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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


23. 11. 2006

 

 

Zusammenschluss von Keio Universität und Kyoritsu Hochschule für Pharmazie -
Geburtenrückgang und Neuordnung der Hochschulen

Am 20. November gaben die Keio Universität und die Kyoritsu Hochschule für Pharmazie bekannt, dass sie Gespräche für einen Zusammenschluss dieser beiden privaten Universitäten aufnehmen werden. Sollten die Gespräche wie geplant verlaufen, wird die Keio Universität die Kyoritsu Hochschule im April 2008 als eigene Institution aufnehmen. Die Keio Universität wurde von Yukichi Fukuzawa, einer der führenden Persönlichkeiten in der Zivilisations- und Aufklärungsbewegung der Meiji-Zeit (1868-1912) gegründet. Seit ihrer Gründung 1858 hat die Keio Universität eine große Zahl bekannter Persönlichkeiten in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Kultur hervorgebracht; seit langem gilt sie als eine der angesehendsten privaten Universitäten in Japan. Die Kyoritsu Hochschule, die 1930 gegründet wurde, ist eine der führenden Hochschulen für Pharmazie in Japan.

Die Ursache, die dem Zusammenschluss dieser beiden bekannten Hochschulen zugrunde liegt, ist der Rückgang der Zahl der Studierenden. Japans Geburtenrückgang gibt großen Anlass zur Sorge in Bezug auf die Zukunft des Landes und drängt alle Hochschulen des Landes, egal ob staatlich, öffentlich oder privat, dazu, um ihr Überleben zu kämpfen. Der mögliche Zusammenschluss zweier angesehener Bildungseinrichtungen hat große Aufmerksamkeit erregt, weil er ein Symbol dafür ist, dass Japans Hochschulsystem nun an einem wichtigen Wendepunkt angelangt ist. Am 22. November befassten sich vier der fünf überregionalen Tageszeitungen in ihren Leitartikeln mit dem Zusammenschluss von Keio und Kyoritsu. Dabei brachten sie ihre unterschiedlichen Ansichten über den anstehenden Wandel und den künftigen Ausblick für die universitäre Bildung in Japan zum Ausdruck.

Dilemma des Hochschulmanagements: Geburtenrückgang

Die Zahl der 18-Jährigen in Japan nimmt jedes Jahr weiter ab; entsprechend sinkt auch die Zahl derjenigen, die sich jedes Jahr um die Aufnahme in eine Universität bemühen. Die Asahi Shimbun schrieb am 21. November, dass die Zahl der Studierenden an staatlichen, öffentlichen und privaten Hochschulen im Haushaltsjahr 1992 mit 5,06 Mio. den Höchststand erreichte. 2006 dagegen ist diese Zahl um über 30 Prozent auf 3,51 Mio. zurückgegangen. Gleichzeitig nimmt die Zahl der existierenden Hochschulen mit vierjährigen Studiengängen aufgrund von Neugründungen und der Umstrukturierung von [zweijährigen] Kurzzeit-Universitäten weiter zu. Im Haushaltsjahr 2002 gab es insgesamt 523 Hochschulen mit zusammen 470.000 Studienplätzen für Erstsemester. Im Haushaltsjahr 2006 ist diese Zahl auf 709 Hochschulen mit 560.000 Studienplätzen gestiegen. Das Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie hat die Prognose aufgestellt, dass schon 2007 eine neue Ära der "Hochschulbildung für alle" beginnt, in der jeder, der studieren möchte, auch irgendwo einen Studienplatz erhält, solange er nicht zu wählerisch bei der Auswahl seiner Hochschule ist.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle japanischen Hochschulen in die Krise geraten werden. Denn die Studienanfänger tendieren nach wie vor dazu, in die bekannten Hochschulen mit langjähriger Tradition zu streben. Vierzig Prozent der Privatuniversitäten konnten im Haushaltsjahr 2006 ihre Quoten bei den Studienplätzen nicht erfüllen, die meisten davon allerdings neue Hochschulen in entlegenen Regionen. Auch die Umbildung der staatlichen Universitäten in Körperschaften des öffentlichen Rechts im Jahre 2004 hat die privaten Universitäten unter Druck gesetzt. Da die Zuschüsse von Seiten der Regierung allmählich zurückgefahren werden, haben die staatlichen Universitäten Immatrikulations- und Studiengebühren als wichtige Einnahmequellen entdeckt. Sie haben daher neue Programme aufgestellt, um mehr Studierende anzulocken. Eine parallele Entwicklung stellt der Zusammenschluss einer Anzahl nationaler Universitäten dar. Das gleiche gilt für die anderen öffentlichen Universitäten. Tokyo z.B. hat im Haushaltsjahre 2005 seine vier städtischen Hochschulen zu einer einzigen zusammengeführt. Im Gegensatz dazu haben die privaten Hochschulen die Entwicklung im Bereich Neuordnung und Zusammenschlüsse verpasst. Die einzige bemerkenswerte Ausnahme bildeten bisher die derzeit laufenden Verhandlungen zwischen der Kwansei Gakuin Universität und dem Seiwa College in Nishinomiya, Präfektur Hyogo, die einen Zusammenschluss für 2009 anstreben. Vor diesem Hintergrund hat der nun bekannt gegebene Zusammenschluss zweier Elitehochschulen wie Keio und Kyoritsu großes Interesse erregt. Dieser neue Zusammenschluss wird mit Sicherheit große Auswirkungen auf die künftige Neuordnung der privaten Universitäten haben.

