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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
10. 07. 2006
Japan plant Haushaltskonsolidierung durch Ausgabenkürzungen und höhere Steuern
Japan steht in den kommenden Jahren vor erheblichen Kürzungen seiner Ausgaben beim Staatshaushalt sowie einer Erhöhung der Verbrauchssteuer, um sein Haushaltsdefizit abzubauen sowie eventuell den riesigen öffentlichen Schuldenberg zu verringern, die zusammen mit einer schrumpfenden Bevölkerungszahl die Wirtschaft des Landes langfristig bedrohen. Diese Aussichten ergeben sich aus dem Dokument "Grundlegende Maßnahmen für das Wirtschafts- und Finanzmanagement sowie für die Strukturreformen 2006" der Regierung, das am 7. Juli fertig gestellt wurde. Darin sind eine Reihe schwieriger Themen für die nächste Regierung enthalten, die die Nachfolge der Regierung von Ministerpräsident Koizumi antreten wird, so dass man sich fragen muss, ob seine viel gepriesene "Reform-"Agenda nach seinem Abgang im September ihren Schwung beibehalten kann.
Seit dem Amtsantritt Koizumis im Jahr 2001 bildet das jährliche Grundlagenpapier mit dem Spitznamen "Knochengerüst der Maßnahmen" für die Regierung das wichtigste Mittel zur Gestaltung ihrer Reformagenda. Der Rat für Wirtschafts- und Finanzpolitik unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten gilt dabei als treibende Kraft bei der Formulierung der Maßnahmen. In diesem Jahr nun - dem letzten - wird das Grundlagenpapier charakterisiert durch langfristige Vorschläge für die finanzielle Gesundung als ultimatives Ziel der Reformagenda sowie für Maßnahmen gegen den Bevölkerungsrückgang. Es stellt damit eine Art "Examensarbeit" für die fünfjährige Amtszeit des Ministerpräsidenten dar.
Das oberste Ziel des Dokuments ist das Erreichen einer ausgeglichenen primären Bilanz des Haushalts - die Differenz zwischen Ausgaben ohne den Schuldendienst und den Einnahmen ohne die Gewinne aus den Staatsanleihen - bis zum Haushaltsjahr 2011. Um dieses Ziel zu erreichen, muss ein Defizit in Höhe von 16,5 Bill. Yen eliminiert werden, was Ausgabenkürzungen zwischen 11,4 - 14,3 Bill. Yen sowie eine Steigerung der Einnahmen zwischen 2,2 - 5,1 Bill. Yen einschließlich einer Anhebung der Verbrauchssteuer erforderlich macht. Während für die folgenden Jahre ein durchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum von ca. 3 % vorausgesagt wird, gibt es doch auch Stimmen, die fürchten, dass ein solches Sparprogramm negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben könnte. Sollte dies zutreffen, dürften die Steuereinnahmen zurückgehen. Selbst wenn eine ausgeglichene primäre Bilanz erreicht würde, wäre dies nur ein bescheidener Schritt in Richtung Abbau der öffentlichen Schulden der Zentralregierung und der Kommunen, die sich auf insgesamt 850 Bill. Yen belaufen; das entspricht dem Anderthalbfachen des japanischen BIP.
Die Ausgabenkürzungen dürften vor allem durch weitere Einschnitte bei den öffentlichen Aufträgen (3,9 - 5,6 Bill. Yen), den Sozialausgaben (1,6 Bill. Yen) sowie den Personalkosten für Beamte (2,6 Bill. Yen) finanziert werden. Auf der Einnahmenseite erscheint eine Anhebung der Verbrauchssteuer, die derzeit bei 5 % liegt, bereits so gut wie beschlossen, auch wenn wegen der politischen Sensibilität und der Unwägbarkeiten in Bezug auf die Auswirkungen auf die Wirtschaft noch nicht klar ist, wann sie kommen und wie hoch sie ausfallen wird. Die Verbrauchssteuer ist eine landesweite Steuer auf die Veräußerung von Gütern und Dienstleistungen an den Endverbraucher.
Sowohl die Ausgabenkürzungen als auch die Steuererhöhungen sehen sich bereits Widerständen ausgesetzt, und es bleibt die Frage, ob sie wirklich wie vorgesehen umgesetzt werden können. Insbesondere die Anhebung der Verbrauchssteuer um 1 - 5 % dürfte ein wichtiges politisches Thema bei der nächsten Oberhauswahl im Juli 2007 bilden. Die Entscheidung darüber dürfte wahrscheinlich nicht vor dieser Wahl fallen, und als möglicher Umfang der Anhebung gelten 3 %.
