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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
07. 07. 2006
Nordkorea führt Raketentests durch
Japans führende Tageszeitungen widmeten der Nachricht, dass Nordkorea am 5. Juli eine Reihe von Raketentests in Richtung Japanisches Meer unternahm, höchste Aufmerksamkeit. Die Morgen- und Abendausgabe dieses Tages der Yomiuri Shimbun, die unter allen japanischen Tageszeitungen die höchste bzw. zweithöchste Auflage haben, berichteten über das Raketenproblem mit Nordkorea auf fast fünf der zwanzig Seiten. In ihren Morgenausgaben vom 6. Juli machten die Yomiuri und die Asahi Shimbun in noch nie da gewesener Weise auf und widmeten neun bzw. sieben von insgesamt vierzig Seiten Artikeln, Kommentaren, Einschätzungen und Beiträgen ausländischer Fachleute zu den Raketentests. Andere Zeitungen standen dem nicht nach und räumten dem Raketenproblem mit Nordkorea höchste Priorität vor allen anderen Themen ein - mit Ausnahme der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland.
Raketenstarts rufen große Besorgnis hervor
Die Hauptursache dafür, dass Japan den Raketenstarts durch Nordkorea eine derartige Bedeutung beimisst, liegt darin, dass Pjöngjang Rodong-Raketen mit einer Reichweite von 1.300 Kilometern besitzt, die das japanische Festland erreichen können, und sich zudem damit befasst, die Taepodong-2 mit einer Reichweite von 3.500 bis 6.000 Kilometern zu entwickeln. Nordkoreanische Raketen bilden somit die größte und wahrscheinlich einzige direkte Bedrohung für Japans Sicherheit.
Darüber hinaus stellt die Entwicklung von Kernwaffen und Raketen durch Nordkorea einen großen Unruhefaktor dar, der Ostasien zunehmend destabilisiert. Nordkorea durch Verhandlungen zum Einfrieren seines Nuklear- und Raketenprogramms zu bewegen, wird als wichtige Voraussetzung für die Stabilisierung der Lage in Ostasien angesehen. Vor diesem Hintergrund fanden sich Japan, die Vereinigten Staaten, China, Russland, Südkorea und Nordkorea zu Sechs-Parteiengesprächen zusammen, in denen Pjöngjang zur Zurückhaltung bei seinem Nuklear- und Raketenprogramm aufgerufen wurde. Der Start der Raketen ist somit gleichbedeutend mit dem Ende des Raketentestmoratoriums, das die Grundlage dieser Gespräche bildete.
Unmittelbar nach dem Abfeuern der Raketen ging Chefkabinettsekretär Shinzo Abe mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit. Er sagte, dass der Start der Raketen "für unsere nationale Sicherheit, für den Frieden und die Sicherheit der internationalen Gemeinschaft sowie für die Nichtverbreitung von Kernwaffen ein gravierendes Problem darstellt." Abe meinte weiter: "Es besteht der starke Verdacht, dass das Moratorium für Raketentests, festgeschrieben in der zwischen Japan und der Demokratischen Volksrepublik Korea vereinbarten Erklärung von Pjöngjang [die beim Besuch von Ministerpräsident Koizumi in Pjöngjang im September 2002 vereinbart worden war] verletzt wurde. Zudem verletzen die Raketenstarts die gemeinsame Erklärung der Sechs-Parteiengespräche. Japan protestiert deshalb mit Nachdruck gegen Nordkorea." Japanische Zeitungen werteten diese Erklärung als Ausdruck der Empörung, Angst und des Misstrauens der Menschen in Japan und hielten sich mit Kritik an ihr zurück.
In der Asahi vom 6. Juli brachte Masaru Honda, ein langjähriger Autor der Zeitung, zu Beginn seines Artikels über die Auswirkungen der Raketenstarts seine tiefe Besorgnis zum Ausdruck: "Die mehrfachen Raketenstarts am Mittwoch durch Nordkorea verletzten das Moratorium über diese Starts. Das Moratorium über Nordkoreas Kernwaffenprogramm wurde bereits gebrochen. Im schlimmsten Falle scheitern als nächstes auch die Sechs-Parteienspräche, die ein Regelwerk zur Sicherheit in der Region hätten schaffen können. Im Moment versuchen Japan und die Vereinigten Staaten insbesondere durch den VN-Sicherheitsrat, den Druck auf Nordkorea zu verstärken. Die vollständige Unterstützung Chinas und Russlands gewinnen - zwei der Hauptakteure sowohl im Sicherheitsrat als auch in den Sechs-Parteiengesprächen - dürfte nicht einfach werden."
Leitartikel übereinstimmend: Harsche Kritik und tiefes Misstrauen gegenüber Nordkorea
Alle landesweiten Tageszeitungen publizierten am 6. Juli Leitartikel zum Raketenproblem Nordkoreas. Alle kritisierten Nordkorea scharf und brachten ihr tiefes Misstrauen gegenüber der Regierung in Pjöngjang zum Ausdruck. Die Überschriften wählten harte und zum Teil provokative Worte: "Geeinte Front gegen Nordkorea nötig" (Yomiuri), "Nordkoreas Raketen: Das Land zählt jetzt zu den 'Schurkenstaaten' (Asahi), "Die internationale Gemeinschaft darf Nordkoreas Provokation nicht dulden" (Mainichi Shimbun), "Wir protestieren energisch gegen die Raketenstarts durch Nordkorea" (Nihon Keizai Shimbun) und "Das lächerliche Feuerwerk eines armes Landes: Wie sollten wir auf die Bedrohung durch einen dummen Staat reagieren?" (Sankei Shimbun).
