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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
19. 07. 2006
Bodentruppen der
japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte beenden Abzug aus dem Irak
Das letzte Kontingent von zirka 220 Soldaten der
Bodentruppen der Selbstverteidigungsstreitkräfte (GSDF), die nach Samawah in
Südirak entsandt worden waren, ist am 17. Juli auf einem Luftwaffenstützpunkt in
Kuwait gelandet und beschloss damit den vollständigen Truppenabzug aus dem Irak.
Der Abzug aus Samawah, der am 7. Juli begann und die Rückkehr von 600 Mann in
sechs Gruppen umfasste, verlief ohne Zwischenfälle.
Insgesamt 5.500 Angehörige der GSDF nahmen an den Aktivitäten der Bodentruppen
der Selbstverteidigungsstreitkräfte im Irak teil, die mit der Entsendung im
Januar 2004 begannen, wobei die entsandten Kontingente alle drei Monate ersetzt
wurden. Die Soldaten werden nach dem Abzug Ende Juli nach Japan zurückkehren und
damit die 30monatige Mission abschließen - ohne ein einziges Opfer oder einen
abgegebenen Schuss.
Wandel der Aufgaben und Aktivitäten der SDF
Die Entsendung in den Irak war eine Mission, die für GSDF bislang einmalig
war. Vor dem Krieg im Irak hatte die GSDF bereits im Rahmen der Beteiligung an
Friedensmissionen der Vereinten Nationen und Einsätzen zur Katastrophenhilfe den
Fuß auf fremden Boden gesetzt. Was den Einsatz im Irak hingegen betrifft, so war
dieser im Unterschied zu den Friedensmissionen nicht durch eine Resolution des
VN-Sicherheitsrats legitimiert. Zudem hatte sich die Sicherheitslage im Irak mit
der Eskalation des bewaffneten Konflikts ernsthaft verschlechtert.
Vor diesem Hintergrund wurde im Juli 2003 das Gesetz über Sondermaßnahmen zur
humanitären Hilfe und Wiederaufbauhilfe im Irak als vorläufige Legitimation für
die Entsendung der Selbstverteidigungsstreitkräfte in den Irak verabschiedet. In
Übereinstimmung mit diesem Gesetz wurde die Mission auf humanitäre Hilfe und
Wiederaufbauhilfe beschränkt. Bei den Beratungen des Parlaments über das Gesetz
verwies die Regierung darauf, dass die SDF lediglich in nicht umkämpfte Gebiete
entsandt wird.
Hinter diesem komplizierten Prozess verbarg sich der Widerspruch zwischen der
Auslegung der japanischen Verfassung, die die Anwendung des Rechts auf
kollektive Selbstverteidigung - das die SDF den Armeen anderer Länder, die
militärische Gewalt ausüben, gleichstellen würde - untersagt und Japans selbst
artikulierter internationaler Verantwortung, zum Wiederaufbau des Irak und zur
Stabilisierung des zivilen Lebens dort beizutragen. Dieses Dilemma entfachte in
Japan eine umfassende Debatte über die Entsendung der GSDF in den Irak, wobei es
zahlreiche Für und Wider gab. Diese Diskussion wird in den Medien und der
akademischen Welt noch immer geführt.
Inzwischen ist der Einsatz der GSDF zur Hilfe beim Wiederaufbau des Irak in
Samawah abgeschlossen. Man kann nicht leugnen, dass sich durch diesen Einsatz
nicht nur der Daseinszweck und die Präsenz der SDF im Ausland gewandelt haben,
sondern dass sich den in- wie ausländischen Beobachtern gleichwohl ein Wandel in
der Form japanischer Diplomatie, die auf die Gewährleistung eines
internationalen Beitrags ausgerichtet war, darbot. Die Entsendung der GSDF nach
Samawah markiert somit einen Wendepunkt der japanischen Diplomatie.
Aus diesem Grunde widmeten sich vier von fünf nationalen Tageszeitungen (mit
Ausnahme der Asahi Shimbun) am 19. Juli dem Abschluss des Rückzugs der GSDF aus
dem Irak, diskutierten den Einsatz der GSDF und analysierten Fragen, denen sich
die japanische Diplomatie von nun an gegenüber sieht.
Kommentare bewerten die Ergebnisse des GSDF-Einsatzes
Der gemeinsame rote Faden, der sich durch alle Kommentare zog, war die
Anerkennung, die dem Einsatz der GSDF-Angehörigen gezollt wurde und die
Erleichterung darüber, dass keine Verluste zu beklagen waren.
Die Mainichi Shimbun unterstrich: "Wichtiger als alles andere ist die gute
Botschaft für das japanische Volk, dass die Mission ohne Verluste beendet worden
ist und das trotz der Tatsache, dass der Einsatz sich über zweieinhalb Jahre in
einem Land im Kriegszustand hinzog. Wir sind auch zufrieden, dass die GSDF
keinen einzigen Schuss abgegeben hat. Es fällt sich nicht schwer vorzustellen,
unter welch extremer Anspannung die Soldaten bei der starken Hitze gestanden
haben müssen. Wir sind stolz auf die Leistungen der 5.500 Soldaten, die während
der Entsendung zum Einsatz kamen." Unter Beschreibung des speziellen Inhalts der
Hilfe fuhr sie fort: "Die humanitäre Hilfe und Wiederaufbauhilfe bestand aus der
Gewährleistung medizinischer Unterstützung in 277 Fällen; der Bereitstellung von
53.500 Tonnen Trinkwasser für die Bevölkerung, obgleich diese Aktivitäten auf
halbem Wege abgebrochen wurden; und dem Einsatz bei Reparaturarbeiten an 133
Plätzen, einschließlich Schulen, öffentliche Einrichtungen und Straßen. In
diesem Zusammenhang beschäftigte die GSDF insgesamt 488.000 Einheimische."
