkstelligen, die damit eng verknüpft ist. Solange diese Probleme nicht gelöst sind, wird es nicht möglich sein, ein sicheres Alltagsleben und den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu realisieren, die sich die Menschen so sehr wünschen." Indem sie darauf hinwies, dass der Weg zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung lang sei, fuhr die Yomiuri fort: "Es wurde keine Übereinkunft in Bezug auf die Besetzung der Posten des Verteidigungs- und des Innenministers erreicht, die als Schlüsselstellen für die öffentliche Sicherheit gelten. Ihre Bennennung wurde verschoben, so dass Ministerpräsident al-Maliki und einer seiner Stellvertreter diese Posten kommissarisch übernehmen. Die Tatsache, dass man sich nicht auf die Besetzung der Ministerposten einigen konnte, die für die Sicherheit verantwortlich sind, macht deutlich, wie groß die Gegensätze zwischen den Gruppierungen sind." 

Indem sie das schlimmst mögliche Szenario andeutete, meinte die Asahi im oben genannten Leitartikel: "Mehr als 100.000 Menschen mussten wegen Angriffen oder Drohungen der bewaffneten Milizen bereits ihre Häuser verlassen. Auch andere verlassen ihr Zuhause, so dass immer mehr Menschen bei Verwandten oder Freunden in Regionen leben, wo die Gewalt weniger ausgeprägt ist. Die meisten Schiiten ziehen in den Süden des Iraks, während die Sunniten in den mittleren Westen gehen. Damit beschleunigt sich eine demographische Neuverteilung, welche die religiösen Unterschiede deutlicher hervortreten lässt. Wir haben diesen Trend bereits in den neunziger Jahren im früheren Jugoslawien beobachtet, wo blutige ethnische Säuberungswellen schließlich das ganze Land in Stücke rissen. Zwar sind alle größeren religiösen und ethnischen Gruppierungen im Irak in der fragilen Koalitionsregierung vertreten. Aber diese Bande sind schwach. Alles, was man braucht, damit das Land in einen Bürgerkrieg abrutscht, ist ein Ausbruch von Feindseligkeiten, der von religiösen oder ethnischen Führern entfacht wird. Diese Möglichkeit kann nicht ausgeschlossen werden."

Frage des Abzugs der SDF aus dem Irak rückt näher

Nach dem Amtsantritt der ersten nach der Verfassung gewählten Regierung im Irak wird die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit auf die irakische Regierung übergehen. Als Konsequenz daraus nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Frage des Abzugs der multinationalen Streitkräfte zunehmend in den Mittelpunkt rückt. In diesem Zusammenhang meinte die Mainichi in ihrem Leitartikel vom 24. Mai unter der Überschrift "Vorbereitungen für einen sicheren Abzug nicht vernachlässigen" in Bezug auf die Frage des Abzugs der Selbstverteidigungsstreitkräfte (SDF), die in Samawah in der südlichen Provinz al-Muthanna stationiert sind: "Die [japanische] Regierung dürfte nervös werden, da der Abzug der Soldaten Gefahren mit sich bringt, wie z.B. Angriffe durch bewaffnete Gruppierungen. Sie können auf dem Rückmarsch leicht überfallen werden. Die niederländischen Truppen z.B. wurden bei ihrem Abzug aus Samawah angegriffen." Sie fuhr fort: "Die Bodentruppen der SDF im Irak beschäftigen in Spitzenzeiten bis zu 1.000 Mann pro Tag für den Straßenbau, die Errichtung öffentlicher Einrichtungen usw. Wenn die Soldaten abziehen, gehen auch diese Jobs verloren. Aus diesem Grund muss man überlegen, wie Unzufriedenheit und Widerstand unter der Bevölkerung vor Ort vermieden werden können."

In Bezug auf den Abzug der SDF-Einheiten aus Samawah zitierte die Asahi am 22. Mai Ministerpräsident Junichiro Koizumi mit den Worten: "Wir werden eine Entscheidung [über den Zeitpunkt des Abzugs] auf der Grundlage einer umfassenden Bewertung treffen." Er machte zudem deutlich, dass Japan seine Wiederaufbauhilfe für den Irak fortführen werde: "Japan wird die humanitäre Hilfe und die Unterstützung für den Wiederaufbau fortsetzen. Auch wenn die japanischen Truppen aus dem Irak abgezogen werden, wird die Hilfe in anderen Bereichen weiterlaufen."

(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)

 

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