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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
17. 11. 2006
Japans BIP legt im 3. Quartal weiter zu - jedoch schwacher Verbrauch
Das Kabinettbüro gab am 14. November bekannt, dass Japans Bruttoinlandprodukt (BIP) auf das ganze Jahr bezogen während des Zeitraums Juli - September um 2,0 % und damit das siebte Quartal in Folge weiter zunahm. Das Wachstum in diesem Quartal war geprägt von einem starken Export und einem schwachen Verbrauch der Privathaushalte, der gegenüber dem vorherigen Quartal abnahm. Dies veranlasste Hiroko Ota, Staatsministerin für Wirtschafts- und Finanzpolitik, zu dem Kommentar, dass sie die Entwicklung beim Verbrauch weiter genau beobachten werde, auch wenn sie sich keine Sorgen wegen eines Zusammenbruchs der wirtschaftlichen Erholung mache.
Das BIP im 3. Quartal nahm gegenüber dem vorherigen Quartal preisbereinigt um 0,5 % zu und lag damit deutlich über den Prognosen der privaten Wirtschaftsinstitute. Von dem 0,5 %-Wachstum beruhten 0,1 % auf der Binnennachfrage und 0,4 % auf der Nachfrage aus dem Ausland. Innerhalb der Binnennachfrage zeigten die Kapitalinvestitionen der Wirtschaft erneut einen starken Zuwachs von 2,9 % gegenüber dem vorherigen Quartal. Hohe Investitionen gab es u.a. in den Bereichen Elektronik und Kommunikationsausrüstungen. Der private Verbrauch, der für fast 60 % des BIP aufkommt, war hingegen recht schwach und fiel um 0,7 % gegenüber dem letzten Quartal. Ursache dafür war vor allem das ungewöhnlich schlechte Wetter im Sommer, das den Absatz von Sommerartikeln und Klimaanlagen beeinträchtigte.
Die Art des Wirtschaftswachstums im 3. Quartal stellte eine Rückkehr zur großen Abhängigkeit von den Exporten dar, was im Gegensatz zu einem durch die Binnennachfrage angeführten Wachstum steht. Letzteres gilt eigentlich als wünschenswert. Angesichts der weiterhin hohen Kapitalinvestitionen der Wirtschaft wird es zunehmend erforderlich, den privaten Verbrauch zu stärken, da dieser als unerlässlich für den Erhalt und die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums angesehen wird, das im Oktober bereits 57 Monate lang andauert.
Nach einer langanhaltenden Flaute in der Ära nach der Bubble Economy gelang der japanischen Wirtschaft im Februar 2002 endlich der Aufschwung; seitdem befindet sie sich auf Expansionskurs. Sollte diese Entwicklung auch im November anhalten, was derzeit als wahrscheinlich gilt, so wäre dies die längste Wachstumsphase der Nachkriegszeit. Damit würde die 57 Monate dauernde Wachstumsphase von November 1965 bis Juli 1970 überholt, die zur Blütezeit des hohen Wirtschaftswachstums in Japan nach dem Krieg verzeichnet wurde. Die damalige Wachstumsphase wurde als "Izanagi-Boom" bezeichnet. (Izanagi ist der Name einer mythischen Gestalt aus dem japanischen Altertum; damit wurde angedeutet, dass diese Wachstumsphase die längste in der Geschichte des Landes war.)
Trotz dieser Aussichten waren die Medienkommentare voller Klagen über die Schwäche der wirtschaftlichen Expansion, die infolgedessen nur in den Statistiken und Ergebnissen der großen Unternehmen erkennbar wurde. Vergleiche zwischen den Schlüsselindizes des Izanagi-Booms und der jetzigen Wachstumsphase sind bezeichnend: bei der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (real) 11,5 % gegenüber 2,4 % (nominell 18,4 % gegenüber 1,0 %); bei der Zunahme bei den Einkommen 114,8 % gegenüber -1,6 %. Während des Izanagi-Booms expandierte die Wirtschaft insgesamt um 122,8 % (d.h. sie nahm um mehr als das Doppelte zu), während es beim jetzigen Boom gerade einmal 4,2 % sind. Trotz des anhaltenden Wachstums haben die Verbraucher derzeit keineswegs das Gefühl, dass es sich um einen Boom handelt.