Im Textteil des Leitartikels schrieb die Asahi gleich lautend: "Pjöngjang hat öffentlich erklärt, im Besitz von Kernwaffen zu sein. Es kehrte damit der internationalen Verpflichtung zur Vermeidung der Verbreitung von Kernwaffen den Rücken und entzog sich den wachsamen Augen der internationalen Inspekteure. Für ein solches Land ist es unverzeihlich, eigene Langstreckenraketen zu besitzen und seine Nachbarn durch Raketentests zu bedrohen." Die Sankei ging sogar soweit zu schreiben: "Der Test der Taepodong-2, von der man annimmt, dass sie Alaska erreichen kann, scheint gescheitert zu sein. Zu einer Zeit, da das eigene Volk hungert, ist ein solch teurer Raketenstart nicht mehr als die Inszenierung eines Feuerwerks eines armen Staates. Nordkorea hat durch die finanziellen Sanktionen der Vereinigten Staaten einen schweren Schlag erlitten, aber noch wurde kein Machtwort gesprochen, um Konzessionen zu erzwingen. Es ist ein törichter Akt, der den Spott der Welt hervorrief. Wir können das nordkoreanische Volk nur bemitleiden."
Wie soll man auf die nordkoreanische Provokation reagieren?
Auf einer Dringlichkeitssitzung beschloss die japanische Regierung am 5. Juli ein neun Punkte umfassendes Sanktionspaket, das u.a. für sechs Monate das Einlaufen des nordkoreanischen Passagier- und Handelsschiffes Mangyongbong in japanische Häfen sowie Charterflüge zwischen Japan und Nordkorea verbietet. Natürlich sind die Auswirkungen solcher nur von Japan ergriffener Maßnahmen begrenzt. Deshalb unterstrichen alle Leitartikel die Notwendigkeit, wegen der fortgesetzten Verletzung internationaler Normen durch Nordkorea den Druck durch die Vereinten Nationen und die benachbarten Länder auf Nordkorea zu erhöhen. Auf einer Sondersitzung des VN-Sicherheitsrats am 5. Juli legte die japanische Regierung einen Resolutionsentwurf vor, in dem Nordkorea verurteilt wird und dem Land Sanktionen angedroht werden.
Hinsichtlich der Umsetzung und Verstärkung des gemeinsamen Drucks der internationalen Gemeinschaft zeigten die Zeitungskommentare leichte Unterschiede. Die Yomiuri unterstrich: "Zu einem Zeitpunkt, da die internationale Gemeinschaft gemeinsame Anstrengungen unternehmen sollte, um Druck auf Nordkorea auszuüben, gibt die Haltung Chinas, Russlands und Südkoreas Anlass zur Sorge." Sie fuhr fort: "China hat dieses Mal an den inoffiziellen Gesprächen des VN-Sicherheitsrats teilgenommen. Allerdings hat es Bedenken hinsichtlich der Verhängung von Sanktionen, da es eine Verschlechterung der politischen Situation in Nordostasien befürchtet. Auch Russland unterhält enge Beziehungen zu Nordkorea. Südkorea, das unter seinem Präsidenten Roh Moo Hyun eine Politik der Versöhnung gegenüber Nordkorea betreibt, könnte die Achillesferse der gegen Nordkorea zu bildenden internationalen Koalition bilden." Die Yomiuri fügte hinzu: "Während der letzten Tests hat Nordkorea mindestens eine Scud-Rakete abgefeuert - also eine Rakete, die Südkorea treffen könnte. Seoul sollte der realen Gefahr durch Nordkorea offen ins Auge sehen. Wir hoffen, dass Südkorea gemeinsam mit Japan und den Vereinigten Staaten den Kern einer internationalen Koalition gegen Nordkorea bildet."
Der Leitartikel der Asahi kommentierte hingegen die Tatsache, dass fast zum selben Zeitpunkt wie die Raketenstarts ein südkoreanisches Vermessungsschiff in Gewässern unterwegs war, die Japan als Teil seiner ausschließlichen Wirtschaftszone beansprucht: "Die Äußerungen des südkoreanischen Präsidenten Roh Moo Hyun heizen die nationalistische Stimmung weiter an. Die Besuche von Ministerpräsident Koizumi im Yasukuni-Schrein schlagen gleichfalls hohe Wellen. Die Frage des Yasukuni-Schreins steht auch zwischen Japan und China. Tatsächlich ist es bedenklich, dass sich die führenden Politiker Japans und Chinas seit mehr als fünf Jahren nicht besucht haben. Die Schaffung eines friedlichen Sicherheitsumfelds in der Region ist die wichtigste gemeinsame Aufgabe aller drei Länder. Man kann nicht umhin zu denken, dass die Führer Japans, Chinas und Südkoreas ihre Prioritäten korrigieren sollten."
Dagegen meinte die Nihon Keizai Shimbun (Nikkei): "Wichtig ist die Schaffung eines Systems durch internationale Zusammenarbeit, mit dem Nordkorea zu Veränderungen gezwungen wird. Auf diese Forderung haben Südkorea und China bislang erwidert, dass es zu gefährlich sei, Pjöngjang in die Ecke zu drängen. Die Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft und insbesondere der Staaten, die an den Sechs-Parteiengesprächen teilnehmen, ist eine stille Überzeugungsarbeit und dient nicht dazu, Nordkorea in die Ecke zu drängen. Allerdings ist es als ein Zeichen des Protestes auf jeden Fall wichtig, eine harte Haltung gegenüber einem Land einzunehmen, das sich nicht an internationalen Gesprächsforen beteiligt und trotz aller Warnungen mit seinen Raketenstarts fortfährt. Es gibt unzählige historische Beispiele dafür, dass Gespräche genau an diesem Punkt einsetzten."
(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)