HomePresse & PublikationenJapan Brief

presse & Publikationen


Presse & Publikationen

Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


10. 09. 2006

 

 

 Drei Kandidaten für Wahl zum LDP-Vorsitzenden - Abe als haushoher Favorit

Die Wahl des Vorsitzenden der Liberaldemokratischen Partei als Nachfolger von Ministerpräsident Koizumi, der nach Ablauf seiner Amtszeit als Parteivorsitzender Ende des Monats zurücktreten wird, wurde am 8. September offiziell angekündigt. Drei Politiker gaben ihre Kandidatur bekannt und eröffneten am selben Tag ihren innerparteilichen Wahlkampf: Chefkabinettsekretär Shinzo Abe (51), Finanzminister Sadakazu Tanigaki (61) und Außenminister Taro Aso (65). Abe, der sich der allgemeinen Zustimmung innerhalb der LDP gewiss sein kann, gilt als haushoher Favorit. Das Augenmerk liegt nunmehr darauf, inwieweit Aso und Tanigaki in den kommenden Tagen in der Lage sein werden, durch eine politische Debatte noch Stimmen auf sich zu ziehen. Der neue LDP-Vorsitzende wird am 20. September durch die LDP-Parlamentsabgeordneten und Parteimitglieder bestimmt. Ein neuer Ministerpräsident als Nachfolger von Junichiro Koizumi, der sein Amt fünfeinhalb Jahre innehatte, wird sodann in Sitzungen des Unter- und Oberhauses am 26. September ernannt. 

Kann Abe einen neuen Stimmenrekord aufstellen?

Hier eine kurze Vorstellung der drei Kandidaten nach Bekanntgabe ihrer Kandidatur. Abe wurde bislang fünfmal als Abgeordneter in das Unterhaus gewählt; er wirkte zuvor als Generalsekretär der LDP und ist derzeit Chefkabinettsekretär. Tanigaki ist bereits neunmal in das Unterhaus gewählt worden und war sowohl Staatsminister des Amts für Wissenschaft und Technologie als auch Vorsitzender der Kommission für öffentliche Sicherheit. Er ist derzeit Finanzminister. Aso ist ebenfalls zum neunten Male Mitglied des Unterhauses; er war zuvor Vorsitzender des Politischen Forschungsausschusses der LDP und Minister für Inneres und Kommunikation und fungiert derzeit als Außenminister. Alle drei Kandidaten verfügen über einen langen politischen Stammbaum: Abes Vater ist der ehemalige Außenminister Shintaro Abe und sein Großvater mütterlicherseits der frühere Ministerpräsident Nobusuke Kishi. Tanigakis Vater ist der ehemalige Erziehungsminister Senichi Tanigaki, während Asos Vater der ehemalige Unterhausabgeordnete Takakichi Aso ist. Sein Großvater mütterlicherseits ist der ehemalige Ministerpräsident Shigeru Yoshida, und seine Frau ist die dritte Tochter des früheren Ministerpräsidenten Zenko Suzuki.

Ein Artikel der Yomiuri Shimbun vom 9. September mit der Überschrift "Profile der drei Kandidaten" beschrieb diese mit den Worten "Integrität" (Abe), "Seriosität" (Tanigaki) und "scharfe Zunge" (Aso). Die Slogans der Wahlkampagnen der drei Kandidaten lauten: "Schönes Land, Japan: Jetzt ist die Zeit für eine Neugestaltung der Nation" (Abe), "Bindungen: Gestaltung einer Nation voller Vitalität und Vertrauen" (Tanigaki) sowie "Japans potentielle Stärken: Streben nach Vitalität und Sicherheit" (Aso). Ihre wichtigsten Ziele sind die Schaffung einer Gesellschaft, in der erneute Herausforderungen möglich sind, eine Bildungsreform und die Erstellung einer neuen Verfassung (Abe); Koexistenz mit Asien und Abbau des Haushaltsdefizits (Tanigaki) sowie wirtschaftliche Belebung und Maßnahmen gegen Geburtenrückgang und Überalterung der Gesellschaft (Aso).

