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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


09. 10. 2006

 

 

Japanisch-chinesischer Gipfel: Verbesserung des bilateralen Verhältnisses sowie Aufbau strategischer Beziehungen von gegenseitigem Interesse

Am 8. Oktober besuchte Ministerpräsident Shinzo Abe Beijing und traf mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao in der Großen Halle des Volkes zusammen. Es war der erste Besuch eines japanischen Ministerpräsidenten seit fünf Jahren. Beide Politiker kamen überein, die gegenseitigen Besuche wieder aufzunehmen und die bilateralen Beziehungen zu verbessern, die aufgrund der Besuche des früheren Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi im Yasukuni-Schrein und anderer Streitpunkte gelitten hatten, sowie zwischen beiden Ländern im Rahmen des Kontextes internationaler Angelegenheiten "strategische Beziehungen von gegenseitigen Interesse" aufzubauen. Sie vereinbarten zudem eng zusammenzuwirken, um Nordkorea von einem Kernwaffentest abzuhalten. Zur Frage eines Besuches im Yasukuni-Schrein äußerte sich Ministerpräsident Abe nicht, vielmehr meinte er nur, er werde sich angemessen verhalten. China hatte in dieser Angelegenheit zur Zurückhaltung aufgerufen.

Ministerpräsident Abe trifft führende Politiker Chinas - herzlicher Empfang

China wandte alles auf, um Abe beim ersten Auslandsbesuch seit seinem Amtsantritt einen herzlichen Empfang zu bereiten. Abe traf nacheinander mit den drei führenden Politikern Chinas, nämlich Präsident Hu Jintao, Ministerpräsident Wen Jiabao und Wu Bangguo, dem Vorsitzendens des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses, zusammen. Der letzte Besuch eines japanischen Ministerpräsidenten war vor fünf Jahren gewesen, als Ministerpräsident Koizumi im Oktober 2001 nach China kam. Seit einem Gipfeltreffen in Jakarta im April 2005 hatte es keine Zusammenkunft zwischen den führenden Politikern Japans und Chinas mehr gegeben.

China stimmte Abes Vorschlag zu, dass beide Länder "strategische Beziehungen von gegenseitigem Interesse" aufbauen. In der Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen führte Abe aus, er hoffe "dass sich die beiden Räder Politik und Wirtschaft energisch in Bewegung setzen, damit sich die Beziehungen zwischen Japan und China zu einem höheren Niveau auf der Grundlage von Banden gemeinsamen strategischen Nutzens weiterentwickeln."

China versicherte, dass die Besuche des früheren Ministerpräsidenten Koizumi im Yasukuni-Schrein die Gefühle der Menschen in China und Asien verletzt hätten und forderte Abe auf, die politischen Hindernisse in den bilateralen Beziehungen aus dem Weg zu räumen. Abe entgegnete, dass die Besuche im Schrein "dem Gebet für einen dauerhaften Frieden dienten und keineswegs der Förderung des Militarismus oder der Ehrung der Kriegsverbrecher der Kategorie A." Er sagte, er werde sich nicht zu der Frage äußern, ob er den Schrein besucht habe oder einen Besuch plane. Vielmehr werde er "sich angemessen verhalten, um sicherzustellen, dass beide Länder die politischen Hindernisse überwinden und eine gedeihliche Entwicklung fördern."

Beim Ausdrücken seiner persönlichen Auffassung von Geschichte zitierte Abe die Erklärung des früheren Ministerpräsidenten Tomiichi Murayama aus dem Jahr 1995 und sagte: "Der Weg, den Japan in den sechzig Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verfolgt, gründet sich auf dem Bedauern über die Leiden und den Schmerz, die die Nationen Asiens in der Vergangenheit erfuhren sowie über die Narben, die geblieben sind." Er forderte China auf, Japans Entwicklung zu einer friedlichen Nation anzuerkennen. China antwortete: "Wir hoffen und glauben, dass Japan den Weg der friedlichen Entwicklung weitergehen wird." Abe schlug vor, dass beide Länder noch in diesem Jahr ein gemeinsames Projekt für historische Forschungen einrichten; dem stimmte China zu.

Abe sagte, dass Nordkoreas Ankündigung, einen Kernwaffentest durchzuführen, "eine große Bedrohung ist, die keineswegs hingenommen werden kann." Auch Präsident Hu zeigte sich besorgt und führte aus, China werde "auf Nordkorea dahingehend einwirken, dass das Land keinen Test unternimmt." In einer gemeinsamen Erklärung, die das Treffen zusammenfasste, brachten beiden Spitzenpolitiker ihre "große Besorgnis" über die jüngste Entwicklung auf der koreanischen Halbinsel einschließlich des Problems eines möglichen Kernwaffentests zum Ausdruck.