Der Artikel der Sankei Shimbun lobte die GSDF-Angehörigen und schrieb: "Sie
haben keinen einzigen Schuss abgegeben und es gab kein einziges Opfer.
Zweifellos ist es ihre Stärke, sich nicht durch den Feind provozieren zu lassen,
ihr Fleiß und ihre Aufrichtigkeit, die ihnen letztendlich die Unterstützung der
Einheimischen einbrachten. Wir wollen hiermit erneut unseren Respekt und unseren
Dank zum Ausdruck bringen."
Unter Hervorhebung dessen, dass der Einsatz der SDF in der japanischen
Öffentlichkeit Schritt für Schritt Zustimmung fand, kommentierte die Yomiuri
Shimbun: "Die Arbeit, die durch ungefähr 5.500 Mitglieder der GSDF geleistet
wurde, wurde durch die irakische Regierung hoch bewertet und ihr Einsatz war ein
Erfolg. Laut einer durch die Yomiuri in diesem Monat durchgeführten Umfrage
gaben 68 Prozent der Befragten an, dass der Einsatz der
Selbstverteidigungsstreitkräfte zum Wiederaufbau des Irak 'beitrug'. 28 Prozent
waren der Meinung, sie 'leisteten keinen Beitrag'. Die Öffentlichkeit hat den
Einsatz der SDF langsam gut geheißen."
Hilfe für den Wiederaufbau im Irak nach dem GSDF-Abzug
Der Staatsminister für Verteidigung, Fukushiro Nukaga, sagte am 17. Juli in
Kuwait (Yomiuri am 18. Juli): "Die GSDF waren am Aufbau eines Staates für und
durch das irakische Volk beteiligt. Sie haben ihre ursprünglich festgesetzten
Ziele erreicht." Noch immer ist die Lage im Irak im Großen und Ganzen unsicher.
Fast täglich gibt es Berichte über schreckliche Zwischenfälle, in denen sich die
Zahl ziviler Opfer erhöht. Deshalb widmeten sich alle Zeitungen der Frage nach
Japans Rolle nach dem Rückzug der GSDF.
Der Kommentar der Yomiuri stellte fest: "Die Stabilität im Nahen Osten, der für
zirka 90 Prozent des notwendigen Öls unseres Landes aufkommt, ist für Japan sehr
wichtig. Die Lage im Nahen Osten ist zunehmend unsicher geworden - wobei der
Angriff israelischer Streitkräfte auf den Libanon und das Kernprogramm im Iran
den Wiederaufbau des Irak für Japan zu einer sehr wichtigen Aufgabe machen. Es
ist nicht nur für die Luftstreitkräfte der SDF wichtig, weiterhin logistische
Hilfe zu leisten, Japan muss auch seine wirtschaftliche Unterstützung durch die
staatliche Entwicklungshilfe (ODA) erweitern."
Die Mainichi stellte fest: "Internationale Zusammenarbeit bedeutet, dass die
Privatwirtschaft und nichtstaatliche Organisationen (NGOs) ihre Aktivitäten in
anderen Ländern still fortsetzen. Eine wichtige Frage ist dabei, wie man die
Zusammenarbeit der SDF und u. a. diesen nichtstaatlichen Organisationen
koordiniert. Die Regierung sollte die in Samawah gewonnenen Erfahrungen
gründlich auswerten und die Form internationaler Kooperation umfassend prüfen."
Die Frage der Verabschiedung eines permanenten Gesetzes für Auslandseinsätze
der SDF
Wie bereits erwähnt, erforderte der Einsatz der GSDF in Samawah das in Kraft
treten einer zeitlich begrenzten Legitimation durch das Gesetz über
Sondermaßnahmen zur humanitären Hilfe und Wiederaufbauhilfe im Irak. Angeregt
durch den Einsatz der GSDF im Irak wird nun in politischen Kreisen die Frage
nach der Schaffung eines permanenten Gesetzes diskutiert, das im Rahmen der
internationalen Zusammenarbeit jederzeit Auslandseinsätze der SDF ermöglichen
soll. Die Zeitungen zeigten hinsichtlich dieser Problematik feine
Meinungsunterschiede.
Die Mainichi betonte vorsichtig: "Selbst wenn es der GSDF gelungen ist, ohne
Verluste wieder abzuziehen, ist es etwas übertrieben, dies unmittelbar mit der
Schaffung eines permanenten Gesetzes zu verbinden. Man darf nicht vergessen,
dass die Auslandseinsätze der SDF durch die Verfassung limitiert sind."
Andererseits nahm die Yomiuri, wenn auch indirekt, eine positive Haltung
hinsichtlich eines permanenten Gesetzes ein. Sie kommentierte: "Die Regierung
hat dem Parlament einen Gesetzentwurf vorgelegt, der dem Verteidigungsamt den
Status eines Ministeriums einräumen soll, sowie einen weiteren zur Revidierung
des Gesetzes über die Selbstverteidigungsstreitkräfte, das dann die Teilnahme an
internationalen Friedensmissionen als normale Aufgabe der SDF anerkennen würde.
Die Regierung sollte ihre Bemühungen forcieren, um den Entwürfen Gesetzeskraft
zu verleihen. Die Sankei betonte offen ihre Unterstützung für ein solches Gesetz
und schrieb: "Die Regierung sollte sich beeilen und ein permanentes Gesetz für
die SDF-Einsätze verabschieden."
(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)