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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
27. 07. 2006
WTO-Runde scheitert und lässt Japans Firmen in Hinblick auf zukünftige Exporte mit Sorge zurück
Die multilateralen Handelsverhandlungen der Welthandelsorganisation
(WTO) - die sogenannte Doha-Runde - scheiterten am 26. Juli
offensichtlich ohne Aussicht auf eine baldige Wiederaufnahme.
Vertreter der größten Handelsnationen der Welt brachten ihre
Besorgnis zum Ausdruck, dass die WTO, die seit dem GATT das Wachstum
der Weltwirtschaft unterstützt hatte, nunmehr auf eine große aber
wirkungslose Organisation reduziert werden könnte. Führende
Wirtschaftsvertreter Japans befürchten, dass das Scheitern der
Handelsgespräche die japanischen Exporte empfindlich treffen
könnten, während sich die Agrarlobby erleichtert zeigte. Ein
Großteil der Zeitungen rief die Regierung auf, alles zu unternehmen,
um aufgrund der erheblichen Auswirkungen auf Japans Wirtschaft auf
eine baldige Wiederaufnahme der Gesprächsrunde hinzuwirken.
Nach wiederholten Auszeiten und verstrichenen Fristen hoffte man die
Doha-Runde, die im Jahr 2001 initiiert worden war, Ende diesen
Jahres abschließen zu können. Nachdem auch auf der Konferenz der
führenden Handelsnationen Ende Juni in Genf kein Durchbruch erzielt
werden konnte, wurde das Treffen der Außenminister der fünf
wichtigsten Staaten und einer Staatengemeinschaft (USA, Japan, EU,
Brasilien, Indien und Australien) als ein weiterer letzter Versuch
zum Erreichen einer Übereinkunft zur Rettung der Doha-Runde
betrachtet. Allerdings konnte aufgrund der tiefen
Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und der Europäischen
Union in Bezug auf die Reduzierung von Agrarsubventionen und Zöllen
keine Einigung erzielt werden, so dass sich WTO-Generaldirektor
Pascal Lamy gezwungen sah, die Verhandlungen ohne Aussicht auf eine
Wiederaufnahme als beendet zu erklären. Es steht zu befürchten, dass
im schlimmsten Falle etliche Jahre bis zu einer Wiederaufnahme der
Gespräche - erst nach Amtseinführung einer neuen US-Regierung -
vergehen könnten.
Bereits seit dem Beginn des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens
(GATT), dem Vorgänger der WTO, hat sich der Agrarsektor wiederholt
als größtes Hindernis im Streben nach einer Liberalisierung des
Handels erwiesen und machte den WTO-Verhandlungstisch zu einem
Schauplatz des Aufeinandertreffens egoistischer Interessen. Nicht
nur Japan, das dem Schutz einiger Agrarprodukte, wie z.B. Reis,
oberste Priorität einräumt, sondern auch die USA und die Europäische
Union lehnten beharrlich jedwede Zugeständnisse hinsichtlich der
Reduzierung von Agrarsubventionen und dem Abbau von Zöllen auf den
Import von Agrarprodukte ab. Das Festhalten am Schutz der
Landwirtschaft erwies sich sowohl als Hindernis für den Fortschritt
in anderen wichtigen Bereichen, wie dem Dienstleistungssektor und
dem Recht auf geistiges Eigentum, als auch für die Stärkung des
Handelspotentials der Entwicklungsländer oder das Aufstellen von
Regelungen gegen Preisdumping. Die vergebenen Möglichkeiten und
potentiellen Vorteile in diesen Bereichen sind enorm. Was Japan
betrifft, wurden die wirtschaftlichen Vorteile im Falle eines
Erfolges der Doha-Runde vom Ministerium für Wirtschaft, Handel und
Industrie auf 401,8 Milliarden $ beziffert.
Aufgrund der insgesamt positiven Verfassung der Ökonomien der
Industriestaaten und einiger wichtiger Entwicklungsländer, wie
China, Indien und Brasilien, wurde auch das fehlende
Krisenbewusstsein, was dazu hätte führen können, die Verhandlungen
ernster zu nehmen, für das Scheitern verantwortlich gemacht.
Gleichfalls wurde mangelnde Führungsstärke kritisiert. Unter anderem
gab es die Auffassung, die WTO sei mit ihren fast 150
Mitgliedsstaaten zu groß geworden und es gestalte sich zu
kompliziert, in multilateralen Verhandlungen einen Konsens zu
erzielen.
