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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
14. 08. 2006
VN-Sicherheitsrat verabschiedet Resolution über Waffenstillstand im Libanon
Als Reaktion auf die anhaltenden Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah, einer bewaffneten Gruppierung der Schiiten im Libanon, die inzwischen den ganzen Libanon erfasst haben, verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf einem Treffen der Außenminister am 11. August einstimmig eine Resolution, mit der zur "sofortigen Einstellung der Feindseligkeiten" auf beiden Seiten aufgerufen wird. Mit der Erweiterung der israelischen Offensive auf den gesamten Libanon hat der Konflikt, der am 12. Juli im Süden des Landes begann, inzwischen mehr als tausend Tote und über 3.500 Verletzte gefordert sowie ca. eine Million Menschen im Libanon vertrieben. Obgleich Israel militärisch überlegen ist, gibt es auch auf israelischer Seite Opfer zu beklagen - mittlerweile mehr als 120 Tote. Der Libanon war ein malerisches Land, das zahlreiche Touristen anzog. Die Artillerie- und Bombenangriffe der israelischen Armee haben die soziale und wirtschaftliche Infrastruktur des Landes jedoch fast vollständig zerstört; der wirtschaftliche Schaden wird auf über fünf Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Verabschiedung der Waffenstillstandsresolution des VN-Sicherheitsrats bedeutet nun, dass endlich ein internationaler Konsens gefunden wurde, der dieser tragischen Entwicklung Einhalt gebietet
Der japanische Außenminister Taro Aso ging am 12. August mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit und unterstrich: "Japan begrüßt die einmütige Annahme der Resolution 1701 des Sicherheitsrats, die sowohl eine vollständige Einstellung der Feindseligkeiten durch Israel und die Hisbollah als auch die Unterstützung beider Kriegsparteien für eine dauerhafte Waffenruhe und eine langfristige Problemlösung auf der Grundlage der in der Resolution verankerten politischen Rahmenbedingungen fordert." Die Erklärung lautet weiter: "Japan wird weiterhin alle beteiligten Parteien dazu aufrufen, auf der Grundlage der Resolution eine sofortige Waffenruhe umzusetzen, umgehend den politischen Rahmenbedingungen der Resolution zuzustimmen und alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Stabilität in der Region wiederherzustellen."
Sorge hinsichtlich des erschütterten Vertrauens in den VN-Sicherheitsrat
Obgleich die Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah eskalierten und zu einer wachsenden Zahl von Opfern, darunter auch Frauen und Kinder, im Libanon führte sowie das Land verwüstet wurde, konnten die Beratungen im Sicherheitsrat über einen Monat lang keine Einigkeit über den Weg zur Wiederherstellung des Friedens erzielen. Die Hauptursache für die festgefahrene Debatte bestand, wie in Japan Brief "Die Zuspitzung der Lage im Libanon und die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft" vom 28. Juli näher ausgeführt, in den unterschiedlichen Auffassungen europäischer Staaten und denen des Nahen Ostens auf der einen Seite, die ihr Augenmerk auf die Herstellung einer sofortigen Waffenruhe legten, und den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite, die Israels "überzogene Gegenwehr" befürworteten. Die Erklärung von VN-Generalsekretär Kofi Annan, dass diese Untätigkeit "das Vertrauen der Welt in die Autorität und Integrität (der Vereinten Nationen) schwer erschüttert" habe, spiegelte die frustrierte internationale Meinung hinsichtlich der Intensivierung und Verlängerung der Kämpfe wider.
Aus diesem Grunde begrüßten die japanischen Zeitungen am 13. August die Verabschiedung der Resolution über den Waffenstillstand und kritisierten gleichzeitig deren Verzögerung. Die Yomiuri Shimbun schrieb stellvertretend: "Die Bemühungen des VN-Sicherheitsrates waren bis jetzt eher kraftlos. Das liegt daran, dass die Interessen der betroffenen Länder so unterschiedlich sind. Das Vertrauen in die Vereinten Nationen ist dadurch vermutlich schwer beschädigt worden. Die Wiederherstellung des Vertrauens wird für die VN von nun an eine wichtige Aufgabe sein." Die Mainichi Shimbun kommentierte ähnlich: "Die Verabschiedung der Resolution muss begrüßt werden, allerdings ist es sehr bedauerlich, dass die Aufforderung zu einem Waffenstillstand so spät erfolgte. Als Israel 1982 in den Libanon eindrang, wurde die Resolution des Sicherheitsrates mit der Forderung nach einer sofortigen Waffenpause einstimmig noch am selben Tag verabschiedet."