Höhere Löhne als Schlüssel für stärkeren privaten Verbrauch
Unter diesen Umständen gewinnt zunehmend die Auffassung an Boden, dass für die Festigung und Ausweitung des Wirtschaftswachstums nicht nur die Dauer der Wachstumsphase, sondern auch die Großzügigkeit der Wirtschaft wichtig ist, indem diese ihre steigenden Profite an die Arbeitnehmer weitergibt, damit diese ihren Verbrauch steigern.
Die Mainichi Shimbun meinte in ihrem Leitartikel vom 15. November: "Die Statistik über das BIP von Juli bis September macht deutlich, dass innerhalb der derzeitigen Situation der japanischen Wirtschaft der private Verbrauch die größte Aufmerksamkeit erfordert. Sollte der Rückgang beim privaten Verbrauch, der für 60 % des BIP verantwortlich ist, anhalten, hätte dies nachteilige Auswirkungen auf die Wirtschaft und würde einen Schatten auf die boomenden Kapitalinvestitionen werfen. Trotz des Rückgangs der Arbeitslosigkeit und Anzeichen für eine Zunahme bei der Zahl der regulären Arbeitnehmer sind die Löhne der Angestellten weiterhin niedrig. Für ein stabiles makroökonomisches Wachstum sollten die Unternehmen nicht nur die Bonuszahlungen anheben, sondern auch die regulären Löhne. Die Unternehmen haben ihre Erholung dadurch erreicht, indem sie im Rahmen ihrer Umstrukturierung den Anteil des Faktors Arbeit an der Wertschöpfung niedrig hielten. Ein Beitrag für ein stabiles Wirtschaftswachstum in der Zukunft wird sich auch für die Unternehmen selbst auszahlen."
Indem sie zur Suche nach Wegen für eine Belebung des Verbrauchs aufrief, um die chronische Abhängigkeit von der externen Nachfrage zu ersetzen, schrieb die Nihon Keizai Shimbun in ihrem Leitartikel vom 15. November: "Die Schwäche des privaten Verbrauchs gibt Anlass zur Sorge in Bezug auf die künftige Entwicklung der Wirtschaft. Da mit Blick auf die Exporte das Risiko einer Abkühlung der Volkswirtschaften in den Vereinigten Staaten und China besteht, ist zu hoffen, dass es einen Wandel bei den Grundlagen des Wirtschaftswachstums geben wird, damit dieses von einer robusten Binnennachfrage geleitet wird. Während der Rückgang der Konsumausgaben der Haushalte durch den kühlen Sommer mit langen Regenperioden bedingt war, darf man die geringen Lohnzuwächse nicht übersehen. Das Lohnniveau lag während der vergangenen sechs Monate bis Juli über dem des Vorjahres, um dann im August um 0,2 % unter dem des Vorjahresniveaus zu sinken und im September unverändert zu bleiben. Angesichts des harten internationalen Wettbewerbs zögern die Unternehmensführungen damit, Lohnsteigerungen vorzunehmen. Dies ist verständlich, jedoch ist es für die Stabilität des Wirtschaftswachstums erforderlich, die Notwendigkeit höherer Löhne innerhalb der Grenzen des Produktivitätszuwachses zu befriedigen."
Im Gegensatz dazu wandte sich die Sankei Shimbun in ihrem Leitartikel vom 15. November gegen das, was sie als "allzu nervöse Ansichten" über die Wirtschaft bezeichnete. Sie meinte: "Der Rückgang beim privaten Verbrauch war vor allem durch das unnormale Wetter im Sommer bedingt. Dagegen sind die Kapitalinvestitionen nach wie vor robust. Wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass ein Rückgang bei den Investitionen im Bereich öffentliche Arbeiten die Wirtschaft in dem Maße beeinträchtigen kann wie ein Rückgang beim privaten Verbrauch, dann wäre es voreilig anzunehmen, dass die Binnennachfrage nachlässt. Es heißt, dass die jährlichen Bonuszahlungen der großen Unternehmen im kommenden Winter ein neues Rekordniveau erreichen sollen, und sie nehmen auch insgesamt zu. Zusammen mit dem Anstieg bei der Beschäftigung besteht daher die große Wahrscheinlichkeit, dass der private Verbrauch wieder zulegt."
(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)