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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
31. 10. 2006
Gesetzentwurf über Dezentralisierung dem Parlament vorgelegt - neuer Versuch für Übertragung der Kompetenzen
Als Land mit einer starken Zentralregierung und relativ schwachen regionalen und kommunalen Regierungen hat Japan in den letzten zehn Jahren wiederholt Versuche für eine Dezentralisierung unternommen, da sich die gegenwärtigen Bedingungen auf die Vitalität und das Wachstum der Regionen und Kommunen negativ auswirken. Ministerpräsident Shinzo Abe hat erklärt, dass "ohne Vitalität in den Regionen und Kommunen auch keine Vitalität auf nationaler Ebene möglich ist." In einem weiteren Versuch zur Dezentralisierung der Verwaltungskompetenzen hat die Regierung dem Parlament nun einen Gesetzentwurf über die Förderung der Dezentralisierung vorgelegt, die als ein Bereich gilt, in dem Reformen bislang nur zögerlich umgesetzt wurden.
Der Gesetzentwurf sieht die Bildung eines Sonderausschusses innerhalb des Kabinettsamtes vor, dem Experten und Vertreter aus dem Bereich Wissenschaften angehören. Diese sollen innerhalb von drei Jahren Maßnahmen erarbeiten, um die Machtverteilung zwischen der Zentralregierung und den Regionen und Kommunen neu zu regeln und den Transfer von Kompetenzen von nationaler auf lokaler Ebene zu veranlassen. Dieses rasche Vorgehen macht die hohe Priorität deutlich, welche die Regierung Abe dieser Aufgabe beimisst.
Es ist bereits das dritte Mal, dass die Regierung einen Ausschuss für Dezentralisierung ins Leben ruft. Der 1995 ins Leben gerufene Ausschuss für die Beschleunigung der Dezentralisierung legte die Grundlagen für die Reform, u.a. durch die Abschaffung des Systems, bei dem die lokalen Regierungen der Zentralregierung untergeordnet waren und auf deren Veranlassung hin Verwaltungsmaßnahmen durchführen mussten. Innerhalb dieses hierarchischen Verhältnisses stand die Zentralregierung direkt über den regionalen und kommunalen Regierungen. Allerdings blieb die Aufgabe dieses Ausschusses in Bezug auf den Transfer der Kompetenzen und der Steuereinnahmen unvollendet. Der Ausschuss zur Förderung der Dezentralisierung, der 2001 eingesetzt wurde, musste ohne greifbare Ergebnisse aufgelöst werden, da seine Mitglieder keine Übereinkunft erzielen konnten.
Unter der Regierung Koizumi wurde ein weiterer Versuch zur Dezentralisierung unternommen, um die Finanzen auf lokaler Ebene zu reformieren, indem die Zuschüsse der Zentralregierung für bestimmte Projekte gekürzt und als Ausgleich dafür Steuereinnahmen auf die lokalen Regierungen übertragen wurden. Der beabsichtigte Wechsel wurde als "Dreieinigkeitsreform" bezeichnet und war mit einer Reform der Steuern auf regionaler und kommunaler Ebene verknüpft. Danach sollte den Regionen und Kommunen ein bestimmter Anteil an den nationalen Steuern wie Einkommenssteuer und Verbrauchssteuer zufließen, um so deren Haushaltsdefizite zu reduzieren und Chancengleichheit innerhalb der Regionen und Kommunen sicherzustellen. Allerdings endete auch dieser Versuch als Misserfolg, da sich vor allem die Beamten der Zentralregierung nachdrücklich gegen die Verringerung ihrer Macht aussprachen, die mit den Zuschüssen an die Regionen und Kommunen verbunden ist.
Wie die Misserfolge der Vergangenheit in Bezug auf die Dezentralisierung zeigen, besteht das größte Hindernis in diesem Zusammenhang in der Weigerung der Beamten der Zentralregierung, ihre Macht über die lokalen Regierungen aufzugeben. Zudem besteht innerhalb der Bevölkerung ein tief verwurzeltes Misstrauen, was die Fähigkeit der Regionen und Kommunen anbelangt, sich selbst zu regieren. Auch dies verzögert Fortschritte in Bezug auf die Dezentralisierung.
Politische Führungsstärke als wesentlich angesehen
Mit Blick auf die große Bedeutung der Dezentralisierung wiesen alle führenden Tageszeitungen in ihren Leitartikeln auf die Wichtigkeit des jüngsten Gesetzentwurfs über die Dezentralisierung hin und brachten die Notwendigkeit großer politischer Führungsstärke zum Ausdruck.
