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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


23. 06. 2006

 

 

Regierung beschließt Abzug der Selbstverteidigungsstreitkräfte aus dem Irak

Am 20. Juni beschloss die japanische Regierung, die Bodentruppen der Selbstverteidigungsstreitkräfte (GSDF), die in der südirakischen Stadt Samawah humanitäre Hilfe und Wiederaufbauhilfe leisteten, abzuziehen. Dies bedeutet, dass der im Januar 2004 begonnene Einsatz der GSDF nach zweieinhalb Jahren zu Ende geht. Auf einer Pressekonferenz am 20. Juni kündigte Ministerpräsident Junichiro Koizumi den Beschluss zum Abzug der GSDF an und erläuterte gleichzeitig den Beschluss der Regierung zur Fortführung und Ausweitung der Lufttransporteinsätze der Luftstreitkräfte der SDF (ASDF) zwischen Kuwait und Irak. Unmittelbar nach Erhalt des Befehls des Staatsministers für Verteidigung, Fukushiro Nukaga, begannen die GSDF mit ihren Abzug, der im Juli abgeschlossen sein soll. 

Hintergrund der Entscheidung zum Truppenabzug

Bereits vor der Entsendung in den Irak konnten die SDF auf eine eindrucksvolle Liste von Aktivitäten auf fremdem Boden verweisen. Vor der Entsendung in den Irak waren die Einsätze jedoch auf Friedensmissionen der Vereinten Nationen und Einsätze zur Katastrophenhilfe beschränkt. Im Irak kamen die SDF erstmalig außerhalb dieser beiden Standardschemata zum Einsatz. Zudem war die öffentliche Sicherheitslage im Irak aufgrund der Zunahme der bewaffneten Unruhen äußerst schlecht. Vor diesem Hintergrund warf die Entsendung der SDF sowohl politisch als auch verfassungsrechtlich erhebliche Probleme auf. Die zeitlich befristete Legitimation erfolgte durch die Verabschiedung des Gesetzes über Sondermaßnahmen zur humanitären Hilfe und Wiederaufbauhilfe im Irak, mit dem die Entsendung eine rechtliche Grundlage erhielt. Das Gesetz sah vor, dass sich der Einsatz der SDF auf humanitäre Hilfe und Wiederaufbauhilfe beschränkt sowie dass keine Beteiligung an Kampfhandlungen stattfindet. Der Zeitraum des Einsatzes, der ursprünglich auf ein Jahr befristet war, wurde zweimal verlängert.

Als der Einsatz im Dezember 2005 ein zweites Mal verlängert wurde, äußerte die Regierung bereits, dass sie den Einsatz der SDF unter Berücksichtigung der folgenden vier Faktoren "angemessen überdenken" werde: 1) die Fortschritte im politischen Prozess im Irak, 2) die Sicherheitslage im Irak einschließlich der Übertragung der Verantwortung auf die irakischen Sicherheitskräfte, 3) der aktuelle Stand der Beteiligung und der Veränderungen in der Zusammensetzung der multinationalen Streitkräfte einschließlich der britischen und australischen Streitkräfte, die für die Provinz Al-Muthanna zuständig sind sowie 4) die Fortschritte beim Wiederaufbau. Die Berücksichtigung der Faktoren wurde tatsächlich als Bedingungen für den Abzug der SDF aufgefasst, und es wurde allgemein erwartet, dass Mitte 2006 die Entscheidung über den Abzug getroffen wird. Hinsichtlich der Gründe für den Rückzug nannte Ministerpräsident Koizumi auf der Pressekonferenz u.a. die Tatsache, dass die neue Regierung im Irak ihre Amtsgeschäfte aufgenommen habe und die Verantwortung für die Sicherheit in Al-Muthanna mit der Region Samawah von Großbritannien an den Irak übertragen wurde. "Nach Konsultationen mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Australien und anderen", so Koizumi, "sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass die humanitäre Hilfe und Wiederaufbauhilfe der Selbstverteidigungsstreitkräfte ihre Ziele erreicht haben." Diese Erklärung lässt vermuten, dass die Bedingungen für den Abzug der GSDF nun erfüllt sind.