Besorgnis hinsichtlich in der Resolution enthaltener Unklarheiten
Israel, Libanon und die Hisbollah haben bereits ihre Absicht zur Annahme der aktuellen Resolution zum Ausdruck gebracht. Trotzdem äußerten fast alle Leitartikel ernsthafte Zweifel daran, ob die Resolution die Grundlage für die Einhaltung der Waffenruhe und die Schaffung regionaler Stabilität bilden kann. Die Ursache der Besorgnis der japanischen Medien hinsichtlich der Effektivität der Resolution liegt zum einen daran, dass diese als Mittel zur Erreichung eines Kompromisses im grundlegenden Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah erstellt wurde, und zum anderen in den bestehenden Meinungsunterschieden zwischen den Vereinigten Staaten und den europäischen Staaten u.a., die während der Beratungen im Sicherheitsrat zu Tage traten. Obwohl die Resolution durch sorgfältige diplomatische Formulierungen zu einer Einigung führte, bleiben Unklarheiten in Bezug auf die Umsetzung einzelner Punkte bestehen.
Die Mainichi meinte: "Die einstimmige Resolution fordert eine sofortige Beendigung der Feindseligkeiten durch die Hisbollah und Israel sowie nach der Einrichtung einer so genannten Blauen Line im südlichen Libanon die Entsendung sowohl von Blauhelmsoldaten (UNIFIL) als auch der libanesischen Armee. Gleichzeitig wird sich die israelische Armee schrittweise zurückziehen. Aber selbst wenn ihr Umfang und ihre Befugnisse erweitert werden: Sind die UNIFIL und die libanesische Armee allein in der Lage, die Sicherheit im Süden zu gewährleisten? Zu welchem Zeitpunkt wird sich das israelische Militär vollständig zurückziehen? Wenn man genau hinschaut, entdecken wir zahlreiche Unklarheiten."
Die Nihon Keizai Shimbun warnte: "Selbst nach Verabschiedung der Resolution bleibt die Möglichkeit bestehen, dass Israel zum 'Zweck der Selbstverteidigung' weiter militärisch vorgeht und sich die Hisbollah provozierend verhält. Die Entwaffnung der Hisbollah ist eine wichtige Aufgabe für die mittel- und langfristige Stabilität im Libanon. Doch wer soll diese wann und wie durchführen? Die Schaffung eines Regelwerks für einen andauernden Frieden steht noch aus."
Der Leitartikel der Sankei Shimbun stellte fest: "Einerseits ist die jüngste Resolution für die Umsetzung der Resolution 1559 aus dem Jahr 2004, welche die Entwaffnung aller militanten Gruppierungen im Libanon einschließlich der Hisbollah fordert, notwendig. Andererseits lehnt sie keine Militäraktionen zur Verteidigung Israels ab. Es besteht somit die Gefahr, dass die Waffenruhe durch kleinere Vorfälle gebrochen wird."
Hoffnung auf Beitrag der internationalen Gemeinschaft zur Schaffung eines Rahmenwerks für den Frieden
Die jüngste Resolution des Sicherheitsrats bleibt hinsichtlich der zeitlichen Umsetzung unklar und offen. Vor diesem Hintergrund hoben etliche Zeitungen die Notwendigkeit für die Vereinigten Staaten, die europäischen Länder und den Nahen Osten hervor, sich noch aktiver im Libanon zu engagieren.
Die Mainichi schrieb abwartend: "Im Moment mangelt es im Nahen Osten an einem Rahmen für Gespräche. Nachdem 1991 nach Vorarbeit der Vereinigten Staaten die Nahostfriedenskonferenz stattfand, ist damals ein Rahmenwerk geschaffen worden, mit dessen Hilfe Israel, Syrien, Libanon, Jordanien und die Palästinensischen Gebiete einen Weg zum Frieden suchen konnten. Selbst Israel und Syrien, die einander feindlich gesinnt sind, beteiligten sich zumindest bis 2000 an den von den USA vermittelten Friedensverhandlungen. Das Regelwerk ist bereits hinfällig. Wenn jedoch die Vereinigten Staaten eine Vermittlerrolle einnähmen und es wieder in Kraft setzten, wären positive Auswirkungen auf die Situation im Libanon und im Irak zu erwarten. Im Nahen Osten, der jetzt eine Region von Auseinandersetzungen und Blutvergießen ist, muss eine Atmosphäre des Dialogs und des Friedens geschaffen werden."
Indessen warnte die Asahi Shimbun in einem Bericht aus Kairo vor dem gefährlichen Trend, den man als "Vertrauen in die eigene Stärke" bezeichnen könnte und der sich gegenwärtig im Nahen Osten ausbreitet. Der Beitrag betonte: "Alle politischen Organisationen, welche die Unterstützung der Menschen inmitten der vom Krieg zerrütteten Lage suchen und die ihre Macht vergrößern möchten, verfügen über bewaffnete Gruppierungen - wie die verschiedenen religiösen Gruppierungen im Irak, in Palästina und die Hisbollah im Libanon. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass die einzigen Akteure, die zwischen den diktatorischen Regimen der arabischen Länder unter der Führung einer kleinen fest etablierten Elite und dem unnachgiebigen Kurs der Vereinigten Staaten und Israels die normalen Menschen noch erreichen, die Extremisten sind. Die arabischen Medien berichteten, dass die Hisbollah in den neuesten Kämpfen 'letztendlich zu einem arabischen Helden' avancierte. Es war eine gut vorbereitete militärische Macht, die diesen politischen Sieg errang."
(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)