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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
16. 07. 2006
Ende der Nullzinspolitik in Japan gilt als Beweis der wirtschaftlichen Erholung
Japan hat seine fünfjährige "Nullzinspolitik" am 14. Juli beendet. Dieser Schritt gilt als Beweis dafür, dass sich die Wirtschaft des Landes wieder erholt hat, nachdem diese wegen einer Finanzkrise und einer lang anhaltenden Flaute infolge des Zusammenbruchs der Bubble Economy Anfang der neunziger Jahre eingebrochen war. Allerdings bedeutet die Anhebung des Tagesgeldsatzes auf 0,25 % durch die Bank von Japan sowie das niedrige Zinsniveau insgesamt, dass die Zinsen zunächst weiter sehr niedrig bleiben werden. Dies gilt als Hinweis darauf, dass die Wirtschaft noch äußerster Fürsorge bedarf.
Die Entscheidung zur Beendigung der Nullzinspolitik wurde vom neunköpfigen monetären Ausschuss der Zentralbank einstimmig gefällt, der zu dem Schluss kam, dass die Wirtschaft Japans nach mehr als vierjähriger Erholung nun stark genug sei, um diese unnormale Politik aufzugeben. In ihrem Monatsbericht für Juli meinte die Bank von Japan, die japanische Wirtschaft sei nun aus der Phase der reinen Erholung herausgetreten und befinde sich jetzt in einer Phase der Expansion. Das Risiko einer Rückkehr der Deflation liege nunmehr fast bei null, da die Verbraucherpreise in den vergangenen sieben Monaten stets über dem Vorjahresniveau lagen. Der Bericht betonte insbesondere die hohen Kapitalinvestitionen, die in Zukunft zu einer Überhitzung der Wirtschaft führen könnten, wenn dem nicht entgegen getreten werde.
Die Nullzinspolitik, in deren Rahmen die Bank von Japan den Tagesgeldsatz bei fast null festschrieb, nahm im März 2001 ihren Anfang, als Japan sich aufgrund notleidender Kredite und schlechter Unternehmenswerte in einer veritablen Finanzkrise befand. Die Politik des Nullzinses hatte man erstmals im Februar 1999 verfolgt, allerdings im Sommer 2000 wieder aufgegeben, nur um sie sechs Monate später wieder einzuführen. Die ganze Bandbreite an Zinsen sowohl für Kreditnehmer als auch für Sparer verblieb dabei auf einem extrem niedrigen Niveau. Eine solche Politik hatte man noch nie zuvor in Japan oder weltweit angewendet, und sie wurde allgemein als Notmaßnahme für einen Patienten in kritischem Zustand bewertet.
Dank dieser Politik wurde das Bankensystem vor dem Zusammenbruch bewahrt und die Erholung der Wirtschaft erreicht. Die notleidenden Kredite der Banken, die sich auf ihrem Höhepunkt Ende März 2002 auf mehr als 40 Bill. Yen beliefen, wurden bis Ende März 2006 auf zu bewältigende 13 Bill. Yen zurückgeführt. Im Rahmen der Erholung der Wirtschaft, die im Februar 2002 begann, verzeichnen die meisten führenden Unternehmen nun wieder Gewinne in Rekordhöhe; dabei haben die billigen Kredite nach allgemeiner Auffassung eine wesentliche Rolle gespielt.
Allerdings gingen diese eindrucksvollen Resultate unter dem System der Nullzinspolitik zu Lasten der Verbraucher, deren Bankguthaben und anderen Finanzmittel so gut wie keine Zinserträge abwarfen. Einjährige Einlagen z.B. warfen gerade einmal 0,01 % Zinsen ab (mit Ende der Nullzinspolitik wurden diese nun auf 0,1 % erhöht). Laut einer Schätzung der Bank von Japan gingen den Anlegern in den dreizehn Jahren extremer monetärer Lockerung nach dem Zusammenbruch der Bubble Economy 304 Bill. Yen an Zinseinnahmen verloren. Die Größe dieser Summe wird deutlich, wenn man sie den 1.500 Bill. Yen an privaten Einlagen gegenüberstellt.
