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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


28. 07. 2006

 

 

Die Zuspitzung der Lage im Libanon und die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft


Die Lage im Libanon hat sich seit Mitte Juli rapide verschlechtert. Israel setzte bislang seine bewaffneten Angriffe gegen die fundamentalistisch islamische Hamas in Gaza fort, während der Südlibanon, die Basis der militanten schiitischen Hisbollah, zumindest zum Teil dank der Tatsache, dass die Bemühungen der Interim Force der Vereinten Nationen (UNIFIL) für einen Waffenstillstand Früchte trugen, bis jetzt relativ ruhig blieb.

Die Situation im südlichen Libanon verschlechterte sich, als die Hisbollah, die offenbar mit dem Kampf der Hamas gegen Israel sympathisiert, am 12. Juli zwei israelische Soldaten entführte. Das israelische Militär begann, angeblich als Operation zur Befreiung der entführten Soldaten, sofort mit Luftangriffen auf Gegenden, die als Unterschlupf der Hisbollah galten. Israel weitete seine Aktionen dann in eine Bodenoffensive im Südlibanon aus. Am 25. Juli wurde eine UNFIL-Posten der Vereinten Nationen bombardiert und vier VN-Soldaten kamen bei dem Zwischenfall ums Leben.

Am 26. Juli verlautbarte der Sprecher des Außenministeriums folgende Erklärung: "Die Regierung von Japan drückt ihr tiefes Bedauern über den Zwischenfall vom 25. Juli aus, bei dem VN-Blauhelmsoldaten durch einen israelischen Luftangriff den Tod fanden, obwohl die internationale Gemeinschaft Israel zu äußerster Zurückhaltung aufgerufen hatte ... [Die japanische Regierung] bekräftigt ihre Forderung nach sofortiger Freilassung der entführten israelischen Soldaten und nach einem Ende der Raketenangriffe gegen Israel [durch die Hisbollah] und fordert Israel erneut auf, Zurückhaltung walten zu lassen."

Internationale Gemeinschaft uneins
Bis zum 26. Juli hat die israelische Offensive bereits das Leben von mehr als 400 Menschen im Libanon gekostet und mehr als 40 Israelis wurden durch Angriffe der Hisbollah getötet. In dem Bestreben, dieser furchtbaren Situation ein Ende zu setzen, hat die internationale Gemeinschaft zwei Treffen einberufen, um eine weitere Eskalation des Krieges zu verhindern.

Das erste internationale Treffen zur Lage im Libanon wurde am 26. Juli in Rom unter Beteiligung von 25 Staaten, einschließlich der Vereinigten Staaten, von Staaten Europas und des Nahen Ostens und dreier internationaler Organisationen, darunter die Vereinten Nationen, abgehalten. Obgleich sich die Beteiligten in diesem Meeting über die Notwendigkeit der Bildung einer internationalen Einsatztruppe unter Schirmherrschaft der VN im südlichen Libanon einigten, kam man zu keiner Entscheidung hinsichtlich von Detailfragen, wie der Befugnis, der Aufgabe und der Zusammensetzung der internationalen Truppe. Laut einem Artikel der Mainichi Shimbun vom 27. Juli, die ihre Korrespondenten zitiert, waren es Meinungsverschiedenheiten zwischen den europäischen Staaten und den USA, die das Treffen blockierten. Die europäischen Staaten, die befürchten, dass, "wenn sich der Hass gegen Israel und die Sympathien für die Hisbollah unter den islamischen Gemeinen Europas geschürt wird, dies zu einer weiteren Verbreitung des islamischen Extremismus und einer Erschütterung der sozialen Ordnung führen könnte", forderten vor der Entsendung internationaler Truppen einen sofortigen Waffenstillstand. Die Vereinigten Staaten hingegen forderten den Rückzug der Hisbollah von der israelisch-libanesischen Grenze. Abgesehen von der Forderung nach einem "tragfähigen Waffenstillstand" behielt US-Außenministerin Condoleezza Rice während des Treffens jedoch ihre ablehnende Haltung bei.

Das zweite internationale Treffen, das auch am 26. Juli stattfand, umfasste die Diskussionen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hinsichtlich des Bombardements des UNFIL-Postens und des Todes von vier VN-Beobachtern. Auf diesem Treffen wurden mit Unterbrechungen Gespräche mit dem Ziel der Verabschiedung einer so genannten Präsidentenerklärung zur Verurteilung des israelischen Angriffs geführt. Die Vereinigten Staaten stellten sich gegen die Kritik und so konnte an diesem Tag keine Einigung erzielt werden. Laut der Abendausgabe der Asahi Shimbun vom 27. Juli wurde die namentliche Verurteilung Israels aus dem Entwurf der Erklärung gestrichen und durch die mehrdeutige Formulierung "verurteilt jeden absichtlichen Angriff auf VN-Mitarbeiter" ersetzt. Doch am Abend des 26. Juli lehnte das US-Außenministerium auch diese Formulierung ab. Letztendlich nahm der Sicherheitsrat einstimmig eine Präsidentenerklärung hinsichtlich des Vorfalls vom 27. Juli an, in er sich tief geschockt und beunruhigt zeigte und die israelische Regierung zu einer Untersuchung des Vorfalls aufrief. Im Ergebnis des Vetos der Vereinigten Staaten entbehrte die Erklärung die Verurteilung Israels und die Forderung einer gemeinsamen Untersuchung des Vorfalls durch die Vereinten Nationen und Israel, die im ursprünglichen Text enthalten waren.