Abe lud den Präsidenten und den Ministerpräsidenten Chinas nach Japan ein. Beide nahmen die Einladung an und erklärten, sie würden den Besuch "zu einem für beide Seiten geeigneten Zeitpunkt" antreten. Beide Länder kamen zudem überein, dass die Spitzenpolitiker beim anstehenden APEC-Gipfel (Asia-Pacific Economic Cooperation) im November sowie beim Ostasiengipfel im Dezember separate japanisch-chinesische Gespräche führen.

Konfrontation wegen des Themas Yasukuni vermieden - potentielle Konfliktherde bleiben

In ihren Ausgaben vom 9. Oktober lobten die führenden japanischen Tageszeitungen die Verbesserung der japanisch-chinesischen Beziehungen, merkten jedoch an, dass "die Konfliktherde nach wie vor bestehen." Die Asahi Shimbun schrieb: "Ministerpräsident Abe hat die erste Hürde in der Asienpolitik genommen; dabei hat er jedoch seine eigenen Ansichten über die Geschichte mit Gewalt zurückgehalten und damit mögliche Konfliktherde in der Zukunft zurückgelassen." Ähnlich äußerte sich die Mainichi Shimbun: "Indem man einen Konflikt wegen des Yasukuni-Schreins vermied, zogen beide Seiten Nutzen aus der Wahl Abes zum Ministerpräsidenten, um ihre Beziehungen zu reparieren. Allerdings ließen sie die Frage eines möglichen Schreinbesuches durch Abe während seiner Amtszeit als Ministerpräsident offen für Interpretationen, so dass ein potentieller Konfliktherd bestehen bleibt." Die Yomiuri Shimbun schrieb: "Die japanisch-chinesischen Beziehungen, die während der Regierung Koizumi in eine Sackgasse gerieten, sind erfolgreich repariert worden. Allerdings bleibt die Frage der Besuche im Yasukuni-Schrein im Unklaren, so dass ein potentieller Konfliktherd für die Zukunft zurückbleibt."

Die Nihon Keizai Shimbun (Nikkei) nahm Bezug auf die Absicht Chinas und Japans, strategische Beziehungen von gegenseitigem Interesse aufzubauen und meinte: "China benutzt den Begriff ‚strategisch' in der Regel nur, wenn es über seine Beziehungen zu Großmächten wie den Vereinigten Staaten und Russland spricht. Indem es diesen Begriff auf das Verhältnis zu Japan anwendet, hebt China hervor, wie wichtig ihm Japan ist. Es hat damit faktisch die Partnerschaft friedlicher Zusammenarbeit, über die man erstmals 1998 in einer gemeinsamen Erklärung des damaligen Ministerpräsidenten Keizo Obuchi und des chinesischen Präsidenten Jiang Zemin überein gekommen war, aufgewertet."

Die Mainichi fügte in ihren Bericht die Kommentare einer Reihe von Experten ein. Einer dieser Fachleute, Ryosei Kokubun, Professor an der Fakultät für Rechts- und Politikwissenschaften der Keio Universität, sagte: "Abe verdient Lob dafür, dass er als ersten wichtigen Schritt seiner Regierung den Schwerpunkt auf eine Wende in Japans Asienpolitik legte. Für beide Seiten war dies der perfekte Zeitpunkt, um die Beziehungen zu reparieren." Prof. Akihiko Tanaka von der Universität Tokyo meinte: "Es ist sehr gut, dass die nicht mehr funktionierenden Gipfeltreffen wieder auf den Weg gebracht wurden. Ministerpräsident Abe und China waren in der Lage diesen Gipfel zu realisieren, weil sie implizit übereinkamen, die Frage des Yasukuni-Schreins vom Tisch der Außenpolitik in Asien zu nehmen. Sollte Abe jedoch den Yasukuni-Schrein besuchen, dürften die Probleme in den Außenbeziehungen erneut an die Oberfläche kommen."

Leitartikel der führenden Tageszeitungen

Die führenden japanischen Tageszeitungen kommentierten den japanisch-chinesischen Gipfel auch in ihren Leitartikeln vom 9. Oktober.

Die Yomiuri Shimbun überschrieb ihren Leitartikel mit "Chinas Haltung gegenüber Nordkoreas Atomtest ist Schlüssel für Verhältnis zu Japan" und schrieb: "Das Treffen bedeutete eine willkommene Wiederaufnahme der Gespräche auf höchster Ebene zwischen beiden Ländern. Es fiel auf, dass es unmittelbar nach der nordkoreanischen Drohung der letzten Woche stattfand, einen Kernwaffentest durchzuführen." Die Zeitung merkte an, dass China mit Japan darin übereinstimmte, seinen Verbündeten von einem Atomtest abzuhalten und schloss: "Die Art und Weise, wie China das Problem von Pjöngjangs Kernwaffentest angeht, wird der Lackmus-Test" für den Aufbau "strategischer Beziehungen von gegenseitigem Interesse" sein, die beide beim Gipfel vereinbarten.