Die Aktivitäten der GSDF im Resümee

Obgleich der Einsatz auf humanitäre Hilfe und Wiederaufbauhilfe beschränkt war, muss man doch zugeben, dass die SDF in ein fremdes Land entsandt wurden, das sich praktisch im Kriegszustand befindet. In diesem Sinne war die Entsendung der SDF nach Samawah ein bedeutendes Ereignis und eine neue Erfahrung, nicht nur mit Blick auf die Rolle der SDF bei der internationalen Kooperation, sondern auch hinsichtlich der Form des internationalen Beitrags Japans. Aus diesem Grunde widmeten die fünf überregionalen Tageszeitungen des Landes ihre Leitartikel vom 21. Juni einer zusammenfassenden Bewertung des SDF-Einsatzes im Irak und stellten die Rolle der SDF in den breiten Kontext des internationalen Beitrags Japans.

Allen Leitartikeln gemeinsam war die positive Bewertung der Tatsache, dass 1) die SDF keinerlei Gewalt anwendeten und keine Verluste erlitten sowie 2) die SDF einen bedeutenden Beitrag für den Wiederaufbau und die Stabilisierung des öffentlichen Lebens in der Region Samawah leisteten.

Die Mainichi Shimbun stellte fest: "Als die Regierung im Dezember 2003 grünes Licht für ihren Plan zur Entsendung in den Irak gab, verlangten wir, dass die Mission bis zuletzt nur humanitären Zwecken und dem Wiederaufbau dienen sollte. Wir gaben zu bedenken, dass sich der Einsatz streng im Rahmen der Verfassung zu bewegen hat, und wir forderten zudem, dass der Sicherheit der Truppen höchste Priorität eingeräumt wird und die Entsendung nicht kontinuierlich verlängert wird. In diesem Sinne ist die Sicherheit gewährleistet worden und die SDF scheinen durchaus in der Lage gewesen zu sein, zufriedenstellend zu handeln." Resümierend fuhr sie fort: "Die SDF beschäftigten insgesamt 475.000 Einheimische bei der Bereitstellung von Trinkwasser, der medizinischen Versorgung und der Reparatur von Straßen und öffentlichen Einrichtungen. Sie konnten mehr Jobs als erwartet schaffen und ihre Anwesenheit wurde von der Bevölkerung vor Ort sehr geschätzt."

Der Leitartikel der Nihon Keizai Shimbun hob hervor: "Zum Glück mussten die GSDF in Samawah keinen einzigen Verlust beklagen. Wenn der Einsatz auf diese Weise beendet und die Unterstützung für Irak anderweitig fortgesetzt wird, kann man dies durchaus als Erfolg werten. Der Ministerpräsident traf die Entscheidung zum Abzug noch während seiner Amtszeit, da er die Mission als Oberkommandierender selbst abschließen wollte." 

Auf der anderen Seite hoben mehrere Leitartikel hervor, dass die Lage im Irak noch weit von Stabilität und Eigenständigkeit entfernt sei und unterstrichen die Notwendigkeit zur weiteren Unterstützung durch Japan. Die Yomiuri Shimbun kommentierte: "Als Antwort auf die Anfrage bei Japan von Seiten VN-Generalsekretärs Kofi Annan, die Transportaktivitäten der VN zu unterstützen, beabsichtigt die Regierung, die Operationen der ASDF fortzusetzen und auszuweiten. Die Verbesserung der öffentlichen Ordnung im Irak wird zu einer Wiedereröffnung der VN-Vertretungen im Land führen. Dies wird Japan die Gelegenheit bieten, seine Rolle beim Wiederaufbau des Iraks auszuweiten. Es wird für Japan gleichfalls notwendig werden, die Unterstützung für den Irak durch die staatliche Entwicklungshilfe (ODA) zu intensivieren. Die Regierung hat bereits angekündigt, dass sie insgesamt 5 Mrd. US-Dollar für die Unterstützung Iraks zur Verfügung stellen wird, eingeschlossen 1,5 Mrd. US-Dollar bereits gewährter Hilfe." Auch die Mainichi brachte in ähnlicher Weise ihre Hoffnung auf Unterstützung in anderer Form zum Ausdruck und schrieb: "Die Situation ist noch lange nicht so, dass Japaner aus dem Privatsektor in den Irak gehen könnten. Wir möchten aber die japanische Regierung auffordern, alles zu unternehmen, um z.B. durch die Beschäftigung Einheimischer die Wiederaufbauhilfe der SDF mit der ODA zu verknüpfen."