Die Amtszeit des LDP-Vorsitzenden beträgt drei Jahre. Die Kandidaten kämpfen um insgesamt 703 Stimmen: 403 Stimmen der Parlamentsabgeordneten der LDP und 300 Stimmen aus den Regionen von ca. 1,07 Millionen Parteimitgliedern und Parteifreunden. Der Kandidat, der die einfache Mehrheit von 352 Stimmen oder mehr auf sich vereinen kann, ist der neue Vorsitzende. Von großem Interesse ist nun die Frage, ob Abe, dessen Sieg bereits als sicher gilt, den Rekordstimmenanteil von 77,7% von Ryutaro Hashimoto im Jahre 1995 überbieten kann. Dafür benötigt er 547 der 703 Stimmen.

Beginn der Debatte von Sorgen über minimale Unterschiede überschattet

Am Nachmittag des 9. September starteten die drei Kandidaten ihren parteiinternen Wahlkampf mit einer Pressekonferenz in der LDP-Zentrale. Abe kündigte an, seine Politik werde eine Politik der entschlossenen Maßnahmen für die Verwirklichung eines hohen Wirtschaftswachstums sein. "Ohne ein solides Wachstum", so Abe, "ist es nicht möglich, so gravierende innenpolitische Probleme wie die Einkommensunterschiede und die Frage der sozialen Sicherheit zu lösen. Auch auf dem Gebiet der Außenpolitik ist Wachstum insofern von Bedeutung, als es Führungsstärke signalisiert." Hinsichtlich der Tatsache, dass die Gipfeltreffen mit China und Südkorea derzeit ausgesetzt sind, meinte Abe: "Japans Tür steht immer offen. Ich werde alles unternehmen, um ein Umfeld zu schaffen, in dem wir frei reden können. Aber auch China und Südkorea müssen uns einen Schritt entgegen kommen."

Tanigaki betonte, dass er die Asienpolitik, die Belebung der Regionen, soziale Sicherheit und die Erholung der Staatsfinanzen in Angriff nehmen werde. In Bezug auf die Asienpolitik unterstrich er: "Es ist für Japan sehr wichtig, als führende Kraft in Asien eine großzügige Haltung einzunehmen. Sollte ich Ministerpräsident werden, werde ich von Besuchen des Yasukuni-Schreins Abstand nehmen. Japan muss hier die Initiative ergreifen, indem es die nationalen Befindlichkeiten der benachbarten Länder berücksichtigt. Ich möchte hier den Anfang machen, damit die Gipfeltreffen wieder aufgenommen werden können." Er sagte weiter: "Ich möchte einen Entwurf für die Zukunft aufzeigen, indem ich deutlich mache, dass die Einnahmen aus der Verbrauchssteuer für die soziale Sicherheit verwendet und so die Sorgen der Menschen gelindert werden."

Aso führte aus: "Die Fortsetzung eines nominalen Wirtschaftswachstums von ca. zwei Prozent für weitere zwei oder drei Jahre wird den Beschäftigten und der Öffentlichkeit Vertrauen in die Zukunft der Wirtschaft geben. Es ist notwendig, diese ein wenig anzustoßen. Dies wird dann zu höheren Steuereinnahmen führen. Das Wirtschaftswachstum ist wichtig für den Spielraum zur Lösung von Problemen wie die Situation der Staatsfinanzen und die Wirtschaft in den Regionen." Hinsichtlich der Asienpolitik meinte er: "Eine Situation, in der keine Gipfeltreffen möglich sind, ist definitiv nicht normal." "Sollte ich Ministerpräsident werden", so Aso, "werde ich darauf hinwirken, dass solche Treffen wieder stattfinden."

Befragt nach einer Beurteilung von Ministerpräsident Koizumi lobte ihn Tanigaki als "scharfsinnigen Risikoträger", fügte jedoch kritisch hinzu: "Zwar hat er mit Überkommenem gebrochen, aber er hat es versäumt, eindeutig festzulegen, welche Richtung Japan nun einschlagen sollte." Aso meinte: "Wir können von seiner Fähigkeit lernen, Isolation bis zum Äußersten auszuhalten." Er fügte weiter hinzu: "Er hat Strukturen beseitigt, die nicht länger in unsere Zeit passten. Jedoch hat sein Versäumnis, den Menschen bereits im Vorfeld die Folgen der Beseitigung aufzuzeigen, die Unsicherheit geschürt." Dagegen meinte Abe: "Seine Entschiedenheit ist vorbildlich und seine Führungsstärke war herausragend ... Aber aus einem gewissen Abstand heraus betrachtet dachte ich manchmal, dass er etwas zu brutal vorgegangen ist."