Es heißt, dass dadurch ein massiver Transfer an Geldmitteln vom Privatsektor hin zum Banken- und Businesssektor erfolgte. Die Asahi Shimbun meinte in ihrem Leitartikel vom 15. Juli: "Es ist sicher, dass die Privathaushalte die Wirtschaft und die Finanzinstitutionen unterstützt haben, indem sie ihre Zinseinnahmen auf ihre Einlagen opferten." Dies war die Schattenseite der Nullzinspolitik. Weitere negative Auswirkungen waren ein Schwächung der Marktdisziplin, da das billige Geld auch ineffiziente Unternehmen am Leben erhielt, die sonst verschwunden wären.
Für die Bank von Japan bedeutete das System der Nullzinspolitik, dass sie ihr Schlüsselinstrument der Geldpolitik aufgab - eine ungewöhnliche Situation für eine Zentralbank. Mit der Verbesserung der Wirtschaft war die Bank zunehmend bestrebt, ihre Kontrolle über die Geldpolitik zurückzugewinnen. Als ersten Schritt in diese Richtung beendete die Zentralbank im März dieses Jahres ihre Politik der "quantitativen Lockerung", unter der sie die Geschäftsbanken scheinbar unbegrenzt mit Barmitteln versorgte, damit diese genügend Geldmittel zur Verfügung hatten. Diese Politik war ebenfalls im März 2001 in dem Glauben eingeleitet worden, dass es bei einem Zinsniveau bei null unmöglich sei, eine weitere Lockerung der Geldpolitik über das Zinsniveau zu erreichen, wenn dies notwendig werden sollte.
Gegen die Beendigung der Nullzinspolitik erhob sich kein offener Widerstand; sie wurde vielmehr von den Medien, darunter auch die führenden Tageszeitungen, begrüßt. Die Nihon Keizai Shimbun begrüßte in ihrem Leitartikel vom 15. Juli das Ende der Nullzinspolitik als eine "Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt" in Bezug auf "die anhaltende konjunkturelle Erholung, die im Februar 2002 mit dem Zuwachs bei den Kapitalinvestitionen und dem privaten Verbrauch begann." Die Zeitung schrieb, dass "allgemein gesagt die Wiederherstellung der Funktion der Zinsen angemessen und notwendig ist, da sich die Wirtschaft nun wieder normalisiert hat." Die Mainichi Shimbun bezeichnete in ihrem Leitartikel vom selben Tag den Schritt der Bank von Japan als "eine natürliche Entscheidung", auch wenn "die Zinsen weiterhin auf einem extrem niedrigen Niveau bleiben." Sie betonte die große Bedeutung eines normalen Funktionierens der Geldpolitik. Auch der Leitartikel der Asahi Shimbun rechtfertigte die Aufhebung der Nullzinspolitik zu diesem Zeitpunkt, da "die Preise ansteigen und die Gefahr einer Rückkehr der Inflation zunehmend schwindet."
Weiterhin Skepsis innerhalb Politik und Regierung
Unter Politikern und in Regierungskreisen herrscht allerdings große Skepsis in Bezug auf eine Aufhebung der Nullzinspolitik. Einige Wirtschaftsexperten sind nach wie vor nicht davon überzeugt, dass sich die japanische Wirtschaft ausreichend erholt hat. Führende Regierungsmitglieder und Angehörige der Regierungspartei wie Chefkabinettsekretär Shinzo Abe und der Vorsitzende des Politischen Forschungsausschusses der Liberaldemokratischen Partei, Hidenao Nakagawa, verbargen ihre zögerliche Haltung in Bezug auf das Ende der Nullzinspolitik nicht. Am Ende des Tages wiesen sie darauf hin, dass diese Entscheidung allein in der Verantwortung der Bank von Japan liege. Die Bank müsse für die Konsequenzen einstehen, sollte sich die Entscheidung als nachteilig erweisen. Die Politiker scheinen sich um die negativen politischen Auswirkungen in einem solchen Fall zu sorgen.