Zusammenarbeit für den internationalen Frieden und die Rolle der SDF

Ein Streitpunkt, der in den Leitartikeln der japanischen Zeitungen auftauchte, war die Frage, wie die Entsendung der SDF in den Irak im größeren Kontext von Japans Engagement im Rahmen der Zusammenarbeit für den internationalen Frieden eingeordnet werden soll. Ein Blick auf die Leitartikel macht jedoch deutlich, dass sich die großen Meinungsunterschiede innerhalb der Tageszeitungen angeglichen haben.

Die Asahi meinte: "Einfach gesagt diente die ganze Angelegenheit die Entscheidung von Ministerpräsident Koizumi den SDF-Einsatz im Irak fortzusetzen] dazu zu beweisen, dass Japan ein Verbündeter ist, der den zunehmend unter Druck der internationalen Gemeinschaft geratenden Vereinigten Staaten beisteht. Dies hat Japan natürlich den Respekt der Regierung Bush eingetragen. Der angebliche Grund für den Einmarsch - Saddams Massenvernichtungswaffen - existierte jedoch nicht, und der Krieg erscheint nun unrechtmäßig. Zudem sollte man bedenken, dass Japan die arabische Welt durch die Unterstützung dieses Krieges und seine Beteiligung an der Besetzung des Iraks enttäuscht hat." Sie fügte hinzu: "Mit der festen Einbindung der SDF in die globale Strategie der Vereinigten Staaten ist es mehr als wahrscheinlich, dass japanische Truppen auch in einem 'anderen Irak' zum Einsatz kommen werden. Das aber darf nicht passieren."

Demgegenüber argumentierte die Sankei Shimbun in ihrem Leitartikel: "Den SDF ist es nicht gestattet, Gewalt anzuwenden, um Feinde zurückzudrängen, selbst wenn verbündete Truppen von Terroristen angegriffen werden. Und dies nur, weil die Regierung die Verfassung so interpretiert, dass diese keine Handlungen gestattet, die mit der Anwendung von Gewalt in Verbindung gebracht werden könnten. Solche Einschränkungen könnten sich jedoch bei gemeinsamen internationalen Einsätzen der Staatengemeinschaft als Hindernis erweisen. Der Einsatz von Waffen zur Unterbindung von Taten, die  die Pflichtausübung behindern, ist ein Grundkriterium der Vereinten Nationen. Dies stellt keineswegs die Ausübung von Gewalt dar, die durch die Verfassung verboten ist."

Die Yomiuri Shimbun führte in ihrem Leitartikel ähnlich aus: "Es ist wichtig, dass Japan seine Zusammenarbeit für den internationalen Frieden durch die SDF zur Gewährleistung von Frieden und Stabilität der Staatengemeinschaft fortsetzt. Die Regierung ist jedoch nicht in der Lage, flexibel auf alle neu auftretenden Krisen zu reagieren, wenn sie jedes Mal ein eigenes Gesetz verabschieden muss. Die Regierung sollte sich daher mit der Verabschiedung eines permanenten Gesetzes für den Einsatz der SDF im Rahmen der Zusammenarbeit für den internationalen Frieden beeilen."

(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)

 

 

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