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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


14. 06. 2006

 

 

Verhaftung von Murakami mahnt Notwendigkeit zu mehr Disziplin auf Japans Märkten an

 

Die Verhaftung von Yoshiaki Murakami, eines bekannten Unternehmensaquisiteurs und Fondsmanagers, am 5. Juni wegen Insiderhandels gilt als eine weitere ernstzunehmende Mahnung für die Notwendigkeit von Marktdisziplin und eines Rechtssystems ohne Schlupflöcher, das diese Disziplin in einem Land unterstützt, wo Deregulierungen im Finanzbereich auf der Grundlage der Prinzipien des Marktes mit dem Ziel durchgeführt wurden, die wirtschaftliche Stagnation der jüngsten Vergangenheit zu überwinden. Zusammen mit Takafumi Horie vom Unternehmen Livedoor, der bereits früher in diesem Jahr wegen Finanzbetrügereien verhaftet wurde, symbolisierte Murakami einen neuen Typ in der japanischen Wirtschaftswelt, der die selbstgefällige Art der traditionellen Unternehmensführung und persönlicher Interessen herauszufordern schien, letztendlich aber an mangelnder Umsicht und fehlenden ethischen Prinzipien scheiterte.

Murakami (46 Jahre), ein früherer Karrierebeamter des Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie, wurde bekannt, als er 1999 einen Investmentfonds gründete, der sich in unterbewertete Unternehmen mit ungenügend genutzten Vermögenswerten einkaufte. Sein Motto lautete: "Ein Aktieneigner, der seine Meinung deutlich äußert." Das Management dieser Unternehmen wurde dann dazu gedrängt, den so genannten Shareholder Value z.B. mittels höherer Dividenden zu steigern, anstatt einfach nur Barmittel ohne Verwendungszweck anzuhäufen. Murakamis Vorgehen erschien nicht nur den Investoren erfrischend und überzeugend, sondern auch nicht wenigen Unternehmensmanagern in Japan, dessen Kapitalismus bislang dazu tendierte, die Interessen der Shareholder gering zu schätzen, indem nur geringe Dividenden ausgezahlt oder die Unternehmen unprofitabel geführt werden.

Murakamis M&A Consulting, Inc., allgemein als Murakami-Fonds, bekannt, erregte weiter Aufmerksamkeit, da seine Präsenz in der japanischen Wirtschaftswelt aufgrund des selbstproklamierten Anspruchs, die Art und Weise der Unternehmensführung und den Aktienmarkt zu erneuern, weiter zunahm. Ironischerweise war es genau dieser Erfolg des Fonds, der nun auf 400 Mrd. Yen (3,5 Mrd. US-Dollar) geschätzt wird, der Murakami von seinem anfangs lobenswerten Ziel der Erneuerung der Art und Weise der japanischen Unternehmensführung weglockte und zu einem so genannten Greenmailer werden ließ, also zu jemandem, der große Anteile an Unternehmen kauft und dann die Unternehmensführungen dazu drängt eine Politik zu verfolgen, die zu einem Anstieg der Aktienkurse führt, nur um die Anteile dann mit großem Gewinn wieder verkaufen zu können. Der Wandel in Murakamis Geschäftsgebaren wurde offensichtlich, als er sich innerhalb weniger Jahre in große Unternehmen wie die Nippon Broadcasting System (NBS), einen Sender des Medienkonzerns Fuji, in den Fernsehsender TBS und in die Eisenbahngesellschaft Hanshin Railway Co. einkaufte.

Im Zusammenhang mit dem Aufkauf von NBS-Anteilen im Jahr 2004 wurde Murakami nun am 5. Juni von der Staatsanwaltschaft Tokyo wegen Insiderhandels verhaftet. Auf einer ungewöhnlichen Pressekonferenz unmittelbar vor seiner Festnahme gab Murakami zu, gegen das Gesetz verstoßen zu haben, als er Aktien von NBS mit dem Wissen kaufte, dass Hories Unternehmen Livedoor danach strebte, den Sender unter Kontrolle zu bringen, um diesen als Instrument für die feindliche Übernahme von Fuji Television zu nutzen. Murakami erklärte zwar, er habe gegen das Gesetz verstoßen, jedoch habe er von Hories Pläne nur durch Zufall erfahren. Die Staatsanwaltschaft hingegen erzählt eine andere Version und behauptet, dass es Murakami war, der Horie dazu drängte mehr Anteile von NBS zu erwerben. Im japanischen Aktien- und Devisengesetz gibt es eine Bestimmung in Bezug auf Insiderhandel, die dann greift, wenn mindestens 5 % der Aktien eines Unternehmens erworben werden, was als Äquivalent zu einem Übernahmeangebot gilt.

Takafumi Horie (33 Jahre), der mit seinen mutigen und aufsehenerregenden Herausforderungen gegen den althergebrachten Managementstil japanischer Unternehmen landesweite Bekanntheit erlangte, wurde im Januar dieses Jahres ebenfalls wegen Verstoßes gegen das Aktien- und Devisengesetz verhaftet. Er soll Geschäftsbücher manipuliert haben, um die Livedoor-Gruppe profitabler aussehen zu lassen, als sie tatsächlich war, um auf diese Weise den Aktienwert zu steigern. Horie und Murakami, die wegen ihres scheinbar lobenswerten Engagements beim Aufwecken der japanischen Unternehmen aus ihrer alten Selbstgefälligkeit zu Lieblingen der Öffentlichkeit wurden, müssen sich nun den Vorwurf gefallen lassen, mit ihren illegalen Praktiken den Markt und die Investoren betrogen zu haben.