Gegenüber den ihn nach Helsinki begleitenden Journalisten gab Ministerpräsident Koizumi am 9. September erstmalig seine Unterstützung für Abe bekannt: "Ich werde für Abe stimmen." Nach den Gründen für seine Entscheidung befragt, erklärte Koizumi: "Abe stand mir seit meiner Ernennung als Ministerpräsident stets am nächsten, und er hat die von meiner Regierung vorangetriebenen Strukturreformen von innen her unterstützt. Er hat ihre Bedeutung mehr als jeder andere verstanden."

In einem Kommentar der Mainichi Shimbun vom 9. September hieß es: "Die politische Debatte entscheidet, ob die Auseinandersetzung mehr sein wird als ein bedeutungsloses Match am Ende der Saison. Alle drei Kandidaten haben Korrekturen bei Koizumis politischer Linie angedeutet, und es macht sich Besorgnis wegen der kaum erkennbaren Unterschiede breit." Die Mainichi fuhr fort: "Es ist völlig offen, wie tief die Diskussionen über angedachte Abweichungen vom Kurs Koizumis gehen werden."

Leitartikel: Mehr politische Debatte notwendig, damit Wahl nicht zu bedeutungslosem Wettkampf wird

Am 9. September griffen alle japanischen Zeitungen in ihren Leitartikeln die offizielle Ankündigung der Wahlen zum LDP-Vorsitz auf. Die Leitartikel führten die zur Debatte stehenden Hauptpunkte an und machten ihre Hoffnung auf eine Vertiefung der politischen Debatte unter den drei Kandidaten deutlich.

Die Asahi Shimbun stellte fest, dass die Wahl "in ihrem völligen Fehlen jedweder Spannung beispiellos ist" und fragte: "Ohne jede politische Debatte ist diese Wahl so gut wie entschieden. Warum muten wir uns eine derart bizarre Abstimmung zu?" Sie fuhr fort: "Der entscheidende Grund dafür liegt in den Einer-Wahlkreisen, die vor zehn Jahren bei den Unterhauswahlen eingeführt wurden." Die Asahi erklärte: "Die LDP ist aufgrund ihres 'binären' Elements unter den Einfluss dessen geraten, was man als 'digitale Politik' bezeichnen könnte. In einem derartigen politischen Klima ist die politische Debatte nur zweit- oder drittrangig ... Die strukturelle Umgestaltung der LDP, die binäre Entscheidungen favorisiert, hat Abe zum unschlagbaren Kandidaten für den Vorsitz gemacht." Sie meinte weiter: "Mit den Einer-Wahlkreisen kann eine Oberhauswahl einen Regierungswechsel bewirken. Dies ist nun die Arena für Machtkämpfe, wo die Kandidaten der LDP ihre Herausforderer von der Minshuto (Demokratische Partei Japans) stellen müssen. Dies mag erklären, warum die LDP-Mitglieder sich bei diesem innerparteilichen Machtkampf so passiv verhalten und die Wahl des LDP-Vorsitzenden so langweilig ist."

Mit der Feststellung, dass "die Mehrheit der LDP-Mitglieder bereits ihre Unterstützung für Abe angekündigt hat und es deswegen zu keiner Debatte zwischen den drei Kandidaten kommt", fuhr die Mainichi fort: "Welche Art Land streben sie wirklich an? Immer wieder sind leere Worte gewechselt worden, aber die spezifischen Inhalte bleiben unklar. Keiner der Kandidaten - Abe als Favorit eingeschlossen - äußert auch nur irgendetwas Substanzielles." Hinsichtlich Abes Erklärung über einen "Abschied vom System der Nachkriegszeit" meinte die Mainichi: "Wir verstehen nicht, wohin das Schiff steuert." Sie führte weiter aus: "Wir wüssten gern, was er über den Zweiten Weltkrieg denkt, einschließlich der Frage der Besuche im Yasukuni-Schrein." Über Tanigaki stellte die Mainichi fest, dass "eine Erhöhung der Verbrauchssteuer nur ein Mittel zum Zweck und kein politisches Ziel darstellt" und forderte: "Er sollte erläutern, was für eine Nation er in der Zukunft aufzubauen gedenkt." Die Mainichi brachte gleichfalls ihre Unzufriedenheit mit Asos Vorschlag bezüglich eines "wirklichen Gefühls von Wohlstand" zum Ausdruck und schrieb, dass "dies bereits seit geraumer Zeit erläutert wird."