Zeitungen kritisieren pro-israelische Haltung der USA
Diese beiden internationalen Treffen machten die Meinungsunterschiede zwischen den Ländern Europas und des Nahen Ostens, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine sofortige Feuerpause zwischen Israel und der Hisbollah anstreben, auf der einen und den USA auf der anderen Seite deutlich, die vor allem die Hisbollah entwaffnen und somit weitere bewaffnete Angriffe verhindern wollen, und Israels "unverhältnismäßige Notwehr" tunlichst übersahen. Vor diesem Hintergrund überwogen in den japanischen Zeitungen Kommentare, die die Bush-Administration zu einer Revision ihrer pro-israelischen Haltung aufforderten.

Der Kommentar der Asahi vom 28. Juli kritisierte die Haltung der USA in Bezug auf die Lage im Libanon scharf. Sie schrieb: "Wenn die Kämpfe anhalten, wird die Zahl der Opfer steigen - und die meisten der Toten und Verletzten werden Zivilisten sein, die ins Kreuzfeuer gerieten. Auch die Vereinigten Staaten, als Israels wichtigster Verbündeter, sollten keine Zeit versäumen, um mit den beteiligten Ländern eine Waffenruhe auszuhandeln." Die Asahi fuhr fort: "Während die hochrangige Nahost-Konferenz am Mittwoch in Rom Einigkeit über die Notwendigkeit der Entsendung multilateraler Truppen in den Südlibanon erzielte, wurde hinsichtlich der Zusammenstellung der Truppen oder dem Zeitpunkt ihres Einsatzes keine Entscheidung getroffen. Den Hintergrund dieser Handlungsunfähigkeit bildet die Uneinigkeit zwischen den Vereinten Nationen und den europäischen und arabischen Nationen, die eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen fordern und Washington, das sowohl die Absicht für einen Waffenstillstand zu hegen scheint und gleichzeitig aufmerksam den Plan Israels zur Vernichtung der Hisbollah im Auge behält."

Die Nihon Keizai Shimbun (Nikkei) kommentierte am 28. Juli unter Verweis darauf, dass die Hisbollah durch die Raketenangriffe auf israelisches Territorium und die Entführung israelischer Soldaten "große Verantwortung" für den Ausbruch der Gewalttätigkeiten trägt, die Verbindung zwischen der Verstärkung der israelischen Offensive gegen den Libanon und die Reaktion der USA: "Viele Zivilisten sind im Libanon getötet oder verletzt worden und über 800 000 Menschen waren gezwungen, ihr Heim oder das Land zu verlassen. Dieses humanitäre Problem kann nicht ignoriert werden. Um ein weiteres Ansteigen der Zahl der Opfer und des Druckes zu verhindern, ist es selbstverständlich, an Israel zu appellieren, äußerste Zurückhaltung zu wahren. Der Angriff des israelischen Militärs auf einen VN-Posten sollte ebenso verurteilt werden. Wir können nicht anders, als an der Haltung der Vereinigten Staaten, die zu stark auf die Seite Israels tendieren, zu zweifeln." Die Nikkei schrieb weiter: "Nachdem das Gipfeltreffen in St. Petersburg militärische Zurückhaltung forderte und die Idee der Entsendung internationaler Truppen keimte, haben die USA keine Vermittlerrolle eingenommen. Man kann daraus folgern, dass die Vereinigten Staaten, die davon ausgehen, dass die Wurzeln des Bösen weiter bestehen, sollte man die militärische Macht der Hisbollah zur Bedrohung Israels nicht vernichten, Israel bis zu einem gewissen Grad Zeit für seine Operationen einräumt."

Auswirkungen der Lage im Libanon auf die arabische Welt
Der bereits erwähnte Kommentar der Nikkei schloss unter Verweis auf die möglichen Auswirkungen der Situation im Libanon auf die Lage im gesamten Nahen Osten. Sie schrieb: "Wenn der Widerstand gegen die USA und Israel stärker wird und weiter Blut fließt, wird es Auswirkungen auf die Friedensbemühungen im Nahen Osten, die Stabilität im Libanon und die Haltung gegenüber der Atomfrage des Iran geben. Washingtons umfassendes politisches Urteilsvermögen muss jetzt in Frage gestellt werden."

Ähnliche Kommentare fanden sich auch in anderen Zeitungen. Die Mainichi forderte die Bush-Administration, die einen immensen Einfluss auf die Lage in Nahost hat, am 25. Juli auf, über die Frage des Libanon hinausgehendes politisches Urteilsvermögen zu zeigen. Sie stellte fest: "Die Regierung Bush vermeidet Verhandlungen mit Syrien und dem Iran, die einen starken Einfluss auf den Libanon ausüben - zur Amtszeit des Vaters des amtierenden Präsidenten, George Bush, allerdings waren Israel, Syrien, der Libanon, Jordanien und Palästina, Teilnehmer der Nahost-Friedenskonferenz.
Zur damaligen Zeit hatten die Vereinigten Staaten ihre Verantwortung für die Schaffung eines umfassenden Friedens wahrgenommen und die fünf Parteien an den Verhandlungstisch gebracht. Das Scheitern der jetzigen Nahost-Friedenskonferenz war kein Versagen der USA allein, aber es ist offensichtlich, dass, wenn Washington einseitig Israels Recht auf Selbstverteidigung favorisiert, die Unzufriedenheit auf der arabischen Seite wachsen wird. Die Vereinigten Staaten sollten sich zumindest stärker für Zurückhaltung auf israelischer Seite einsetzen."
 

(Copyright 2005 Foreign Press Center, Japan)

 

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