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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
30. 06. 2006
Pressekonferenz eines südkoreanischen Entführungsopfers
Am 28. Juni traf Kim Young Nam, ein Südkoreaner, der von Nordkorea entführt wurde und als Ehemann von Megumi Yokota gilt, die im Alter von 13 Jahren von nordkoreanischen Agenten aus Japan entführt wurde, erstmals seit 28 Jahren mit seiner Mutter Choi Gye Wol am Berg Kumgang, Nordkorea, wieder zusammen.
Kim Young Nam war 16 Jahre alt, als er am 5. August 1978 während des Badens vor einer Insel bei Gunsan in der Provinz Nord-Jeolla, nahe seines Zuhauses, verschwand. Aussagen von nordkoreanischen Agenten, die beim Eindringen nach Südkorea gefasst worden waren, nährten den Verdacht, dass Kim vom Norden entführt worden sein könnte. Schließlich erklärte das Amt für nationale Sicherheitsplanung (ANSP) 1997, dass Kim vom Norden entführt worden sei. Nordkorea bestätigte die Existenz von Kim Young Nam zunächst nicht, aber am 8. Juni dieses Jahres gab man bekannt, dass die "zuständige Behörde seine Existenz bestätigt hat" und dass Vereinbarungen getroffen würden, damit Kim im Rahmen eines Programms zur Wiedervereinigung getrennter Familien mit seiner Mutter zusammentreffen könne. Die Regierungen Japans und Südkoreas erklärten, DNS-Untersuchungen hätten gezeigt, dass Kim Young Nam mit großer Wahrscheinlichkeit der Ehemann von Megumi Yokota war. (Siehe auch Japan Brief vom 13. 04. 2006 "Neue Informationen durch DNS-Tests: Ehemann der entführten Japanerin Megumi Yokota ist entführter Südkoreaner")
Kims Wiedervereinigung mit seiner Mutter fand im Rahmen eines Treffens von etwa einhundert Familien aus Nord- und Südkorea zusammen, das in zeitlicher Übereinstimmung mit dem sechsten Jahrestag des Gipfeltreffens zwischen Nord- und Südkorea veranstaltet wurde. Kim wurde von Kim Eun Gyong (früher als Kim Hye Gyong bekannt) begleitet, seiner Tochter mit Megumi, sowie von seiner zweiten Frau und ihrem gemeinsamen Kind. Ihre Zusammenkunft fand getrennt von den anderen Familien in einem besonderen Raum statt.
Zusammenfassung der Pressekonferenz
Am nächsten Tag nahm Kim an einer Pressekonferenz teil, die für südkoreanische Medien veranstaltet wurde. Dem Team von Journalisten aus Südkorea wurde angeblich von Seiten Nordkoreas mitgeteilt, dass sie ihre Fragen im Voraus schriftlich einzureichen hätten. Laut Aussage der südkoreanischen Journalisten sprach Kim etwa 30 Minuten lang, wobei er von Zeit zu Zeit auf seine Notizen geschaut habe. Zusätzlich zu seinen Worten, mit denen er Nordkorea lobte, gab Kim Young Nam Folgendes bekannt: (1) Er sei 1978 nicht entführt worden, sondern von einem nordkoreanischen Schiff gerettet worden, als er in einem kleinen Boot auf hoher See trieb, (2) seine Frau Megumi habe unter psychologischen Problemen gelitten und sei in Behandlung gewesen, als sie am 13. April 1994 Selbstmord beging sowie (3) die Behauptung der Regierung von Japan, die übergebene Asche sei nicht diejenige von Megumi gewesen, stelle eine Beleidigung für ihn selbst und für Megumi dar. Der Bericht der Journalisten führte aus, dass es keine weiteren Beweise oder Tatsachen in Bezug auf Megumis Tod gegeben habe.
Reaktionen in Japan
Laut Angaben japanischer Zeitungen erklärte Kaoru Hasuike, ein früheres Entführungsopfer, Mitarbeitern der Regierung von Japan, dass "Kim Young Nam so gut wie sicher die selbe Person ist wie Kim Chol Jun [der der japanischen Seite im Rahmen japanisch-nordkoreanischer Konsultationen auf Arbeitsebene als Ehemann Megumis präsentiert worden war]." Nachdem sie den Fernsehbericht über Kims glückliche Wiedervereinigung mit seiner Mutter gesehen hatten, meinten Megumis Vater Shigeru und ihre Mutter Sakie bei einer Pressekonferenz in einem Bürogebäude für Abgeordnete des japanischen Unterhauses: "Es ist schön, dass [die beiden] zusammenkommen konnten, aber wir selbst sind voller zwiespältiger Gefühle." In Bezug auf die fehlenden Informationen über die Entführung von Megumi merkten sie sachlich an: "Nordkoreas systematische Täuschungsversuche sind klar erkennbar, und wir dürfen uns davon nicht in die Irre führen lassen. Jeder in Japan sollte weiterhin daran glauben, dass [die Entführungsopfer] noch alle am Leben sind."
Bei einer Pressekonferenz im Amt des Ministerpräsidenten am 29. Juni meinte Chefkabinettsekretär Shinzo Abe zur Pressekonferenz von Kim Young Nam: "In Nordkorea kann man nicht sagen, was man wirklich denkt. Laut Angaben [unserer Regierung] gibt es eine Reihe von Widersprüchen [in den Ausführungen von Kim Young Nam]." Er führte weiter aus: "Wir hoffen, dass die Wahrheit doch noch herauskommt, wenn wir Nordkorea zu den widersprüchlichen Punkten befragen. Wir werden die weiteren Verhandlungen in der Annahme führen, dass alle Entführungsopfer am Leben sind." Die Regierung von Japan wird von Nordkorea weiterhin die rasche Repatriierung der Opfer, eine Untersuchung über das, was wirklich vorgefallen ist sowie die Auslieferung der Entführer fordern.