Unter der Überschrift "Neubeginn für stabile Beziehungen" lobte die Mainichi die positive Weitsicht der beiden führenden Politiker und merkte an, dass der Gipfel das "Resultat des Wunsches beider Seiten ist, die unnatürliche Unterbrechung der letzten fünf Jahre zu beenden." Sie brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass dies "den Neubeginn für den Aufbau stabiler Beziehungen" bedeutet. Die Mainichi vermutete, dass es ein impliziertes "Gentleman's Agreement" gegeben haben müsse, das Abe davon abhalte, den Yasukuni-Schrein während seiner Amtszeit zu besuchen, und schrieb: "Ministerpräsident Abe muss sich darüber im Klaren sein, dass ein Vertrauensverhältnis nur bewahrt werden kann, wenn diese Übereinkunft unter Gentlemen eingehalten wird."

Der Leitartikel der Asahi unter der Überschrift "Abes Chinareise: Wir begrüßen diesen ersten Schritt zur Verbesserung der bilateralen Bande" lobte Abes Besuch nachdrücklich und führte aus, dass er dazu diente, eine der schwierigsten Situationen zu beenden, die es seit der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und China gab, sowie den Startpunkt für den Aufbau frischer kooperativer Bande zu legen. "Unter diesem Aspekt", so die Asahi, "würdigen wir die Auffassung beider Staaten, dass dieser Gipfel einen ‚Wendepunkt in den bilateralen Beziehungen' darstellt, wie es vom chinesischen Präsidenten Hu und in der Übereinkunft beider Seiten, weiter voranzuschreiten, zum Ausdruck gebracht wurde." Gleichzeitig warnte die Asahi, dass die Frage des Yasukuni-Schreins nicht weiter vor sich hin glimmen dürfe, wenn die jüngste Entwicklung in Richtung Verbesserung der Beziehungen aufrechterhalten werden solle. Die Zeitung forderte Abe auf, von Besuchen im Yasukuni-Schrein abzusehen, und schloss: "Wir hoffen, dass er seine Entscheidung in dieser Angelegenheit auf der Grundlage einer weit gefassten Perspektive trifft."

Die Sankei Shimbun überschrieb ihren Leitartikel "Erster Schritt zur Normalisierung der Beziehungen" und meinte: "Beide Länder sind letztendlich aus dem Stillstand herausgetreten und haben den ersten Schritt gemacht, um normale Beziehungen zwischen Gleichgestellten zu gestalten." Sie fuhr fort: "Der wichtige Punkt dabei ist, dass Japan nicht um diesen Gipfel bitten musste und auch keine Zugeständnisse gegenüber China machte." Die Sankei schrieb weiter: "Zwar bleiben Streitpunkte bestehen, aber dies macht es nur noch bedeutsamer, dass nun ein Schritt zur Gestaltung normaler Beziehungen gemacht wurde, in deren Rahmen die führenden Politiker beider Länder miteinander sprechen können." Die Sankei wiederholte ihre Auffassung, dass "die außenpolitischen Fähigkeiten der Regierung Abe großes Lob verdienen. 

Unter der Überschrift "China und Japan müssen für den Frieden in Ostasien zusammenwirken" lobte auch der Leitartikel der Nikkei den Gipfel als einen ersten Schritt für die Wiederherstellung der Beziehungen zwischen Japan und China. In Bezug auf die nukleare Aufrüstung Nordkoreas meinte die Nikkei, dass dies "eine große Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit in Ostasien" bedeutet und schrieb: "Beide Länder sollten rasch jedwede Anstrengung unternehmen, um eine nukleare Aufrüstung Nordkoreas zu verhindern." Die Nikkei meinte zudem: "Die Indoktrination im Bildungssystem und Propagandakampagnen zur Förderung eines anti-japanischen Nationalismus während der letzten zehn Jahre und länger haben die Menschen in China tief beeinflusst." Sie warnte: "Die Beziehungen könnten sich erneut verschlechtern, falls Abe den Yasukuni-Schrein besucht." Gleichzeitig rief die Nikkei China dazu auf, "seine Politik in Bezug auf das Vermitteln von Geschichte zu überarbeiten, um zukunftsgerichtete Beziehungen zu Japan zu gestalten."

(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)

 

 

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