Fehlen konkreter Maßnahmen kritisiert
Während sich die Medien skeptisch äußern, nimmt innerhalb der Abgeordneten der Liberaldemokratischen Partei und der Beamten der Unmut über die Art und Weise zu, wie Ministerpräsident Koizumi die Initiative bei den Ausgabenkürzungen und den Entscheidungen über weitere finanzielle Maßnahmen auf Kosten der etablierten Interessen und der traditionellen Kontrolle der Beamten über diese Bereiche ergriffen hat. Diese verstimmten Kräfte dürften die Absicht hegen, das Rad der eingeleiteten Reformen nach dem Abgang Koizumis zurückzudrehen, wenn sich herausstellen sollte, dass sein Nachfolger die Reformen nicht so tatkräftig fortführt. Die Asahi Shimbun fragte in ihrem Leitartikel vom 8. Juli "Ob Ausgabenkürzungen wirklich durchgeführt werden können?" und beklagte, dass "viele der Vorschläge nicht durch konkrete Schritte unterstützt werden."
Als Beweis für diese Wahrscheinlichkeit gilt bereits die Art und Weise, wie der Rat für Wirtschafts- und Finanzpolitik bei der Formulierung des diesjährigen Grundlagenpapiers geführt wurde. Es wurde eine offensichtliche Verlagerung der Initiative vom Amt des Ministerpräsidenten weg hin zur Regierungspartei und zu den Beamten festgestellt. Heizo Takenaka, der als Minister für Wirtschafts- und Finanzpolitik und für Finanzdienstleistungen sowie als treue rechte Hand Koizumis die Reformen an zentraler Stelle vorantrieben hatte, wurde an die Seite gedrängt und durch Kaoru Yosano ersetzt, der auf eine größere Übereinstimmung mit der Regierungspartei setzt.
Die Yomiuri Shimbun und die Sankei Shimbun forderten mit Nachdruck eine entschlossenere Haltung der Regierung für das Erreichen eines ausgeglichenen Haushalts. Sie kritisierten insbesondere die wenig resolute Position der Regierung in Bezug auf die Anhebung der Verbrauchssteuer. In ihrem Leitartikel vom 8. Juli fragte die Yomiuri: "Wahrscheinlich wollte die Regierung vor der Oberhauswahl im nächsten Jahr eine bei der Bevölkerung unpopuläre Steuererhöhung vermeiden. Aber liegt es nicht in der Verantwortung von Regierung und Regierungspartei, die Menschen frühzeitig davon zu überzeugen, dass die Anhebung der Verbrauchssteuer für die Sicherung der Finanzierung der sozialen Sicherheit und für eine Gesundung der defizitären Haushaltslage unabdingbar ist?" Die Zeitung machte in ihrem Leitartikel den Vorschlag, die Verbrauchssteuer so früh wie möglich auf 10 % anzuheben. Die Sankei zeigte sich in ihrem Leitartikel vom 8. Juli enttäuscht darüber, dass das Grundlagenpapier keinen konkreten Fahrplan für die Haushaltskonsolidierung aufzeigte, was die Zeitung als "ultimatives Ziel" bezeichnete, sondern diese Aufgabe der nächsten Regierung überlasst. Indem sie das diesjährige Grundlagenpapier als in hohem Maße durch die Abneigung der Regierungspartei gegen eine Steuererhöhung charakterisiert sieht, meinte die Sankei: "Dies steht im Gegensatz zu Deutschland, wo die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 % zur Gesundung der Staatsfinanzen eine Forderung des Wahlkampfes war und auch entsprechend umgesetzt wurde."
Die Nihon Keizai Shimbun vertrat in ihrem Leitartikel vom 8. Juli eine andere Sichtweise und meinte, dass "es nicht klug ist, eine allzu rasche und große Anhebung der Verbrauchssteuer zu unternehmen, weil dies die Anstrengungen zur Ausgabenbegrenzung oder für das Zurückführen von Steuereinnahmen aus dem Bereich Straßenbau in den allgemeinen Haushalt schwächen würde. Eine Anhebung der Verbrauchssteuer sollte dem Parlament - unabhängig von den vorherrschenden wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen - in dem Ausmaß vorgeschlagen werden, in dem sie wirklich notwendig ist."
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