Prolog einer Ära der Neuordnung der privaten Hochschulen

Alle Leitartikel der großen überregionalen Tageszeitungen stellen die Prognose auf, dass der Zusammenschluss von Keio und Kyoritsu als Katalysator für die Neuordnung des privaten Hochschulsektors in Japan wirken wird.

Die Asahi Shimbun begrüßte in ihrem Leitartikel den geplanten Zusammenschluss und schrieb: "Unter ihrem neuen Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts streben die staatlichen und öffentlichen Hochschulen zunehmend die Bildung derartiger Allianzen an. Bislang haben die privaten Universitäten darauf nicht reagiert. Angesichts des Geburtenrückgangs bleibt aber auch ihnen keine andere Wahl als sich selbst neu zu ordnen. Damit sich private Hochschulen zusammenschließen, müssen beide Seiten davon profitieren. Im Fall der Keio Universität ist dies die Bildung einer Abteilung für Pharmazie. Für die Kyoritsu Hochschule für Pharmazie bedeutet dies leichteren Zugang zu Praktikumsplätzen für ihre Studierenden am Universitätskrankenhaus der Keio. Hochschulen mit nur einem Studiengang fällt es schwer, ein breites Spektrum an Kursen für die allgemeine Bildung [in den ersten beiden Studienjahren] anzubieten."

Die Asahi fuhr fort: "Im Rahmen der grundlegenden Politik der Regierung in den Bereichen Haushaltssanierung und Strukturreformen werden die Zuschüsse für private Bildungseinrichtungen weiter zurückgefahren. Dadurch dürfte der Überlebensdruck der privaten Universitäten weiter zunehmen. Angesichts dessen sind weitere Zusammenschlüsse wahrscheinlich. Insbesondere der Trend, dass große Universitäten Hochschulen mit nur einem Studiengang oder kleinere Hochschulen absorbieren, dürfte zunehmen."

Die Mainichi Shimbun schrieb: "Der Zusammenschluss markiert den Beginn einer Auslese unter den Hochschulen Japans. In diesem besonderen Fall erfüllt der Zusammenschluss die Bedürfnisse beider Universitäten: Die Keio strebt eine größere Vielfalt und ausgefeiltere Studienpläne an, während die Kyoritsu damit die Bedingungen für den sechsjährigen Studiengang im Bereich Pharmazie erfüllt und sich so gegen die stärker werdende Konkurrenz durch neu gegründete pharmazeutische Hochschulen und Fakultäten wappnet. Dies stellt also keineswegs einen Verzweiflungsakt dar. Der Zusammenschluss wird auch von den Studierenden selbst begrüßt." Die Yomiuri Shimbun stimmte dem zu und wies darauf hin: "Private Universitäten waren bei Zusammenschlüssen bislang zurückhaltend, weil es ihnen schwer fällt, geeignete Partner in Bezug auf ihre jeweilige akademische Tradition und Kultur, ihre Standards bei den Aufnahmeprüfungen und ihren Standort zu finden. Auch wollen viele Hochschulleitungen nicht, dass der Name ihrer Hochschule durch einen Zusammenschluss verschwindet. Sie müssen sich jedoch anpassen und sich dem Geburtenrückgang stellen."

Verbesserung der Qualität im Bildungsbereich als wahre Aufgabe

Auch wenn die meisten überregionalen Tageszeitungen die Nachricht vom Zusammenschluss begrüßten, wiesen sie in ihren Leitartikeln mahnend darauf hin, dass die tatsächliche Herausforderung darin besteht, die Qualität der angebotenen Bildung zu verbessern.

Die Mainichi Shimbun schrieb: "Die sinkende Qualität der Hochschulbildung ist ein seit langem bestehendes Problem. Zu Beginn der neunziger Jahre wurden die Bedingungen für die Gründung von Hochschulen gelockert und verallgemeinert. Die Hochschulen mussten nicht mehr zwischen allgemeinbildenden und spezialisierten Studiengängen unterscheiden und durften ihre Studienpläne nach eigenen Vorstellungen gestalten. Das Ergebnis war, dass weniger Gewicht auf Allgemeinbildung gelegt wurde und dass viele Hochschulen ihre Studiengänge im Bereich Geisteswissenschaften komplett gestrichen haben." Die Mainichi warnte: "Die Aufgabe besteht nun nicht darin, die Zahl der Hochschulen auf ein angemessenes Niveau zu senken, sondern festzustellen, ob eine Hochschule tatsächlich ein hohes Bildungsniveau anbietet. Es sollte nach Qualität und Substanz gefragt werden. Wenn man diese grundlegende Frage ignoriert und sich stattdessen allein auf die Reduzierung der Zahl der Hochschulen konzentriert, dann kommt irgendwann der Punkt, wo Hochschulbildung ihre Bedeutung verliert."

Die Sankei Shimbun forderte Japans Hochschulen auf, ihre individuellen Qualitäten weiter auszubauen und das Angebot an Studieninhalten weiter zu diversifizieren: "Wir brauchen nun auf der einen Seite Universitäten, die Forschung auf Weltklasseniveau leisten und hoch spezialisierte Bildung anbieten, und auf der anderen Seite Hochschulen, die eine breite Auswahl an Studiengängen und Möglichkeiten für lebenslanges Lernen für ihre Region anbieten. Jede Hochschule sollte eine einzigartige Rolle ausfüllen. Sie müssen auf der Grundlage ihrer individuellen Charakteristika miteinander konkurrieren."

(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)

 

 

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