Man befürchtet allgemein, dass das Scheitern der Doha-Runde und die
Krise des Systems der WTO, das für den freien Handel steht, dem
Protektionismus Vorschub leisten wird. Letztendlich wird die
zögerliche multilaterale Liberalisierung des Handels vermutlich die
Bestrebungen in Richtung bilateraler Freihandelsabkommen verstärken,
die in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen haben. Japan ist
dabei relativ benachteiligt, da es bislang mit lediglich fünf
Ländern Freihandelsabkommen abgeschlossen hat. Der japanische
Landwirtschaftminister Shoichi Nakamura wurde in Genf mit der
Aussage zitiert, dass "Japan jetzt bilateralen Vereinbarungen
Priorität einräumen muss." Die Anzahl solcher Vereinbarungen betrug
im März diesen Jahres weltweit insgesamt 191 und hat damit die
Anzahl von 102 Verträgen im Jahr 2000 fast verdoppelt. Es ist
anzunehmen, dass sich dieser Trend nachteilig für die weniger
entwickelten Länder auswirken könnte, da die Wahrscheinlichkeit,
dass sie als Partner für ein solches Abkommen ausgewählt werden,
geringer ist.
In Japan ging Fujio Mitarai, Chef des japanischen
Wirtschaftsverbands Nihon Keidanren, mit einer Erklärung an die
Öffentlichkeit, in der er die Regierungen Japans und anderer
wichtiger Staaten aufforderte, so rasch als möglich an den
Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Erklärung macht die
Enttäuschung deutlich, die sich in japanischen Wirtschaftskreisen
aufgrund des Aufschubs weltweiter Zollsenkungen, insbesondere durch
die Entwicklungsländer, breit machte. Demgegenüber begrüßten das
Landwirtschaftsministerium, die Agrarlobby und die hinter ihnen
stehenden Politiker die Einstellung der Gesprächsrunde, da man in
bilateralen Handelsabkommen diverse Ausnahmeregelungen vereinbaren
kann, wohingegen eine Vereinbarung im Rahmen der WTO eine pauschale
Liberalisierung impliziere.
Medien fordern weitere Bemühungen zur Wiederaufnahme der
Gespräche
Medienkommentare riefen zu verstärkten Bemühungen für eine
Wiederaufnahme der Gespräche auf. Unter der Überschrift: "Ist der
Freihandel tot?" fragte die Nihon Keizai Shimbun am 26. Juli: "Haben
die führenden Politiker jedes Landes wirklich ernsthaft versucht,
gegen die Verlockung des Protektionismus, gegen antiliberalistische
Kräfte und für einschneidende Reformen zu kämpfen?" Sie hob
weiterhin hervor, dass man die WTO-Gespräche nicht als beendet
betrachten sollte und schrieb: "Viele Länder teilen nach wie vor die
Ideale des freien Handels. Notwendig ist der politische Wille diese
umzusetzen. Wir verlangen, dass die Verhandlungen schnellst möglich
wieder aufgenommen werden." Auch ein Kommentar der Asahi Shimbun
desselben Tages betrachtete, trotz der traurigen Aussicht, dass die
Eiszeit in den Verhandlungen Jahre anhalten könnte, die Runde als
"noch nicht gestorben". Die Industriestaaten, die großzügig vom
freien Handel profitiert haben, sollten sich zusammenschließen, um
die Initiative zu einer raschen Wiederaufnahme der Gespräche zu
ergreifen." Sie forderte die japanische Regierung auf, ihr Bestes
zur Wiederaufnahme der Runde zu tun.
Die Mainichi Shimbun nahm in ihrer Ausgabe vom 26. Juli insbesondere
Bezug auf die USA und rief die Vereinigten Staaten auf, wie damals
zu Zeiten des GATT, die Führung in Hinblick auf eine Förderung des
Freihandels zu übernehmen. In Erinnerung des Ursprungs der WTO (oder
des GATT), die aus der bitteren Erfahrung eines schrumpfenden
Welthandels, aufgrund des Protektionismus, der fast zum Kriege
führte, heraus entstanden ist, forderte die Zeitung,
"WTO-Mitglieder, insbesondere die sechs führenden Handelsnationen
der Welt, sollten sich ernsthafte Gedanken darüber machen, wie man
die WTO erhalten und stärken kann." Die Sankei Shimbun unterstrich
am 27. Juli, dass "das größte Problem in den aktuellen Gesprächen
das mangelnde Krisenbewusstsein gewesen sei" und dass "ihre
Wiederaufnahme von Beginn an ein solches Bewusstsein eines jeden
Landes fordere." Die Yomiuri Shimbun dagegen verwies am 26. Juli auf
die Notwendigkeit, dass Japan seine Produktivität in der
Landwirtschaft steigert und seine internationale
Wettbewerbsfähigkeit angesichts der Tatsache, dass der Widerstand
gegen eine Öffnung des Marktes für landwirtschaftliche Produkte
schon immer Japans Politik für eine Liberalisierung des Handels
sowohl auf multilateraler als auch bilateraler Ebene zuwider
gelaufen ist, erhöht.
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