Kommentare der Tageszeitungen: Genau, wie der Norden es vorgegeben hat
Japans führende Tageszeitungen brachten am 30. Juni die folgenden Leitartikel. Unter der Überschrift "Megumis Ehemann: Die Traurigkeit einer manipulierten Pressekonferenz" meinte die Asahi Shimbun dazu, dass Kim Young Nam seine Entführung verneint habe: "Pjöngjang hat die Entführung von Südkoreanern niemals eingestanden. Daher konnte Kim auch schwer etwas anderes behaupten. Er äußerte sich innerhalb Nordkoreas unter den aufmerksamen Augen der Behörden. Es wäre unvernünftig zu erwarten, dass Kim unter solchen Bedingungen frei sprechen kann." Die Asahi meinte zu den Informationen über Megumi: "Es wurden keine neuen Beweise vorgelegt, und es fällt schwer, Kims Erklärungen als wahr anzunehmen." Die Asahi schloss: "Das Staatsverbrechen der Entführungen fügt unschuldigen Menschen unvorstellbar grausame und bittere Qualen zu. Wir spüren erneut Zorn über diese Verbrechen."
Unter der Überschrift "Nichts als ein Sprachrohr für Nordkorea" meinte die Mainichi Shimbun: "[Wir] haben nur die Worte einer Person gehört, die für Nordkorea spricht" und fuhr fort: "Man kann sich leicht vorstellen, dass die nordkoreanische Seite das Redeskript sorgfältig vorbereitet hat. Der Hauptzweck der Pressekonferenz bestand darin, den Menschen in Südkorea eine Botschaft zu übermitteln." Die Mainichi kommentierte weiter: "Es ist sinnlos zu verlangen, dass Kim Young Nam die Wahrheit spricht. Wir hoffen, dass die Öffentlichkeit in Südkorea die Wahrheit hinter dieser Pressekonferenz erkennen kann. Die ‚Wiedervereinigung in Tränen nach 28 Jahren' diente dem Zweck, in Südkorea als ein Zeichen für Nordkoreas ‚Liebe zur Menschheit und zum Humanitarismus' aufgenommen zu werden; sie ist zudem nur ein kleiner Teil des Programms zur Wiedervereinigung getrennter Familien. Nordkorea hat ohne Zweifel die Choreographie der Aussagen und des Verhaltens von Kim Young Nam und seiner Familie in den Fernsehbildern über die Zusammenkunft mit großer Sorgfalt vorbereitet." Zum Schluss forderte die Mainichi, "dass die Regierung von Japan ihre Zusammenarbeit mit Südkorea weiter ausbaut, um die Entführungsfrage zu lösen.
Die Yomiuri Shimbun schrieb unter der Überschrift "Kims Aussagen folgten dem Drehbuch Pjöngjangs" in ihrem Leitartikel: "Nordkorea hofft offensichtlich, dass es einen Schlussstrich unter die Entführungsfrage ziehen kann. Aber sein Vorgehen hat vielmehr die Lücken in seiner ‚Story' offenbart." Sie fuhr fort: "Wir können nicht glauben, dass Kim in Nordkorea offen sprechen konnte. Seine Aussagen waren eindeutig von Pjöngjang vorgegeben." Die Zeitung wandte sich gegen seine Erklärung, dass die 28 Jahre "in Übereinstimmung mit dem stehen, was wir erreicht haben." In Bezug auf den Punkt, dass die Zusammenkunft im Rahmen eines Programms zur Wiedervereinigung getrennter Familien stattfand, eines Programms, das zum Symbol für die Versöhnung des koreanischen Volkes wurde, warnte die Yomiuri: "Es ist offensichtlich, dass Nordkorea versucht, die Verbrechen im Zusammenhang mit den Entführungen zu vertuschen, bei denen es sich um Staatsverbrechen handelt." Sie forderte die Regierung von Japan auf, gegenüber Nordkorea eine unnachgiebige Haltung einzunehmen, damit Pjöngjang "keinen Keil zwischen Japan und Südkorea treiben kann, um zu verhindern, dass beide Länder in der Entführungsfrage zusammenarbeiten."
Die Sankei Shimbun wählte für ihren Leitartikel die Überschrift "Eine Vorführung nach dem Drehbuch des Nordens." Sie wiederholte die Auffassung der anderen Zeitungen, dass "dies als ein Wiedervereinigungsschauspiel betrachtet werden sollte, das exakt dem vom Norden verfassten Drehbuch folgt." Die Sankei merkte an: "Die Tragödie der getrennten Familien wurde durch die Teilung der koreanischen Halbinsel in Nord und Süd entlang des 38. Breitengrades verursacht. Dagegen ist die Entführungsfrage ein Staatsverbrechen des Nordens. Kim ist ein Opfer, das der Norden nach Südkorea zurückkehren lassen sollte." Die Sankei forderte, dass "Südkorea erneut den Norden auffordern sollte, die Entführungsopfer zurückkehren zu lassen. Auch Japan ist ein Opfer der Entführungen und muss die Regierung Südkoreas, die dazu neigt, dem Norden nachzugeben, weiterhin davon überzeugen, gegenüber Nordkorea hart zu bleiben." Die Zeitung hob zudem hervor, dass beim G8-Gipfel der führenden Nationen im Juli und bei anderen Gelegenheiten "eine Außenpolitik erforderlich ist, die Wirtschaftssanktionen als Trumpfkarte dafür nutzt, dass der Norden gezwungen wird, alle Entführungsopfer einschließlich Megumi zurückkehren zu lassen."
(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)