Die Entrüstung der Öffentlichkeit und das Gefühl, betrogen worden zu sein, wirken umso stärker, als es beiden Männern gelang, sich selbst als Helden darzustellen, die für eine ehrenwerte Sache streiten. Zwar besteht innerhalb der öffentlichen Meinung unterschwellig die Auffassung, dass das Vorgehen der beiden durchaus zu loben sei, da es erhebliche Auswirkungen auf die allzu vorsichtige traditionelle Vorgehensweise der Unternehmen hatte, aber nichtsdestotrotz ist das Urteil der Medien gegenüber Murakami ohne Ausnahme sehr hart, so wie sie bereits Horie wegen seiner Vergehen kritisierten. Die Festnahme Murakamis galt den Medien als eine weitere Gelegenheit, um zu lernen, die Finanzmärkte noch fairer, vertrauenswürdiger und stabiler zu gestalten.

Rufe nach strengeren Vorschriften für gesunde Märkte

Indem sie die Aufstellung fester Normen für die Märkte verlangte, meinte die Nihon Keizai Shimbun (Nikkei) in ihrem Leitartikel vom 6. Juni, dass sowohl Murakami als auch Horie "die Aktionäre und Investoren betrogen haben, indem sie gegen die Vorschriften des Aktienmarktes verstießen, obwohl sie angeblich die Rechte der Aktionäre in den Vordergrund stellten." Die Zeitung bemerkte Ähnlichkeiten zwischen beiden Männern, als diese versuchten, aus Gesetzeslücken für sich selbst Vorteile zu ziehen. Die Nikkei brachte ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die Verhaftungen die notwendigen Reformen verzögern könnten und warnte, dass "Reformen und der Verstoß gegen Gesetze zwei verschiedene Dinge sind." Die Mainichi Shimbun meinte in ihrem Leitartikel vom selben Tag: "Die Kontrolle durch den Markt spielt bei der Aufrechterhaltung der Managementdisziplin der Unternehmen eine wichtige Rolle. Die Durchsuchung der Büros des Murakami-Fonds durch die Staatsanwaltschaft sollte nicht dazu führen, dass die Aufpasserrolle des Marktes an Bedeutung verliert und eine Reform des Unternehmensmanagement behindert wird." Die Sankei Shimbun schrieb in ihrem Leitartikel vom 6. Juni, dass "exzessiver Marktfundamentalismus abzulehnen ist; gleichzeitig sollten wir wegen dieser Vorfälle aber auch nicht zu einer Art und Weise des Managements zurückkehren, welche die Aktionäre ignoriert." Die Zeitung schloss, dass "jetzt ein Schritt in Richtung eines gesunden Kapitalmarktes gemacht werden muss, ohne dabei von einem Extrem ins andere zu geraten."

Die in hohem Maße symbolischen Festnahmen von Murakami und Horie werden nicht allein mit Blick auf die Entwicklung des Aktienmarktes betrachtet. Vielmehr müssen sie zu diesem besonderen Zeitpunkt in Japan in einem breiteren gesellschaftlichen und sogar politischen Kontext betrachtet werden. So schrieb die Asahi Shimbun in ihrem Leitartikel vom 6. Juni: "Die Festnahme Murakamis, die derjenigen Hories folgte, führt uns deutlich die Realität vor Augen, dass die jungen Fürsprecher der Prinzipien des freien Marktes, die oft als ‚Gewinner' der Gesellschaft bezeichnet wurden, bereits sind, für den eigenen Profit die Gesetze zu brechen."

In ihrem langen Leitartikel vom 12. Juni unter der Überschrift "Für eine Gesellschaft des Marktes mit Disziplin" kommentierte die Asahi Shimbun Murakamis Vergehen: "Dem Ganzen kommt eine große Bedeutung bei, die sich nicht auf ein Wirtschaftsvergehen beschränkt. Vielmehr kann dies die Richtung bestimmen, in die sich die japanische Gesellschaft in Zukunft entwickeln wird." Indem der Autor des Leitartikels Hories Ausspruch zitierte, "dass es nichts auf der Welt gibt, das man nicht mit Geld kaufen kann," fragte er, ob die Prinzipien des freien Marktes letztendlich in dem Streben nach Geld endeten: "Die Menschen sind nun von großer Skepsis befallen." Die Zeitung fuhr fort: "Die betrügerischen Reformer sind nun von der Bühne abgetreten, aber die Reformen selbst dürfen nicht aufhören. Um uns davor zu bewahren, im weltweiten Wettbewerb zurückzufallen, und um in Bereiche einzudringen, die bislang noch von persönlichen Interessen dominiert werden, darf die Uhr nicht zurückgedreht werden. Die Aufgabe besteht vielmehr darin, wie wir eine gesunde Ideologie des Marktes kultivieren können."

(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)

 

 

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