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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


09. 11. 2006

 

 

Kongresswahlen in den USA: Demokraten erringen erstmals seit 12 Jahren Mehrheit in Repräsentantenhaus und Senat

Bei den am 7. November in den Vereinigten Staaten abgehaltenen Kongresswahlen gewann die oppositionelle Demokratische Partei die Mehrheit im Repräsentantenhaus und sicherte sich zudem unter Einschluss der nicht zur Wahl stehenden Sitze 51 der 100 Sitze im Senat. Damit ist die seit 1994 bestehende Dominanz der Republikaner zu Ende gegangen. Bei den Wahlen, die den Charakter eines Votums über Präsident George W. Bush hatten, machte das amerikanische Volk sein deutliches "Nein" zur Irak-Politik des Präsidenten deutlich. Am 8. November kündigte Präsident Bush den Rücktritt von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld an, was die Möglichkeit eines Kurswechsels in der Politik der USA im Irak bietet. Von nun an wird Präsident Bush eine Schwächung seines Einflusses kaum verhindern können, und er dürfte sich in den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtszeit wohl Problemen in der Regierungsarbeit gegenüber sehen.

Verteidigungsminister Rumsfeld tritt zurück

Bei den Kongresswahlen standen 33 Sitze oder ein Drittel der 100 Sitze des Senats und alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses zur Wahl. Im Repräsentantenhaus errangen die Demokraten 229 Sitze, während die Republikaner 203 Sitze gewannen, wobei die Demokraten auch bei den drei noch auszuzählenden Sitzen vorn liegen. Im Senat konnten die Demokraten die knappen Wahlen in Montana und Virginia für sich entscheiden und erhöhten die Zahl ihrer Sitze - einschließlich der nicht zur Wahl stehenden Sitze - auf 51. Bei den Gouverneurswahlen, die parallel zu den Kongresswahlen in 36 der 50 US-Bundesstaaten stattfanden, gewannen die Demokraten - abgesehen von der Wiederwahl des amtierenden Gouverneurs Arnold Schwarzenegger in Kalifornien - in 20 Bundesstaaten, was ihnen die Regierungshoheit in 28 Bundesstaaten einschließlich der Staaten, bei denen keine Wahlen anstanden, einbrachte. Die Demokratische Partei hat damit erstmals seit zwölf Jahren auch wieder die Mehrheit der Gouverneursposten inne.

Nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse räumte Präsident Bush die Niederlage ein und gab zu, dass "viele Wähler in der letzten Nacht ihre Enttäuschung über die fehlenden Fortschritte [im Irak] zum Ausdruck gebracht haben."  Er fuhr fort: "Als Vorsitzender der Republikanischen Partei trage ich einen großen Teil der Verantwortung." Präsident Bush rief die Demokraten zur Zusammenarbeit auf und sagte: "Ich beabsichtige, im neuen Kongress mit beiden Parteien zusammen zu arbeiten, um die Probleme, vor denen unser Land steht, anzupacken." Aufgrund der Überlegenheit der Demokraten im Repräsentantenhaus ist anzunehmen, dass Nancy Pelosi (66), die Vorsitzende der Demokraten in dieser Kammer, die erste Sprecherin des Repräsentantenhauses werden wird. Senatorin Hillary Clinton, eine mögliche Kandidatin der Demokraten bei den Präsidentschaftswahlen 2008, wurde in New York erfolgreich wieder gewählt.

Robert Gates (63), ehemaliger Direktor des Geheimdienstes CIA, wurde als Nachfolger Donald Rumsfelds im Amt des Verteidigungsministers nominiert. Auf einer Pressekonferenz unterstrich Präsident Bush: "Minister Rumsfeld und ich sind uns einig, dass die Zeit für eine neue Führung im Pentagon gekommen ist." Er deutete zudem einen Wechsel in der Irak-Politik der Vereinigten Staaten an, indem er ankündigte, dass Gates "frischen Wind mitbringen wird" .