Der Leitartikel der Yomiuri betonte: "Die neue Regierung wird die schwere Verantwortung schultern müssen, den zukünftigen Kurs des Landes festzustecken, um ein stabiles und friedliches Land zu schaffen. Die Wahl innerhalb der LDP wird den nächsten Ministerpräsidenten bestimmen, der diese schwierige Aufgabe zu lösen hat." Sie fuhr fort: "Innerhalb der Partei wird Abe bereits als sicherer Gewinner der Wahl gehandelt. Es hat sich herausgestellt, dass Abes komfortabler Vorsprung der Grund dafür ist, warum es bislang keine eingehende politische Debatte gab ...  Abe hat daher die besondere Pflicht, die Debatte im Wahlkampf anzustoßen, indem er deutlich macht, wie er mit den wichtigsten politischen Fragen umzugehen gedenkt und wie er eine neue Regierung bildet sowie eine neue Parteiführung aufstellt." Die Yomiuri äußerte zudem eine Bitte an die anderen beiden Kandidaten: "Wir erwarten von Tanigaki und Aso nicht nur, dass sie ihre eigenen politischen Vorschläge präsentieren, sondern dass sie darüber hinaus durch den Verweis auf Mängel und Fehler in Abes Politik die Diskussion unter den Kandidaten in Gang bringen. Alle drei haben die politischen Fragen noch nicht ausreichend diskutiert." Die Yomiuri schloss daraus: "Sie müssen während des Wahlkampfs in öffentlichen Diskussionsforen und bei anderen Gelegenheiten den Wählern ihre Vorstellungen darlegen, wie sie das Land durch die schwierigen Zeiten steuern wollen."

Mit dem Hinweis darauf, dass "die drei Kandidaten die Verantwortung haben, die politische Debatte weiter zu vertiefen, so dass (die Wahl zum LDP-Vorsitzenden) nicht nur eine Routineangelegenheit wird", betonte die Sankei Shimbun: "Wir hoffen, dass sie mittels einer freundschaftlichen Rivalität das Bild eines besseren Japan entwerfen." Als Themenschwerpunkte, bei denen sich die Ansichten der Kandidaten klar unterscheiden, nannte die Sankei u.a. die Außenpolitik, das Recht auf kollektive Selbstverteidigung und die Verbrauchssteuer. In Bezug auf die Asienpolitik stellte sie fest: "Nach wie vor besteht die Frage, wie man der Einmischung Chinas und Südkoreas in unsere inneren Angelegenheiten gegenübertritt." In Bezug auf das Recht auf kollektive Selbstverteidigung hob sie hervor: "Wir erwarten eine Diskussion darüber, wie die Effektivität des japanisch-amerikanischen Bündnisses sichergestellt werden kann." Weiterhin appellierte die Sankei an Abe als den Spitzenkandidaten: "Um die Unterstützung der Menschen zu erhalten, ist in bestimmten Bereichen eine kämpferische Einstellung erforderlich."

Angesichts dessen, dass, "das Augenmerk wegen Abes haushoher Überlegenheit darauf liegen wird, ob sich die politische Debatte über seine Planungen für eine neue Regierung vertiefen wird oder nicht", stellte die Nihon Keizai Shimbun (Nikkei) fest: "Wir hoffen, dass jeder einzelne Kandidat vor der Öffentlichkeit eine eindrucksvolle Debatte einleitet und dass sich die konkreten Maßnahmen der neuen Regierung herauskristallisieren werden." Über Abes Popularität meinte sie: "Wir sind voller Hoffnung, sowohl aufgrund der entschiedenen politischen Haltung, die Abe in Bezug auf die Entführung japanischer Staatsbürger durch Nordkorea an den Tag legte, als auch wegen seiner Jugendlichkeit und Frische." Die Nikkei fuhr fort: "Das Interesse am Ausgang der Wahl hält sich in Grenzen, aber sollte sich die Debatte von einem fraktionsinternen Geplänkel zu einer wirklichen politischen Diskussion entwickeln, könnte sie durchaus bedeutsam werden." Sie forderte deshalb: "Wir erwarten von den Kandidaten, dass sie sich in der politischen Debatte voll engagieren - mit ausreichendem Enthusiasmus, um so den LDP-Vorsitzenden auf eine neue Art zu bestimmen."

(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)

 

 

zum Überblick über JAPAN BRIEF

Top

Sitemap | kontakt | impressum
(c) Botschaft von Japan in Deutschland, Hiroshimastr. 6, 10785 Berlin, Tel: 030/21094-0, Fax: 030/21094-222