Das Finanzministerium war verständlicherweise nicht glücklich über die Anhebung der Zinsen, da dies einen Anstieg der Kosten für den Schuldendienst der Regierung bedeutet. In diesem Zusammenhang brachte die Nihon Keizai Shimbun in ihrem Leitartikel vom 15. Juli die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Zentralbank "nicht dem Wunsch des Finanzministeriums nachgibt, die Zinszahlungen auf Regierungsanleihen anzuheben." Die Tageszeitung riet der Regierung, die fiskalische Disziplin in Übereinstimmung mit den Mechanismen des Finanzmarktes zu wahren.
Unter diesen Umständen lautet eine der wichtigsten Fragen, wie die Bank von Japan das Zinsniveau künftig weiter anheben wird. Ihr Präsident Toshihiko Fukui bemühte sich zu betonen, dass dies sehr vorsichtig geschehen werde. Trotz der vielen Belege für eine sich erholende Wirtschaft im Land selbst stellen die jüngsten Schwankungen auf den Aktienmärkten und Anzeichen für eine Verlangsamung der US-Wirtschaft sowie weitere äußere Faktoren wie steigende Ölpreise und die geopolitische Instabilität im Mittleren Osten Faktoren dar, welche die Zentralbank beunruhigen. Diese Entwicklungen könnten die japanische Wirtschaft bremsen, was einen Zinsanstieg nicht ratsam erscheinen ließe. Dies geschah im August 2000, als man beschloss, die Nullzinspolitik zu beenden, nur um sie sechs Monate später wieder einzuführen, als die Erholung der japanischen Wirtschaft ins Stocken geriet.
Ein weiterer Aspekt in Bezug auf die jüngste Entscheidung der Zentralbank war die angezweifelte Glaubwürdigkeit ihres Präsidenten, der in Aktienfonds investierte, die von Yoshiaki Murakami geführt wurden, dem Insiderhandel vorgeworfen wird. Auch wenn Fukuis Engagement nicht verboten ist und es nicht wahrscheinlich ist, dass dies einen Einfluss auf die Entscheidung der Bank ausübte, wurde Fukuis Glaubwürdigkeit als Präsident der Zentralbank doch erheblich beschädigt.
Die Yomiuri Shimbun meinte in ihrem Leitartikel vom 15. Juli: "Die Reputation der Bank von Japan wurde durch Fukuis Investitionen in den Murakami-Fonds stark beschädigt. Um das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederzuerlangen, hat die Zentralbank keine andere Wahl als den Wunsch der Öffentlichkeit nach Stabilität innerhalb der heimischen Wirtschaft durch geeignete Maßnahmen in der Zukunft zu erfüllen." Die Mainichi meinte am selben Tag in ihrem Leitartikel: "Das Ende der Nullzinspolitik bedeutet einen Schritt in Richtung Normalisierung der monetären Funktionen. Allerdings ist die Glaubwürdigkeit der Bank von Japan wegen des Engagements ihres Präsidenten in den Murakami-Fonds nach wie vor erschüttert. Den Moment der Wahrheit hat die Bank noch vor sich." Die Asahi Shimbun schrieb derweil, dass "für die Bank von Japan der Verdacht, dass ein anderes Element bei dieser wichtigen Entscheidung mitgewirkt haben könnte, bereits ein großer Schaden ist." Die Zeitung forderte Fukui auf, sich darüber ernsthaft im Klaren zu sein, da "die Unabhängigkeit der Zentralbank ohne das Vertrauen der Öffentlichkeit nicht gewahrt werden kann." Die Nihon Keizai Shimbun meinte in Bezug auf die öffentliche Kritik an Fukuis Engagement im Murakami-Fonds in ähnlicher Weise, er müsse seiner Verantwortung gerecht werden, indem er "die monetäre Politik in angemessener Weise normalisiert, ohne dabei die Interessen der Regierung zu berücksichtigen. Nur so kann die Glaubwürdigkeit wiederhergestellt werden."
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