Augenmerk auf einen Kurswechsel gegenüber Nordkorea und Irak

Japans führende Tageszeitungen kommentierten die Kongresswahlen in den USA am 9. November. Die Sankei Shimbun stellte fest: "Die Hauptursache für die großen Zugewinne der Demokraten liegt sowohl darin, dass die gemäßigten unabhängigen Wähler und diejenigen, die bislang die Republikanische Partei unterstützten, aus Sorge über die Situation im Irak, wo die Anzahl der toten US-Soldaten weiter zunimmt, einen Kurswechsel forderten, als auch in ihrer Unzufriedenheit aufgrund anhaltender Skandale in der Republikanischen Partei." Die Mainichi Shimbun bemerkte: "In der Außenpolitik wird sich der Präsident dem starken Druck durch den Kongress ausgesetzt sehen, der einen Politikwechsel, wie z.B. einen raschen Rückzug der US-Truppen aus dem Irak fordert. Es besteht weiterhin die Wahrscheinlichkeit, dass er in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt wird." Die Yomiuri Shimbun sagte voraus: "Sollte es keinen deutlichen Strategiewechsel geben, wird Bushs Außenpolitik in einer Sackgasse enden."

Hinsichtlich der künftigen Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik stellte die Sankei fest: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass das von den Demokraten dominierte US-Repräsentantenhaus Druck für eine Überarbeitung der Grundsätze der Wirtschaftspolitik in Bezug auf den verstärkten Wettbewerb ausüben wird. Die Demokraten werden zwangsläufig der Beschäftigung höheren Stellenwert als dem Freihandel einräumen, so dass Japan und andere Handelspartner eine Wiederbelebung des Protektionismus befürchten müssen. Dies könnte durchaus Auswirkungen auf die Wiederaufnahme der Doha-Runde über den Welthandel im Rahmen der WTO haben." 

Die japanische Regierung wird mit großer Aufmerksamkeit verfolgen, ob es von nun an einen Wechsel bei der US-Politik gegenüber Nordkorea und Irak geben wird. Ministerpräsident Abe äußerte am 8. November gegenüber der Presse: "Für Nordkorea ist es wichtig, auf die Besorgnis der internationalen Gemeinschaft zu reagieren; die Resolution der Vereinten Nationen über die Sanktionen repräsentiert den Willen der internationalen Gemeinschaft. Sowohl die Republikanische als auch die Demokratische Partei stimmen in dieser Hinsicht überein." Auf die Frage, ob die amerikanischen Wähler der Irak-Politik der Bush-Administration eine "Absage" erteilten, antwortete Ministerpräsident Abe: "Der Wiederaufbau Iraks ist ein Anliegen der ganzen internationalen Gemeinschaft, und Japan tut dabei sein Möglichstes. Unsere Unterstützung für Irak bleibt unverändert." Auf einer Pressekonferenz am Nachmittag des 8. November unterstrich Chefkabinettssekretär Yasuhusa Shiozaki hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Japan und den USA: "Japan und die Vereinigten Staaten unterhalten auf allen Ebenen gute Beziehungen und beide Länder brauchen einander. Was auch immer geschieht, die Grundlinie bleibt unverändert."

Leitartikel der Tageszeitungen

Die Leitartikel der führenden japanischen Tageszeitungen vom 9. November widmeten sich den Kongresswahlen in den USA. Sie definierten die Irak-Politik der Bush-Regierung als Ursache für die Niederlage der Republikanischen Partei und analysierten die Perspektiven der künftigen Außenpolitik Bushs.

Unter der Überschrift "Stärke und Verantwortung: Sieg der Demokraten setzt Signal für eine neue Ära im Irak" betonte die Asahi Shimbun: Aufgrund der Tatsache, dass der Wahlausgang de facto als Ablehnung der Irak-Politik von Präsident Bush verstanden werden könnte, "werden [die Ergebnisse] den Präsidenten zu der Entscheidung zwingen, den Kurs seiner Irak-Politik zu ändern." Sie kommentierte: "Bush sollte einen Kurswechsel im Irak einleiten, indem er offen zugibt, dass der Krieg ein Fehler war." Die Asahi unterstrich: "Um die Lage im Irak wirklich zu ändern, muss dieser Punkt sowohl innen- als auch außenpolitisch klargestellt werden." Sie forderte die US-Regierung auf, "einen Vorschlag für einen raschen Rückzug aus dem Irak auf der Grundlage eines Plans zum Wiederaufbau zu unterbreiten, der allgemeine Zustimmung findet und die Beteiligung der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Länder des Nahen Osten, ermöglicht."