Die Asahi Shimbun (Leitartikel vom 30. Oktober) schrieb: "Skandale, in die Gouverneure der Präfekturen verwickelt sind, wie z.B. manipulierte Ausschreibungen, die Bildung eines großen Schmiergeldfonds und finanzielle Bankrotte haben das Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber den lokalen Regierungen gestärkt. Der Versuch der Regierung, den Gesetzentwurf über die Förderung der Dezentralisierung in der gegenwärtigen Sitzungsperiode des Parlaments durchzubringen, ist jedoch zu loben. Ministerpräsident Abe muss sich für eine weit reichende Dezentralisierung einsetzen, die auch den Transfer von Steuereinnahmen beinhaltet. Eine Dezentralisierung, welche die Selbstständigkeit der lokalen Regierungen fördert, wird den Menschen dort den Zusammenhang zwischen Kosten und Nutzen deutlich machen. Dies wird die Verschwendung und den Mangel an Selbstständigkeit reduzieren."
Die Sankei Shimbun (Leitartikel vom 29. Oktober) meinte: "Ministerpräsident Abes Entschlossenheit in Bezug auf die Dezentralisierung ist nachdrücklich zu loben, wenn er sagt, dass ohne Vitalität auf lokaler Ebene keine Vitalität auf nationaler Ebene möglich ist. Allerdings zeigt der dem Parlament vorgelegte Gesetzentwurf nur die Grundzüge und das weitere Vorgehen für künftige Reformen auf. Alles hängt von praktikablen Debatten und der Formulierung konkreter Maßnahmen ab. Wir hoffen sehr, dass der Ministerpräsident hier große Führungsstärke zeigt."
Die Nihon Keizai Shimbun (Leitartikel vom 28. Oktober) schrieb: "Die Reform, die den Transfer von Verwaltungskompetenzen und von Steuereinnahmen hin zu den lokalen Regierungen anstrebt, ist ein Projekt, das den geeinten Widerstand der Beamten der Zentralregierung sowie der Parlamentsabgeordneten hervorruft, welche die Interessen bestimmter Branchen vertreten. Solange Ministerpräsident Abe nicht bestimmte Ziele und Prinzipien der Reform aufzeigt, wird sie erneut scheitern. In diesem Zusammenhang ist es lobenswert, dass der neu eingerichtete Rat für Wirtschafts- und Finanzpolitik sich unmittelbar nach seiner Bildung mit der Dezentralisierung befasste. Die aus dem Privatsektor stammenden Ratsmitglieder schlugen nun eine Änderung der Aufteilung der Steuereinnahmen zwischen Staat und Regionen/Kommunen von derzeit 60 zu 40 auf 50 zu 50 in den kommenden drei Jahren vor."
Die Mainichi Shimbun (Leitartikel vom 28. Oktober) meinte: "Bei der Reform von 1995 wandten sich die Behörden der Zentralregierung vehement gegen den Transfer von Kompetenzen vom Staat auf die Regionen und Kommunen. Dadurch waren nur Veränderungen möglich, welche auch von der Zentralregierung unterstützt wurden. Der letzte Versuch zur Neuaufteilung der Steuereinnahmen zwischen Staat und Regionen/Kommunen blieb ebenfalls aufgrund des Widerstands der Ministerien und Behörden der Zentralregierung unvollendet. Dadurch wird die politische Führungsstärke von Ministerpräsident Shinzo Abe zu einem wesentlichen Faktor. Die jüngsten Skandale, in die lokale Regierungen verwickelt sind, verursachen in der Bevölkerung ein weit verbreitetes Gefühl, dass nicht alles den Regionen und Kommunen überlassen werden kann. Letztere sollten sich darüber im Klaren sein.
Die Yomiuri Shimbun (Leitartikel vom 30. Oktober) schrieb: "Die Zentralregierung verhängt gegenüber den lokalen Regierungen nach wie vor verschiedene Restriktionen, indem sie dafür die Vorschriften und Richtlinien für Zuschüsse nutzt. Diese Regulierungen erschweren es den Regionen und Kommunen, eine Politik zu verfolgen, die den Umständen im eigenen Territorium angemessen ist. Aber auch die lokalen Regierungen haben die Aufgabe, die Dezentralisierung voranzutreiben. Der finanzielle Fehlschlag der Stadtregierung von Yubari auf Hokkaido hat gezeigt, wie rücksichtslos diese lokale Regierung bei der Umsetzung von Entwicklungsprojekten vorgegangen ist und wie wenig Kompetenz sie besaß. Es muss angemerkt werden, dass ein Reformschub in Richtung Dezentralisierung keinerlei praktischen Nutzen hat, solange die lokalen Regierungen nicht in der Lage sind, mit den von der Zentralregierung übertragenen Verwaltungskompetenzen und Steuereinnahmen angemessen umzugehen."
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