Unter der Überschrift "Versuch, aus der diplomatischen Sackgasse heraus zu kommen" kommentierte der Leitartikel der Mainichi: "Man kann davon ausgehen, dass das mangelnde Vertrauen in die Irak-Politik der Bush-Regierung die Wähler dazu bewegte, für die Demokraten zu stimmen." Sie brachte ihre Besorgnis zum Ausdruck, dass mit der Übernahme der Mehrheit durch die Demokraten im Repräsentantenhaus "die Regierungsfunktionen aufgrund zunehmender Konfrontationen behindert werden." Die Mainichi forderte die Demokraten auf, eine Situation zu vermeiden, bei der aufgrund umfassender Auseinandersetzungen mit den Republikanern die "US-Außenpolitik stagniert oder überraschende Wendungen nimmt und sich damit nachteilig für die Welt auswirkt." "Wir erwarten [von Präsident Bush], dass er den Willen der Menschen akzeptiert und insbesondere über eine Änderung seiner Außenpolitik nachdenkt". Hinsichtlich der Irak-Politik fügte sie hinzu: "Die Zeit ist gekommen, eine gründliche Überprüfung vorzunehmen und sowohl dem einheimischen als auch dem internationalen Publikum einen Vorschlag zur Beruhigung der chaotischen Lage zu vorzulegen."

Die Yomiuri schrieb in Bezug auf die Niederlage der Republikaner unter der Überschrift "Bush ist in Sachen Außenpolitik keine lahme Ente": "Wird der Stimmungswechsel in den USA zu einer Schwächung der Regierung Bush führen und ihrer Außenpolitik führen? Dies sollte Japan aufmerksam beobachten." Unter Zurückweisung der Vermutung, Präsident Bush würde von nun an handlungsunfähig werden, fuhr sie fort: "Präsidenten, die eine zweite Amtszeit bestreiten, besitzen den Vorteil, sich kompromisslos ihrer Politik widmen zu können, ohne über eine mögliche Wiederwahl nachdenken zu müssen [...] Deshalb kann man nicht behaupten, dass Bushs Handlungsfähigkeit in der Außenpolitik  geschwächt wurde." Die Yomiuri kommentierte weiter: "Für Japan ist es von großer Wichtigkeit, wie die Vereinigten Staaten mit dem Nordkorea-Problem umgehen werden [...] Ohne eine aktive Beteiligung der USA bei den [Sechs-Parteien-]Gesprächen werden sie erfolglos bleiben."

Unter der Überschrift "Vorsicht bei Politikwechsel geboten" meinte die Sankei: "Da die Wahlen eine Art Referendum über die Irak-Politik von Präsident Bush bildeten, war der Sieg der Demokratischen Partei ein Ausdruck der Unzufriedenheit, Verärgerung und Kritik über die Irak-Politik der Regierung Bush." Sie fuhr fort: "Das wird Auswirkungen auf die künftige Politik der republikanischen Regierung von Präsident Bush haben; für die japanische Regierung wird es in Bezug auf die Aufrechterhaltung des Bündnisses zwischen Japan und den USA als Eckpfeiler ihrer Außenpolitik wichtig sein, aufmerksam zu beobachten, wie sich die Politik der US-Regierung wandelt." Die Sankei fügte hinzu: "Um die Beziehungen zwischen Japan und den USA weiter auszubauen, ist es für Japan wichtig, das Einvernehmen mit dem US-Kongress zu vertiefen."

Unter der Überschrift "US-Kongresswahlen machen Irak-Dilemma deutlich" hob der Leitartikel der Nihon Keizai Shimbun (Nikkei) hervor, dass "es bei Kongresswahlen üblich ist, dass die Partei des Präsidenten Sitze verliert." "In diesem Sinne", schrieb sie, "ist das aktuelle Ergebnis nicht überraschend." Die Wahlergebnisse sind nach Einschätzung der Nikkei "vermutlich ein Beleg dafür, dass die Unzufriedenheit mit der Bush-Administration im Zusammenhang mit der ungelösten Situation im Irak wächst." Unter Verweis darauf, dass "sich die USA mit Blick auf die gegenwärtige Lage im Irak in einem Dilemma befinden", kommentierte die Nikkei weiter: "Die Idee eines schrittweisen Rückzugs nach Verstärkung der irakischen Sicherheitskräfte erscheint sinnvoll; sollte sich jedoch der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten zuspitzen, dürften die Aussichten noch schwieriger werden." Die Zeitung schloss: "Die Ergebnisse der Kongresswahlen spiegeln dieses Dilemma wider."

(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)

 

 

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